Von der Notwendigkeit in Bewegung zu bleiben – BRUNO STROBL im mica-Interview

BRUNO STROBL war und ist in seinen Rollen als Komponist, Veranstalter und Mitglied/Vorsitzender diverser Verbände für Neue Musik stark mit den Eigen- und Besonderheiten der österreichischen Musiklandschaft konfrontiert. Räume sind für ihn austauschbar. Der Antrieb, tätig sein zu wollen, muss aus einem selbst erwachsen. Das Interview führte Lucia Laggner.

Was für eine Rolle hat Raum, der Lebensraum, der Raum für Arbeit, der Raum für Verwirklichung in Ihrem Leben gespielt?

Bruno Strobl: Ich bin ein Mensch, der in unterschiedlichsten Situationen arbeiten kann. Natürlich sollten gewisse Voraussetzungen gegeben sein, etwa möglichst wenig Lärm und das Vorhandensein von Equipment. Wo ich arbeite, ist mir dann allerdings egal: ob am Land oder in der Stadt. Ich habe lange in Kärnten am Land gewohnt und bin auch jetzt immer wieder dort. Diesbezüglich bin ich sehr anpassungsfähig. Allerdings muss man den Raum auch als Großraum sehen, wie ich ihn etwa in Wien vorfinde, aber auch in ganz Europa, wenn ich auf Festivals eingeladen bin. Derartige Räume tun dann auch immer noch weitere Räume auf, weil man viel hört, was man nicht hören würde, wenn man nicht da wäre. Dadurch bekommt das Wechseln der Räume eine große Bedeutung. Durch das Unterrichten war ich früher sowohl räumlich als auch zeitlich an Kärnten gebunden. Das ist heute nicht mehr so und ich genieße diese Flexibilität.

„Mir ist immer viel daran gelegt, reisen zu können“

Sie sind Komponist. Welche Räume, welche Orte hat es gebraucht, um dieses Handwerk erlernen und ausüben zu können?

Bruno Strobl: Auf der einen Seite war ich durch den Beruf an Kärnten gebunden und hatte die Möglichkeit bei Dieter Kaufmann am Konservatorium meine Ausbildung zu machen. Später wurde es mir immer wichtiger, was an anderen Orten passiert, wie ich herumkommen und Neues sehen und hören kann. Es ist mir immer viel daran gelegen, reisen zu können.

Österreich ist im europäischen Vergleich ein recht kleines Land. Bietet es einen attraktiven Raum für künstlerische Tätigkeit? Wird der künstlerische Raum ausreichend gefördert?

Bruno Strobl: Soweit ich das Überblicken kann, sind wir in Österreich im Hinblick auf die Förderungen sehr gut aufgestellt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die nach Wien kommen mit der Struktur hier sehr zufrieden sind. Diese kleine Großstadt, in der man alles findet, was man so braucht. Natürlich hat etwa die Weite von Berlin auch Charme und bietet wieder einen ganz anderen Raum. Aber ich bin sehr zufrieden in Wien. Die Anstöße, tätig sein zu wollen, müssen eigentlich aus einem selbst heraus entstehen. Ich empfinde das als ortsunabhängig. Allerdings ist es wichtig, in Bewegung zu sein, um immer wieder zu sehen, wo man steht und wie man sich entwickelt hat.

Kärnten oder das schöne Land mit den hohen Bergen

Können Sie in dem bisher besprochenen Zusammenhang etwas zur Situation im Raum Kärnten sagen?

Bruno Strobl: Kärnten ist ein ziemlich harter Boden für Neue Musik gewesen und ist es auch heute noch. Auch wenn sich viel bewegt hat. Dieter Kaufmann hat mit den Kärntner Meisterkursen für Neue Musik, die ich später übernommen habe, schon 1976 wichtige Schritte gesetzt. Ich selbst konnte diese Meisterkurse bis 1991 weiterführen. Ursprünglich haben sie in einem kleinen Nest in Bad St. Leonhard stattgefunden, ich empfand das als zu eng. In Klagenfurt, Spital und Villach konnten wir dann immer mehr ins Bewusstsein rücken, wodurch auch das Publikum stetig gewachsen ist. In Spital veranstalte ich seit 1991 ein kleines Festival für Neue Musik mit Komponierenden, die für SchülerInnen und Profis schreiben.
Kärnten ist ein wirklich schönes Land, aber diese hohen Berge scheinen manchmal wie eine Mauer zu sein, die das Eindringen von Neuem verhindert. Ich will keine allzu negative Stimmung vermitteln, weil wirklich viel Positives passiert und gefördert wird. Allerdings gibt es immer wieder Vorfälle, die einen zweifeln lassen. In diesem Jahr wurde etwa der Kompositionslehrstuhl am Konservatorium neu besetzt. Trotz einiger Bewerbungen, die den hohen Anforderungen der Ausschreibung entsprochen hätten, ist die Stelle an eine weit weniger qualifizierte Person vergeben worden. Welche Spielereien in diesem Fall im Gange waren, kann ich natürlich nicht ausmachen, aber es handelt sich jedenfalls um eine verpasste Chance.

Wie steht es um junge, ambitionierte Projekte?

Bruno Strobl: DDer Verein „Innenhof“ in Klagenfurt wird von ein paar sehr motivierten Personen geführt. Das Problem in Kärnten ist, dass man nicht wirklich von einer Szene sprechen kann. Meist sind es Einzelkämpfer, die versuchen, etwas weiterzubringen.

Zeit und Raum

Wie sehen sie den virtuellen Raum? Was für Möglichkeiten bietet er der Kunst? Ist es ein Trugschluss zu glauben, dass dieser Raum grenzenlos sei?

Bruno Strobl: Mir fehlt die Zeit und zum Teil ist sie mir auch zu schade, um die sozialen digitalen Netzwerke wirklich zu verfolgen und zu pflegen. Das meiste ergibt sich nach wie vor über Kontakte, die ich schon habe. Es passiert sehr selten, dass mich jemand über meine Homepage kontaktiert.
Jedenfalls hat der gesamte Onlinemarkt rechtliche Fragen aufgeworfen, die die Musikszene sehr stark betreffen. Es wäre dringend notwendig, hier zu Lösungen zu kommen.

Bruno Strobl ist Komponist, Dirigent, Veranstalter und seit 2008 Präsident der IGNM Österreich.

Lucia Laggner

Foto: Patrick Connor Klopf

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.