Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ – Definition und Umsetzungsmöglichkeiten

Wozu dient die Musik? Warum werden gerade in der Grundschule das Singen, das Musizieren und der Zugang zu einer musischen Bildung von den Expertinnen und Experten als sehr wesentlich erachtet?

Im Lehrplan der Volksschule in Österreich steht nicht nur Musikerziehung als Unterrichtsfach, sondern auch „musische Erziehung“ als Unterrichtsprinzip. Was bedeutet „musische Erziehung“ für den täglichen Unterricht? Wie kann dieses Prinzip umgesetzt werden? Im diesem Artikel möchte ich dieser Frage nachgehen und exemplarisch ein fächerübergreifendes Beispiel anführen, wie die Umsetzung dieses Unterrichtsprinzips konkret aussehen kann.

In der Volksschule geht es im Fach Musikerziehung nicht primär um Wissensvermittlung, sondern um das Erleben von musikalischen Erfahrungen. Musik und das Erleben und Erfahren von musikalischen Begegnungen können dem Leben Sinn verleihen. Viktor Frankl schreibt in seinen Büchern von der Sinnerfüllung und erwähnt drei Wege zur Sinnentfaltung. Ein Weg, zum Sinn im Leben zu gelangen, ist nach Frankls Ansicht, das kreative schöpferische Potenzial im Menschen zu entfalten, ein zweiter Weg zur Sinnfindung ist, die Erlebnisfähigkeit zu wecken. (Frankl, 2005: 145) Durch den Einsatz musischer Elemente im Unterricht können Schülerinnen und Schüler Erfahrungen mit diesen beiden Bereichen sammeln. Durch die Begegnung mit Musik in einem spielerischen, explorativen und improvisatorischen Modus wird das schöpferische Potenzial bei den Schülerinnen und Schülern geweckt und erzeugt Freude und Lust am Tun und somit am Lernen. Das spielerische Element, bei dem die Fantasie geweckt wird, die Kreativität ihren Raum bekommt und die Lust am Rhythmus, an der Bewegung, am Tanz und an der eigenen Stimme entstehen darf, ist das zentrale Element einer musischen Erziehung.

Der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther sagte in einem Interview im November 2015, dass „[…] das Allerwichtigste, das ein Mensch besitzt, und das die Voraussetzung ist, dass er viel lernt und sich später im Leben zurechtfindet, die angeborene Lust am Entdecken und am gemeinsamen Gestalten ist.“ (Nimmervoll, 2015)

Das Fach Musikerziehung und das Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ bieten vielerlei Gelegenheiten, den Schülerinnen und Schülern in der Schule solche Erfahrungen zu ermöglichen. Die Empathiefähigkeit kann durch die Begegnung mit musikalischen Erfahrungen gefördert werden und eine emotionale Empfindsamkeit kann womöglich durch die vegetative Wirkung von Musik erreicht werden. Viele Kulturen haben sich diese Wirkung zu Nutzen gemacht. Der kindliche Organismus reagiert auf musikalische Stimulation, Kinder haben ein vitales Bedürfnis nach grundlegenden Eigenschaften, die die Musik aufweist. (Gruhn, 2003: 114) In vielen wissenschaftlichen Studien wurde mittlerweile nachgewiesen, dass sich Singen und aktives Musizieren günstig auf die soziale und kognitive Entwicklung von Kindern auswirken. „Ein früh beginnendes musikalisches Training verändert nachweislich einige nicht nur für Musikwahrnehmung und Musizieren wichtige Gehirnstrukturen.“ (Stadler Elmer, 2015: 201)

Lehrplan der Volksschule in Österreich

Der Schule und somit den Lehrpersonen sind viele Bildungs- und Erziehungsaufgaben gestellt. Volksschullehrerinnen und -lehrer stehen vor der großen Aufgabe, alle Fächer und alle Unterrichtsprinzipien vermitteln zu müssen. Das ist ein großer Spagat, den sie tagtäglich zu bewältigen haben, eine hohe Verantwortung gegenüber den Kindern und der zukünftigen Gesellschaft.

Im Lehrplan der Volksschule in Österreich (BMBF, 2012) sind in Bezug auf Musik das Fach „Musikerziehung“ mit einer Wochenstunde und das Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ verankert. Dieses Prinzip unter vielen anderen, wie z. B. Gesundheitserziehung, Leseerziehung, interkulturelles Lernen oder Medienerziehung, um nur einige zu nennen, ist keinem speziellen Fach zugeordnet, sondern soll fächerübergreifend, also interdisziplinär unterrichtet werden. Diese Bildungs- und Erziehungsaufgaben sollen als Kombination stofflicher, methodischer und erzieherischer Anforderungen zu verstehen sein. „Die Umsetzung der Unterrichtsprinzipien im Schulalltag erfordert eine wirksame Koordination der Unterrichtsgegenstände unter Ausnützung ihrer Querverbindungen, den Einsatz geeigneter zusätzlicher Unterrichtsmittel und allenfalls die gelegentliche Heranziehung außerschulischer Fachleute. Für diese Umsetzung bieten sich vor allem projektorientierter Unterricht und Formen offenen Unterrichts an.“ (BMBF, 2012: 18)

Musik und ihre Wirkung

Stefanie Stadler Elmer hat sich in ihrem aktuellen Buch „Kind und Musik“ mit vielen Forschungsergebnissen im Bereich Musikpädagogik beschäftigt, die belegen, dass durch aktives Musizieren eine Entwicklung im Gehirn stattfinden kann, die die Gesamtentwicklung eines Kindes beeinflusst und sich auf das gesamte Verhalten eines Kindes auswirkt. (Stadler Elmer, 2015: 200 ff.) Es ist erwiesen, dass es viele Transfereffekte gibt, die durch die aktive Beschäftigung mit Musik vermittelt werden:

  • Musik verbindet: Zum Beispiel kann gemeinsames Musizieren die Klassengemeinschaft stärken.
  • Musik inspiriert: Aktives Singen und Musizieren steigern die Kreativität und die Ausdrucksfähigkeit.
  • Musik aktiviert: Singen, Bewegen und Musizieren fördern die Konzentration und Aufmerksamkeit und steigern die Lern- und Leistungsmotivation.
  • Musik stärkt die Persönlichkeitsentwicklung.
  • Musik ermöglicht eine Steigerung der Personalkompetenz, indem Schülerinnen und Schüler z. B. ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten entdecken.
  • Musik fördert die emotionale Sensibilität, wodurch Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu ihrer Gefühlwelt bekommen.
  • Die Erfahrung mit aktivem Musizieren kann die Ausprägung einer differenzierten Gefühlswelt unterstützen.
  • Musik kann vor Schwäche und vor Verletzungen des Alltags schützen.
  • Musik kann im Leben Sinn und in späteren Lebenskrisen Halt geben.
  • Das Erlernen eines Instruments fördert nachweislich die Intelligenz.

(Stadelmann, 2005: 7)

Primär geht es bei einem kompetenzorientierten Musikunterricht allerdings um die Freude der Kinder an der Musik, am Spiel, an der Kreativität und am Erleben der Musik. Dazu bedarf es allerdings der Fach- und Vermittlungskompetenz der Lehrpersonen. Erst die Leidenschaft zur Musik und die nötige Fachkompetenz bilden die Paarung, um einen qualitativ wertvollen Musikunterricht gestalten zu können, der die Vermittlung von Kompetenzen garantiert.

Im Folgenden möchte ich nun vor allem auf das Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ eingehen, das im Lehrplan der Volksschule festgehalten ist.

Musikerziehung versus musische Erziehung

Derzeit werden Primarstufenlehrerinnen und -lehrer in Österreich zu Generalistinnen und Generalisten ausgebildet. Sie sind verpflichtet, den gesamten Fächerkanon in der Volksschule zu unterrichten. In Bezug auf die Musikerziehung sollten also alle Volksschullehrerinnen und -lehrer in der Lage sein, das Fach mitsamt den beschriebenen Kompetenzen vermitteln zu können.

Der Name „musische Erziehung“ stammt ursprünglich aus der griechischen Antike, er umfasste bis zum Ende des 5. Jahrhunderts Sprache, Dichtung, Musik und Tanz als Einheit. Platon und Aristoteles widmeten sich der musischen Erziehung und ihr wird eine erzieherische und charakterstärkende Wirkung zugesprochen.

Das Konzept der Musischen Erziehung fasst die verschiedenen pädagogisch-philosophischen Ansätze […], die zurück zu einem ganzheitlichen Lernen von den musischen Disziplinen aus strebten, zusammen. Die Musische Erziehung fußte auf einer langen Tradition holistischen Lernens, die sich von der griechischen Antike über die Klosterschule, Ideen J.W. Goethes und W. v. Humboldts sowie reformpädagogische Konzepte erstreckte. Die musischen Prinzipien verdichteten sich in bildender Kunst, Dichtung, Musik, Sport und Theaterspiel, Ziel der Musischen Erziehung war jedoch, den gesamten Wissenserwerb wieder auf sinnlicher Erfahrung und lebendiger Erkenntnis aufbauen zu lassen. […] Musisch bedeutet nicht künstlerisch oder musikalisch, sondern meint die Einheit von Sinnlichem und Abstraktem.“ (Kunstpädagogik-Wiki, 2012)

Umsetzen des Unterrichtsprinzips „musische Erziehung“

Wie oben beschrieben ist im Lehrplan der Volksschule das Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ verankert, wobei vorgesehen ist, dieses Unterrichtsprinzip interdisziplinär zu gestalten. Das bedeutet einerseits, dass die musische Erziehung in den alltäglichen Unterricht einfließen soll, und andererseits, dass eine Vernetzung mit anderen Gegenständen hergestellt werden soll. Die Umsetzung dieses Unterrichtsprinzips könnte z. B. bedeuten, dass der Morgen eines Schultags mit Singen beginnt, Lernwörter mit Rhythmus und Sprachmelodie gestalten werden, Texte mit Bewegung und Gestik dargestellt werden, in der Mathematik Formen mit Bewegungen erlebt werden oder im Sachunterricht mit Tierlauten experimentiert wird. Vielfältige fächerübergreifende Kontexte sollen aufgegriffen und mit Musikerziehung ganzheitlich vernetzt umgesetzt werden. Sinnliches und Abstraktes sollen zu einer Einheit verschmelzen, indem das Abstrakte mit allen Sinnen erlebbar und erfahrbar gemacht wird.

Unterrichtskonzept für ein fächerübergreifendes Gestaltungsprojekt

Hier möchte ich exemplarisch konkrete Ideen für ein Unterrichtskonzept bzw. eine Projektidee vorstellen, wie das Unterrichtsprinzip „musische Erziehung“ umgesetzt werden kann. Der tägliche Unterricht sollte unter Berücksichtigung des interdisziplinären und des ganzheitlichen Aspekts geplant und gestaltet werden.
Fächerübergreifende Zusammenhänge bieten sich immer an, wenn die Lehrperson die nötige Offenheit mitbringt und über den Tellerrand des Fachs hinausdenkt. Somit wird ein spezifisches Fach durch andere Fächer bereichert, was zu einer gegenseitigen Befruchtung führt. Ein lebendiger, aktiver, dynamischer und lustvoller Unterricht kann das Ergebnis solchen Gestaltens sein.

Unterrichtskonzept
Thema: Herbst
Fächerübergreifendes Gestaltungsprojekt

Fächer: „Bewegung und Sport“, „Sachunterricht“, „Deutsch“, „Bildnerische Erziehung“, „Musikerziehung“

  1. Bewegungsimprovisation gestalten
  2. Kennenlernen von Laubbäumen
  3. Schreiben von Gedichten
  4. Malen zu Musik
  5. Singen eines Herbstliedes
  6. Gestalten eines Festes

 

Stundenverlauf

1. Bewegungsimprovisation gestalten

  • In der Mitte des Raums liegen bunte Herbstblätter.
  • Musik im Dreivierteltakt erklingt: John Powell „Kisses and Cake“.
  • Die Kinder dürfen sich frei im Raum zur Musik bewegen.

 

Aufgaben:

  • Bewege dich frei zur Musik und achte auf den Rhythmus.
  • Finde ein Bewegungsmuster, das zur Musik passt.
  • Experimentiere mit verschiedenen Schritten und finde für dich das passende Bewegungsmuster.
  • Festige und übe dein individuelles Muster.
  • Schließe dich mit einem anderen Kind zusammen und zeigt einander das gefundene Bewegungsmuster.
  • Macht aus diesen beiden Mustern ein gemeinsames Bewegungsmuster.

 

2. Kennenlernen von Laubbäumen
Im nächsten Schritt kommen die Blätter ins Spiel. Alle stehen in einem Kreis, die Blätter liegen in der Mitte am Boden. Die Lehrperson regt die Kinder an, auf ein Signal hin ein paar Blätter in die Luft zu werfen. Gemeinsam wird dieses Spiel wiederholt. Im Anschluss versuchen die Kinder zu beschreiben, wie sich die Blätter bewegen.

Aufgaben:

  • Beschreibe, wie sich die Blätter in der Luft bewegen.
  • Versuche, dich so zu bewegen, wie die Blätter das in der Luft machen.
  • Wer mag seine gefundene Bewegung vormachen? (Alle machen die jeweils gefundenen Muster nach [sie drehen sich um die eigene Achse, ihre Hände schweben von oben nach unten, ihr Körper wiegt hin und her etc.]).
  • Bildet in Zweiergruppen und baut die eine oder andere gefundene Bewegung der Blätter in euer Bewegungsmuster ein, ihr dürft auch die Blätter dazu verwenden.
  • Tanzt nun einer anderen Zweiergruppe eure gefundene Choreografie vor.
  • Findet nun zu viert eine neue gemeinsame Choreografie, in der Elemente aus beiden Gruppen enthalten sind.
  • Übt und festigt nun eure gemeinsam gefundene Choreografie.
  • Präsentiert eure Ergebnisse vor der ganzen Klasse. (Kleine Bühne wird in der Vorstellung hergestellt!)

Ein Teil der Klasse (z. B. Raummitte) wird zur Bühne, die mit Tüchern oder Seilen abgegrenzt ist. Die Lehrperson erzeugt die Atmosphäre eines Auftritts und jede Gruppe darf nun ihr Ergebnis präsentieren.

Erweiterung: Sachunterricht-Input zu den Eigenschaften von Laubbäumen

Blätter von z. B. vier verschiedenen Laubbäumen liegen am Boden und Flashcards (mit Bild des Blattes und mit Namen und Bild des Baums) von diesen vier Bäumen werden von der Lehrperson vorgestellt (z. B. Ahorn, Buche, Kastanie, Birke).

Nun werden gemeinsam die Blätter am Boden benannt, zugeordnet und sortiert.
Gruppenaufgaben:

  • Welche Blätter liegen hier im Raum?
  • Ordnet die Blätter den entsprechenden Bäumen zu.

3. Schreiben von Gedichten

Die Lehrperson geht auf die Jahreszeit ein und lässt die Kinder beschreiben, was sie in dieser Jahreszeit genau beobachten. Was ist so spezifisch an dieser Jahreszeit?

Im Anschluss folgt eine Gruppenarbeit.

Gruppenaufgaben:

  • Findet in eurer Gruppe fünf spezielle Begriffe, die den Herbst beschreiben und die typisch für diese Jahreszeit sind. (Flashcards)
  • Stellt diese Begriffe vor und erklärt, warum ihr diese gewählt habt.

Klassenaufgabe:

  • Wir finden nun Gemeinsamkeiten und legen uns auf die fünf meist gewählten Begriffe fest, z. B. Blätter, Wind, Regen, Sturm, Sonne.

Gruppenaufgabe ist nun, mit diesen fünf Begriffen eine Geschichte oder ein Gedicht zu schreiben (ca. 10 Minuten).

Variante/Differenzierungsmöglichkeit: zu den fünf Begriffen je einen Satz bilden.

Wenn alle Gruppen fertig sind, wird gemeinsam überlegt, wie diese fünf Begriffe klanglich gestaltet werden könnten. Es folgt eine Experimentierphase.

Ideen:
Blätter: Die Kinder dürfen die Blätter in der Mitte des Raums in die Luft werfen.
Wind: Alle machen mit der Stimme „fffff“ oder „chch“.
Regen: Alle patschen auf die Oberschenkel.
Sturm: Trommelwirbel mit Handtrommeln oder Pauken, Trommeln auf den Tisch
Sonne: Triangel erklingt, Fingerzimbeln

Mit der ganzen Klasse wird nun das Erzeugen von Klangkulissen geübt. Klare Zeichenvereinbarungen sind wichtig!

Aufgaben:

  • Macht euch in der Gruppe aus, wer was vorliest, und übt dieses Vortragen zuerst in der Gruppe.
  • Präsentiert nun euer Gedicht oder eure Geschichte vor der Klasse. Alle anderen dürfen bei den Signalwörtern die Klanggestaltung übernehmen. (Alle Kinder sind beschäftigt!)

Es entsteht eine gemeinsame Klanggeschichte.

Ziel: Erleben von Klanggeschichten, die von den Schülerinnen und Schüler selbst geschrieben und gestaltet werden.

4. Malen zu Musik

Die Kinder gehen in Zweiergruppen und setzen sich hintereinander auf den. Das vordere Kind darf am Boden sitzen und hat ein Blatt Papier vor sich. Das hintere Kind darf am Rücken des vorderen mit einer Hand zeichnen. „Der Herbst“ von Antonio Vivaldi erklingt.

Das vordere Kind versucht nun, auf das Blatt zu malen, was es am Rücken spürt. Beim zweiten Anhören wird gewechselt. Im Anschluss stellt die Lehrperson die Musik vor. Beim dritten Anhören des Stücks dürfen Kinder ein Bild zum Thema Herbst malen.

5. Singen eines Herbstliedes

Die Lehrperson singt mit den Schülerinnen und Schülern ein Herbstlied.
Lied: „Warum kleiden die Bäume sich wohl aus, wenn es Herbst ist“.
Stimmbildung zum Lied wie in der Beschreibung.

6. Gestalten eines Festes

  • Das Lied wird gesungen.
  • Die Zeichnungen hängen an der Wand.
  • Die Gedichte werden mit Klangmalerei vorgetragen.
  • Der Tanz bzw. die Bewegungsimprovisation wird aufgeführt.

Alle angeführten Bereiche und Themen werden durch die Planung und Durchführung eines Festes zusammengeführt. Die Schülerinnen und Schüler dürfen ihre eigenen Ergebnisse vor Publikum präsentieren, wodurch ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwert gestärkt werden. Dadurch werden vielfältige ganzheitliche Erfahrungen ermöglicht. Abstraktes – ob Vivaldis Musik oder der Herbst als Jahreszeitenphänomen – wird sinnlich erlebt.

Abschluss: Möglichkeit einer Reflexion

Durch die Konfrontation mit ein paar Fragen im Anschluss an das Projekt soll die Reflexionsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler angeregt werden:

  • Wie war dieses Projekt für dich?
  • Was hat dir besonders gefallen?
  • Was hast du dabei gelernt?
  • Wie hast du das Fest erlebt?

Fazit und Schlussfolgerung

In diesem Unterrichtskonzept wird sichtbar, wie das interdisziplinäre Gestaltungsprinzip umgesetzt werden kann und es gelingt, die einzelnen Elemente miteinander in Verbindung zu bringen bzw. verschmelzen zu lassen.

In der derzeitigen Entwicklung des Bildungssystems werden künstlerisch-kreative Fächer aufgrund ihrer schlechten Messbarkeit zugunsten von Fächern, in denen regelmäßig die Überprüfung von Bildungsstandards vorgesehen ist, zurückgedrängt. Ich habe in diesem Artikel beleuchtet, wie es durch den Einsatz des Unterrichtsprinzips „musische Erziehung“ gelingen kann, abstrakte Inhalte nicht nur zu vermitteln, sondern darüber hinaus noch sinnlich aufzubereiten. Die Ermöglichung von solch ganzheitlichen Lernerfahrungen macht die Schule zu einem Ort, am dem das Lernen lebendig und lustvoll erlebt werden kann. Die Lust am gemeinsamen Lernen kann durch das Umsetzen des Unterrichtsprinzips „musische Erziehung“ entfacht und gelebt werden.

Aufgrund der beschriebenen Erkenntnisse plädiere ich in der neuen Primarstufenausbildung für zukünftige Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt im Herbst an allen pädagogischen Hochschulen in Österreich gestartet ist und in Bezug auf Musikerziehung und musische Erziehung suboptimal ist, für eine intensivere musikalische Ausbildung, nicht nur um einen kompetenzorientierten Musikunterricht im Fach Musikerziehung in der Volksschule zu garantieren, sondern vielmehr, um genau dieses Unterrichtsprinzip in allen Gegenständen durchführen zu können.

Claudia Wintersteller

Literatur:

Bastian, H. G. (2000): Musik(erziehung) und ihre Wirkung: eine Langzeitstudie an Berliner Grundschulen. Mainz. Schott Verlag.

Bundesministerium für Bildung und Frauen (2012): Lehrplan der Volksschule.PDF, abgerufen am 30. 11. 2015.

Frankl, V. (2005): Ärztliche Seelsorge: Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse. Wien. Deuticke Verlag.

Gruhn, W. (2003): Kinder brauchen Musik. Weinheim, Basel, Bern. Beltz Verlag.

Kunstpädagogik-Wiki (2012): Musische Erziehung, abgerufen am 13. 11. 2015.

Nimmervoll, L. (2015): Hirnforscher Hüther: „Viel wichtiger als Wissen ist Erfahrung“, abgerufen am 20. 11. 2015.

Spitzer, M. (2005): Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart. Verlag Schattauer.

Stadelmann, W. (2005). Musik im Gehirn. In Press: Schriftreiche FHA Pädagogik Aargau

Stadelmann, W. (2014). Musik und Instrumentalspiel aus Sicht der Lernforschung: Ein Beitrag zur Begabung- und Intelligenzentwicklung unserer Kinder? Referat Götzis, PDF, abgerufen am 20. 03. 2015.

Stadler Elmer, S. (2015). Kind und Musik. Entwicklungspotenzial erkennen und verstehen. Heidelberg, Springer Verlag.

Zur Autorin: Prof. Claudia Wintersteller, B.Ed., lehrt an der Pädagogischen Hochschule Salzburg. 

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.