SZILÁRD BENES und CHRISTOF RESSI verweben Neue Musik mit Medienkunst: In ihren hypnotisierenden audiovisuellen Performances lassen RESSI/BENES die Grenzen zwischen Klang und Raum verschwimmen. Umgeben vom Klang der Klarinette verliert sich das Publikum in einer der vielfältigen Computer-Spiel-Landschaften. Inspiriert von zeitgenössischer Musik, Free Jazz und Klezmer ist der Musiker SZILÁRD BENES daran interessiert, die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments zu erweitern. CHRISTOF RESSI liebt es, live-elektronische Set-ups und Computerprogramme zu entwerfen, die ihm spontane und direkte Manipulation von Ton und Video ermöglichen. Warum sie noch keine CD produziert haben und auch einer DVD mit ihrem Schaffen sehr skeptisch gegenüberstehen, geben sie im Gespräch mit Teresa Schwind preis.
Fangen wir gleich mit einer Aufwärmfrage an: Wie würdet ihr Ressi/Benes beschreiben, in drei Wörtern?
Szilárd Benes: Ich würde unser Projekt mit einem Wort beschreiben: Freiheit!
Christof Ressi: Dann sage ich; #frei, #interaktiv und #audiovisuell! Als 3 Hashtags.
Ein verlassener Wohnblock, zerschlagene Fenster. Alles in schwarz/weiß. Das hat etwas Dystopisches.
Christof Ressi: das Foto kommt aus unserer Anfangszeit, ziemlich düster und etwas psychotisch. Die Aufnahme haben wir bei Szilárd in einer ungarischen Geistersiedlung geschossen. Wo war das nochmal genau, Szilárd?
Szilárd Benes: In Sármellék! Das war vor acht Jahren. Dort ist unser erstes Stück „Borderline“ entstanden. Danach hat Christofs Professor ein künstlerisches Forschungsprojekt begonnen, für das wir dann immer wieder zusammengearbeitet haben.
Christof Ressi: Das war das künstlerisches Forschungsprojekt „GAPPP: Gamified Audiovisual Performance and Performance Practice“ am IEM, bei dem ich in den letzten Jahren als Gastkomponist mitgewirkt habe. Im Rahmen dessen habe ich dann mit dem Entwickeln von Computerspiel-Performances begonnen. Szilárd war als Performer dabei. Seitdem ist das der Fokus in unserem Projekt.
Der Einsatz von Computerspiel-Umgebungen für eure audiovisuellen Performances?
Christof Ressi: Alles in Computerspielen macht Geräusche: Du springst in eine Box und es macht: „Diding“, dann kommt der Pilz raus und es macht: „Blub“. So funktioniert das Sounddesign von Games auf einem ganz fundamentalen Level. Man interagiert mit einem Objekt und dann kommt ein Ton. Mit diesem einfachen Prinzip, das man aus Computerspielen kennt, arbeite ich. Mit dem Unterschied, dass es bei unseren Performances viel mehr von diesen klangerzeugenden Objekten gibt, mit denen Szilárd auch musikalisch interagieren kann. Daraus entsteht dann quasi automatisch die musikalische Form.
Begonnen haben wir mit der „game over“-Reihe, die anfangs noch als Klon von Space Invaders konzipiert war. Seitdem entwickeln sich unsere Performances zu einer großen Open-World-Sache, wo verschiedene Computerspiel-Modi innerhalb einer großen Welt koexistieren, in der sich Szilárd frei bewegt und mit den Objekten interagiert. Seit dem Projekt „terrain study“ auch mit VR-Brille.
Bei „terrain study“ sieht das Publikum Szilárd mit seiner Klarinette in der Hand und einer VR-Brille auf dem Gesicht. Gleichzeitig sieht man auf einer Leinwand das, was Szilárd durch seine Brille sieht. Wie fühlt sich das an?
Szilárd Benes: Cool! Wie ein Game. Ich weiß nicht ob du selbst Computerspiele spielst oder gespielt hast?
Ja, als Kind.
Szilárd Benes: Dann kennst du das Gefühl! Du spielst auch hier eine Rolle, aber im Gegensatz zu typischen Computerspielen gibt es hier kein klassisches Ziel. Um in das nächste Level zu kommen, musst du niemanden mit einem Schwert töten oder so. Das Ziel ist eher, etwas Klangliches zu schaffen. Töne zu erzeugen. Mir macht das sehr viel Spaß. Ich schätze diese Verbindung zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit.
„Unsere Skala reicht von komplett auskomponiert bis zu komplett frei.“
Wie entwickelt ihr eure Performances? Wie funktioniert eure Zusammenarbeit?
Szilárd Benes: Wir sprechen darüber, was klanglich in den Stücken passieren könnte. Manche Performances sind freier, manche weniger.
Bei „terrain study“ zum Beispiel war es so, dass Christof erst einmal diese Welt erbaut hat. Das ist ein langer Vorprozess, vom Ideensammeln und Programmieren bis zu den eigentlichen Proben. Wir wählen dann gemeinsam fünf oder sechs Szenen aus.
Christof Ressi: Genau. Unsere Skala reicht von komplett auskomponiert bis zu komplett frei.
„GIF Frenzy“ habe ich komplett durchkomponiert. Bei „game over“ gibt’s gar keine Form, das Einzige, was Szilárd weiß: Er kommt an diesem Punkt in die Welt hinein. Was dann beim Konzert passiert, ist komplett offen.
Mit wem interagierst du bei euren Performances? Mit der Animation beziehungsweise den Visuals oder mit Christof?
Szilárd Benes: bei unserer neuen Version von „game over v0.3.3“ gibt es ein kleines grünes Wesen, das ich mit einem Bewegungssensor, der an meiner Klarinette fixiert ist, steuere. Parallel dazu improvisiere ich auf dem Instrument und interagiere mit der Spielwelt. Christof hat aber die Möglichkeit einzugreifen: Mit einer Knopfkombination wirft er mich zu Beginn in diese Welt, dazwischen kann er mich teleportieren und am Ende kann er die Welt kaputt machen und mich explodieren lassen.
Christof Ressi: Ich habe so eine Art Gott-Rolle. Ich erschaffe die Welt, in die Szilárd hineingeworfen wird und in der er sich zurechtfinden muss.
Das Publikum kann die Entscheidungen von Szilárd beobachten
Christof Ressi: Man entscheidet sich ja immer entweder für oder gegen etwas. Bei traditioneller Improvisation zum Beispiel hört man nur, wofür sich Musikerinnen und Musiker entscheiden, nie wogegen. Bei Ressi/Benes sieht man den gesamten Möglichkeitsraum.
Mit Ressi/Benes verfolgt ihr die Idee, euer Publikum mittels Musik und Medienkunst mit extremen psychologischen Zuständen zu konfrontieren.
Christof Ressi: Was unsere Performances kennzeichnet, sind starke Kontraste; es gibt lustige, aber auch sehr extreme und gewalttätige Momente. Episoden, in denen das Bild zerstört und der Klang extrem verfremdet ist und Szilárd auf der Bühne richtig kämpft. Wie zum Beispiel bei „game over v0.3.3“, wo du ja in dieser „Krankenhaus“-Welt bist und komplett durchdrehst.
Szilárd Benes: Ich nehme einen Charakter an, den ich in diesem Moment auch emotional erlebe. Das ist auf der musikalischen Ebene ziemlich komplex: ich improvisiere und bewege mich dabei in verschiedenen Bilderwelten, auf die ich reagiere.
„Manchmal trauen sich die Leute auch nicht zu lachen, weil sie glauben, dass das verboten ist.“
Bei „GIF Frenzy“ musste ich ziemlich lachen. Wie wichtig ist Humor für euch?
Szilárd Benes: Sehr! ich denke aber, noch wichtiger ist uns dieses Spiel zwischen Humor und Seriosität.
Christof Ressi: Eine meiner Lieblingsversionen von „GIF Frenzy“ ist für Streichquartett, die ich für das Ensemble Studio Dan angefertigt habe. Das funktioniert gut, weil es noch absurder ist, dieses Stück mit einer klassischen und historisch aufgeladenen Besetzung zu spielen. Humor ist wichtig, aber ich will nicht auf Zwang Lacher erzeugen. Ich schreibe, was mir selbst Spaß macht.
Normalerweise lacht man ja nicht in einem Neue-Musik-Konzert. Manchmal trauen sich die Leute auch nicht zu lachen, weil sie glauben, dass das verboten ist. Es gibt aber auch in der klassischen Musik Komik. Bei Haydn zum Beispiel gibt’s definitiv musikalische Witze und die Leute haben damals sicher auch gelacht.
Gibt es ein Album von euch?
Christof Ressi: Nein, unsere Projekte funktionieren nur live. Wir haben uns einmal überlegt, eine DVD herauszubringen, aber da sind wir sehr skeptisch. Das erleben wir jetzt auch mit unseren Online-Videos während der Corona-Zeit, da geht ein großer Teil verloren.
Szilárd Benes: Unser Schwerpunkt ist die audiovisuelle Performance, das muss man live im Raum erleben.
Wann seid ihr das nächste Mal live zu erleben?
Szilárd Benes: Am 18. August hoffentlich! Beim impuls Festival.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Teresa Schwind
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Termine:
Mittwoch, 18 August 2021: impuls Festival
22. bis 24. September 2021 (TBA): Visiones Sonoras (Mexico City, online)
25. bis 28. September 2021 (TBA): Transparent Sound (Budapest)
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