DARA WINTER ist das Soloprojekt der Burgenländerin Daniela Gschirtz. Sie hat ihre Debüt-EP „WATER FOR MY PLANTS“ veröffentlicht und damit ein abwechslungsreiches sowie energiegeladenes Stück Musik. Im Interview spricht sie über ihren künstlerischen Schaffensprozess, was Talent für sie bedeutet und ihre Entscheidung, trotz einer umfassenden Ausbildung in der Finanzwirtschaft, Musikerin zu sein.
Danke, dass du dir Zeit genommen hast für ein Interview! Du hast im vergangenen November die EP „Water For My Plants“ herausgebracht. Sind deine Pflanzen durstig, weil nur deine Kaffeemaschine frisches Wasser bekommt, kommt daher der Name?
Daniela Gschirtz: Die Kaffeemaschine bekommt seit drei Monaten kein frisches Wasser mehr, weil ich mit dem Kaffeetrinken aufgehört habe. Das war ein persönlicher Erfolg [lacht]. In dieser EP geht´s ums Erwachsen werden und Loslassen und es geht darum, meine eigenen Träume zu leben. Jeder Traum ist wie ein Pflänzchen, den ich bewässern muss, damit er wachsen kann. Und wenn man ihn in fruchtbare Erde pflanzt, kann er auch gedeihen. Wenn man ihn aber verhungern lässt, dann passiert aus den besten Träumen nichts, dann bleiben sie verkümmerte Samen.
Verstehe, der Name ist eine Metapher. In der EP geht es ums Erwachsen werden. Es geht auch um Liebe, Selbstermächtigung und darum, deinen eigenen Weg zu gehen. Um was geht es noch?
Daniela Gschirtz: Es ist im Grunde ein Findungsprozess. Es geht darum, mich selbst als Künstlerin zu finden, diese künstlerische Seite zu manifestieren und zu sagen: „Hey, ich bin Musikerin.“ Ich komme nicht aus einem künstlerischen Haus. Das hat mich und mein Erwachsenwerden sehr geprägt. Kunst hatte immer etwas damit zu tun, dass man halt in die Musikschule geht und irgendwelche Gitarrengriffe und Noten übt. Aber dieser Spirit oder das, was dahintersteckt, hat mich immer total fasziniert und gefesselt. Was heißt es eigentlich Künstler:in zu sein? Das wollte ich immer ergründen. Die EP ist im Grunde eine Annäherung an diese Suche.
Überraschend ist, dass du neben deinem Jazzgesang-Studium auch einen Bachelor sowie einen Master im Finanz- und Wirtschaftswesen gemacht hast. Wenn man deine Musik hört oder dich auf der Bühne sieht, würde man das nicht erwarten. Du gibst Gesangsunterricht und machst Finanzcoachings für Musiker:innen. Das zeugt von deiner Leidenschaft für die Musik. Woher kommt sie?
Daniela Gschirtz: Wenn man so stark wie ich in beiden Welten zuhause ist, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Kunst, dann spürt man umso deutlicher diesen klaren Schnitt zwischen dem, was es bedeutet, menschlich zu sein oder nicht menschlich zu sein. Wirtschaft ist für mich wichtig, aber sie hat auch etwas Roboterhaftes, emotionsloses an sich. Es ist dieses bedingungslose Funktionieren-Müssen, das dazu führen kann, dass man sich selbst vielleicht auch vergisst. Ich glaube, desto mehr ich in den Wirtschaftspart hineingetaucht bin, umso mehr habe ich verstanden, wie unendlich wichtig es ist, Künstlerin zu sein und da auch diese menschliche Seite, das Menschsein, zu kultivieren.
“Björk ist toll, ich bin aber auch ein riesen Fan von deutschen Acts. Von Jennifer Rostock, Moop Mama, oder Peter Fox, die habe ich alle inhaliert.”
Du hast mit 14 Jahren deine erste E-Gitarre von deiner Großmutter geschenkt bekommen. Ich nehme an, die Musik hat schon früh für dich eine Rolle gespielt – was waren deine ersten musikalischen Einflüsse und Vorbilder?
Daniela Gschirtz: Also der erste Song, den ich auf der Gitarre gespielt habe, war „Back in Black“ von AC/DC [lacht]. Ich glaube, damit fängt jeder Gitarrenschüler und jede Gitarrenschülerin an. Für mich war das damals eine ganz große Erfahrung. Ich war bei einem tollen, jungen Lehrer, Alexander Sieber. Bevor er in unseren Bezirk gekommen ist, hat es nur klassischen Gitarrenunterricht gegeben. Mit ihm gab es auf einmal E-Gitarrenunterricht. Ein Traum! Er sei an dieser Stelle herzlich gegrüßt, er ist nach wie mit unterschiedlichsten musikalischen Projekten unterwegs. Alex hatte sicher großen Einfluss auf mich und war mein großes Vorbild. Gehört habe ich sehr viel Rock und Metal. Durch Alex bin ich schon früh auch mit dem Jazz in Berührung gekommen, weil es mein Wunsch war, jede erdenkliche Musik spielen zu können. Er hat zu mir gesagt, wenn ich Freiheit auf meinem Instrument haben möchte, dann sollte ich in den Jazzbereich gehen. Jazzmusiker:innen können alles spielen. Also wollte ich Jazzgitarristin werden. Das hat sich gedreht, mit 20 war klar, dass es Gesang werden soll. Mich haben viele Bands beeinflusst. Florence + the Machine vor allem, Florence Welch ist eine ganz großartige Sängerin. Björk ist toll, ich bin aber auch ein riesen Fan von deutschen Acts. Von Jennifer Rostock, Moop Mama, oder Peter Fox, die habe ich alle inhaliert.
Du hast Jazzgesang studiert und Jazzgitarre gelernt, jetzt machst du aber Pop. Warum?
Daniela Gschirtz: Das hat wahrscheinlich den Grund, dass ich im Laufe meines Schaffensprozesses immer mehr in die Richtung gegangen bin, in der auch meine künstlerischen Vorbilder zu Hause sind. Ich sage zu meinen Schüler:innen immer, dass sie sich genau das, was sie im tiefsten Inneren berührt, auschecken sollen. Weil es schön und wichtig und erfüllend ist, wenn genau diese Elemente Teil deiner eigenen künstlerischen Sprache werden, deiner eigenen Ausdrucksform. Das hilft dir eine eigene künstlerische Identität zu bekommen. Und ich glaube, genau das ist auch bei mir passiert. Ich finde, das spiegelt sich in meiner Musik wider. Alexandra Augustin von FM4 hat gesagt, „Superwoman Power“ klingt ein bisschen wie Moloko. Das hat mich gefreut, weil Róisín Murphy schon immer eine meiner großen Vorbilder war.
Das Album ist sehr abwechslungsreich, es ist kraftvoll und intensiv, wie ein Befreiungsschlag. Es wird darin melancholisch, aber auch humorvoll. „Frei“ ist frech und punkig – wie ist es zum Song gekommen?
Daniela Gschirtz: Bei „Frei“ spricht die Revoluzzerin aus mir. Ich sage immer, das ist mein persönlicher Therapiesong. Ich habe diesen Song geschrieben, um das gesagt zu bekommen, was ich gerne von jemanden hören würde oder was ich gerne zu mir selbst sagen möchte. Zum Beispiel „Liebling, ich bin mein eigener Liebling“ …. und ich hänge jetzt nicht die Wäsche auf, sondern gehe eine Stunde laufen und mache etwas für mich. Er zelebriert dieses „Einfach-Mal-Drauf-Pfeifen”. Ein Gegenpol zur „Everybody’s Darling“ Mentalität.
“Da steckt viel harte Arbeit dahinter und das unermüdliche Verlangen die eigene Stimme zu erforschen”
Nimmst du dann deine „Superwoman Power“, so heißt die vierte Nummer auf der EP, von diesem Song?
Daniela Gschirtz: Ja, absolut. Beide Songs haben auch mit meinen zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun. „Superwoman Power” spielt auf eine sehr kokette Art und Weise mit den männlich-weiblichen Rollenklischees, also den typischen Geschlechterrollen. Ich versuche mit beiden Songs, diese Rollen aufzubrechen. Dabei positioniere ich mich in der Rolle der starken, unabhängigen Frau, die weiß was sie will, ihr Ding macht und energiegeladen und vital ist.
Du hast in einem Interview erzählt, dass es für Musikerinnen und Musiker ein langer Weg ist, bis sie zu den Fähigkeiten gelangen, ihre Musik so klingen zu lassen, wie sie es sich in ihren Köpfen vorstellen. Wie war dein eigener Weg zu deinem Sound bis jetzt?
Daniela Gschirtz: Man braucht sicher einen langen Atem und ein Feuer, das in einem brennt. Das ist auch gleichzeitig ein Beweis dafür, dass man diesen Weg als Künstler:in wirklich gehen muss. Ich bin kein Fan von Leuten, die sagen, dass Talent alles ist. Ich glaube, dass Talent vor allem die Fähigkeit ist, an sich selbst intensiv arbeiten zu wollen, Disziplin und Ausdauer zu zeigen, sowie einen Fokus zu setzen und natürlich die richtigen Lehrer:innen zu suchen, die einen weiterbringen. Ich hatte einmal eine Gesangslehrerin, die mich ein paar Jahre lang begleitet hat. Ich wollte unbedingt die Aufnahmeprüfung für Jazzgesang machen und sie hat gesagt: „You really have to work your ass off for this“. Das war das erste Mal, dass ich gehört habe, dass es nicht eine Entscheidung ist, ob man schön oder schlecht ist wie bei einer Casting-Show. Es geht um viel mehr. Es geht um den Klang deiner Stimme, die Fähigkeit zum Ausdruck, die Fähigkeit etwas zu transportieren. Da steckt viel harte Arbeit dahinter und das unermüdliche Verlangen die eigene Stimme zu erforschen.
Ich weiß, dass du jeden Morgen früh aufstehst, um zunächst singen zu üben. Ich habe mich gefragt, ob es nicht Tage gibt, an denen du dir denkst, für was du das eigentlich machst. Aber diese Gedanken kommen dir wahrscheinlich gar nicht, weil du weißt, was am Ende rausschauen wird?
Daniela Gschirtz: Es sind eher manchmal Selbstzweifel. Aber ich glaube, das betrifft jede Künstlerin und jeden Künstler. Immer wenn man kurz davorsteht, sein eigenes Werk loszulassen, sei es durch die Präsentation eines Songs, die Veröffentlichung einer EP oder eines Albums – dann ist man damit konfrontiert. Ist die Musik gut genug? Werden die Leute es mögen? Dann ist man in dieser Außensicht. Ich merke dann, wie zerbrechlich ich sein kann, wie sehr mir das nahe geht. Aber man lernt mit der Zeit, damit gut umzugehen. Dann weiß man, diese Selbstzweifel kommen immer vor dem nächsten großen Schritt. Es ist sozusagen „organisch“, es gehört einfach dazu. Man muss nur weitergehen und sagen: dieser Song ist eine Momentaufnahme. Es ist ein Einblick, wie ein Tagebucheintrag, und erzählt einen Abschnitt meines Lebens. Und es werden tausende Folgen für tausende weitere Abschnitte.
Du hast einen swingigen Song geschrieben, der nicht für´s Studio war, sondern für die Outtakes vom Video zu „No Mouth, No Eyes, No Heart“. Der ist dir leichtfüßiger und viel freier daherkommen, hast du in einem Interview erzählt. Übst du auch das Loslassen von Erwartungen im Prozess vom Musiker:innendasein?
Daniela Gschirtz: Absolut, ich merke auch immer, dass es eine Erleichterung ist, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Es tut sehr gut, wenn man sagt, okay, es ist Kunst und es darf auch mal komplett schräg und verrückt sein. Es ist gut das zuzulassen. Immer wenn ich dazu tendiere zu ernsthaft zu sein, dann versuche ich mich wieder darauf zu besinnen. Indem ich zum Beispiel einfach Blödsinn schreibe, schräge Texte, die lustig sind. Oder ich setzte mich ans Klavier, komponiere oder improvisiere wildes Zeug vor mich hin. Das hilft mir wieder auf den Boden zurück zu kommen und eine Leichtigkeit zu zelebrieren.
Du hast noch ein zweites Bandprojekt, MAMMA FATALE, das sich in deiner Wahlheimat Linz zusammengetan hat und sehr spektakuläre Bühnen- und Hörerlebnisse liefert. Die Musik ist sehr amüsant, aber auch teilweise ernst. Was ist für dich das Interessante an MAMMA FATALE?
Daniela Gschirtz: MAMMA FATALE ist deswegen super interessant, weil die Künstler:innen, die mitwirken, spannende Charaktere sind. Ich schätze es sehr, mit diesem Kollektiv zusammenzuarbeiten und zu kreieren. Außerdem haben wir ein einziges Motto und das heißt: die Musik soll tanzbar sein. Im Grunde super open und dadurch, dass wir in diesem kreativen Pool arbeiten, kann sich sehr viel entwickeln. Da sind sehr viele Blumen im Garten oder sehr viele Knospen, die sprießen. Und das ist für jeden Künstler total essentiell, dass man auch irgendwo seine Community hat, in der man sich künstlerisch austauschen und mit der man gemeinsam arbeiten kann. Meine Erfahrung ist, dass die coolsten Ideen zu Projekten meistens in der Gruppe entstehen.
“Es geht im Grunde ums Erwachsen werden, um den Mut, sich gegen elterliche Ratschläge zu stellen”
Zurück zu Dara Winter: woher kommt der Name?
Daniela Gschirtz: Dara ist eine Abwandlung von meinem Namen. Ich find Daniela klingt schmeichelnd, wie eine Welle. Ich wollte einen Künstlernamen mit mehr Charakter, es war mir wichtig, dass ein „r“ drinnen ist. Für mich steht es für „Rückgrat“. So war der Name Dara geboren. Winter, weil ich im Winter geboren wurde, bei meiner Geburt hat es tief und fest geschneit. Als ich meinen Künstlernamen final festgelegt habe, hat es in Linz etwa 50 cm Schnee runtergeworfen. So kam es zu Dara Winter. Ich mochte auch, dass man ihn auf Englisch und Deutsch gleich gut aussprechen kann.
Deiner EP vorangegangen ist der Song „No Mouth, No Eyes, No Heart“, Zeilen vom Text lauten „Two generations at the kitchentable, peace and anger side by side“. Ein starker Text für einen starken Song, der ruhig beginnt und dann in ein grande Finale mündet. Was war die Inspiration für das Lied?
Daniela Gschirtz: Die Inspiration für das Lied sind Familiengeschichten, bei denen junge Paare mit der Elterngeneration oder der Großelterngeneration Konflikte haben. Es ist zum Teil sehr behütend, so ein Umfeld um sich zu haben, also wenn große Familien auf einem Fleck wohnen. Es kann aber auch sehr einengend sein. Den Song habe ich zum Teil aus eigenen Erfahrungen geschrieben, zum Teil aus Erfahrungen, die in meinem Umfeld passiert sind. Es geht im Grunde ums Erwachsen werden, um den Mut, sich gegen elterliche Ratschläge zu stellen und seinen eigenen Weg zu gehen. „No Mouth, No Eyes, No Heart“ kann auch so verstanden werden, dass es kein Herz, keine Augen und keine Worte für ein bestimmtes Thema gibt, das dich als Person interessiert. Bei mir war es zum Beispiel das Musik machen. Zum Teil ist es auch dieser Prozess, den ich thematisiere.
Man merkt auch beim Hören, die Nummer hat Tiefgang. Du schreibst als erstes die Texte, dann kommt das Klangarrangement. Ich stell mir vor, dass du dann ein Demo machst, mit dem es gleich ab ins Studio geht. Geht das so schnell bei dir, oder ist es ein längerer Prozess?
Daniela Gschirtz: Es kommt voll drauf an. Momentan schreibe ich sehr viel und gehe dann mit einer Sammlung von Demos ins Studio. Es sind meistens Snippets von Stimme und Klavier. Mit meinem Produzenten, Matthias Eidenberger, arbeite ich an den Songs weiter. Wir hören in die Ideen hinein und schauen gemeinsam, wo die Reise hingehen soll. Wie will sich der Song manifestieren? Manchmal habe ich beim Schreiben der Texte auch gleich einen Rhythmus und eine Melodievorstellung im Kopf. Dann mache ich meistens Sprachaufnahmen mit Flüsterstimme, um diese vage Klangvorstellung festzuhalten.
Also wir können darauf zählen, dass neue Musik kommen wird. Ist schon ein konkreter Release geplant?
Daniela Gschirtz: Es ist noch kein konkreter Release geplant aktuell, wir arbeiten aber intensiv an neuem Material. Und wir spielen bald zwei Shows, da wird es vielleicht schon den einen oder anderen neuen Song vorab zu hören geben.
Danke für das Gespräch!
Sophia Olesko
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Dara Winter live
23.03. Alte Feuerwehrhalle, Gallneukirchen (Support von Naked Cameo)
29.06. Frauengassenfest in Freistadt
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