MATTHIAS PIRNGRUBER, BERTRAM KOLAR und FLORIAN RITT stehen hinter der Musikagentur TÖCHTERSÖHNE. Ihre Agentur steht für exzellente Musik. Nicht die Masse an Musikgruppen, sondern eine erlesene, hochqualitative Auswahl an Bands und Künstlerinnen und Künstlern – wie FOLKSHILFE, KRAUTSCHÄDL, GOSPEL DATING SERVICE und LISTEN TO LEENA – findet sich in ihrem Portfolio wieder. Im Gespräch mit Mitzi Loibichler stellte sich die vielversprechende, aufstrebende und junge Musikagentur vor.
Wie kam es zur Gründung von töchtersöhne?
Bertram Kolar: Eigentlich kennen wir, Matthias und ich, uns schon sehr, sehr lange. Wir waren gemeinsam in der Schule, aber hatten nie wirklich viel miteinander zu tun. Erst beim Ahoi Pop Festival in Linz, wo wir beide als Artist-Betreuer gearbeitet haben, sind wir einander wieder begegnet. Dort haben wir festgestellt, dass wir beide im Musikbereich tätig sind und beide eine eigene Musikagentur gründen wollen.
Matthias, Sie sind ja eigentlich studierter Philosoph, Bertram, Sie haben Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Wie kommt man dann auf die Idee, eine Musikagentur zu gründen?
Bertram Kolar: Ich wollte schon immer in Richtung Kulturmanagement gehen. Ich interessiere mich sowohl für die bildende Kunst als auch für Film und Musik. Mit meiner eigenen Band Parasol Caravan war ich sehr viel unterwegs und konnte im Laufe der Jahre viel lernen. Durch ein Praktikum bei einer Agentur habe ich gemerkt, wie gern ich im Musikbereich tätig bin. Jetzt möchten wir mit unserer eigenen Agentur wachsen.
Matthias Pirngruber: Ich bin eigentlich „a frisch Gfongta“ [lacht]. Ich begann mit dem ESC-Vorentscheid von folkshilfe. Damals brauchte die Band jemanden, der für sie die Anrufe von Veranstalterinnen und Veranstaltern, die am Tag nach der TV-Show angerufen haben, entgegennimmt. Anfangs habe ich wirklich fast nur telefoniert, jedoch habe ich dann sehr rasch das Booking von ihnen übernommen und seit 2017 mache ich auch das Management.
„Wir brauchen auch keine 40 Bands auf unserer Website, damit man sieht, wie cool wir sind.“
Sie arbeiten zurzeit vereinzelt mit Bands zusammen, die vorher schon bei einem Major Label und dem zugehörigen Management waren. Was zeichnet Sie speziell als Agentur aus und welche Kernaufgaben beschäftigen Sie?
Matthias Pirngruber: Unsere Kernaufgaben sind sicherlich Management, Booking, Verlag, Label und Tourmanagement. Das Besondere daran ist jedoch, dass wir ganz bewusst einen sehr kleinen Roster an Künstlerinnen und Künstlern wollen. Das heißt, wir arbeiten eigentlich nur mit Bands zusammen, zu denen wir ein Vertrauensverhältnis haben. Wir schreiben keine Bands in unseren Roster, nur weil wir sie einmal in Wien veranstaltet haben. Wir brauchen auch keine 40 Bands auf unserer Website, damit man sieht, wie cool wir sind.
Wir wollen mit den Bands eine intensive Zusammenarbeit erleben und mit ihnen etwas schaffen. Vor allem muss eine gute persönliche Beziehung entstehen können.
Bertram Kolar: Uns ist es einfach wichtig, dass die Band Qualität hat, für sich steht und künstlerisch wertvoll ist. Aus diesem Grund funktioniert es ja auch, dass auf der einen Seite der Blonde Engel als Musikkabarettist steht und auf der anderen Seite Krautschädl oder folkshilfe. Das Wichtigste ist eine sehr gute Vertrauensbasis zu den Musikerinnen und Musikern. Als Booker bist du immer sehr nahe an der Band – es findet ein ständiger Austausch statt, der auf der gleichen Ebene oder auf derselben Wellenlänge passieren muss. Vor allem aber auf Augenhöhe. Das ist uns auch als Unternehmen wichtig, wir sind alle gleichberechtigt. Wächst es mal langsamer, geht man anschließend gemeinsam zwei Schritte mehr.
Am 13. April 2018 wird die neue Single „ButtaButta“ von Krautschädl veröffentlicht. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Band?
Bertram Kolar: Ursprünglich war ich bei ihnen als Tourmanager dabei. Daraufhin wurde die Band auf uns als Agentur aufmerksam und hat gesehen, wie wir arbeiten. So ist die Zusammenarbeit entstanden. Die neue Single „ButtaButta“ ist wie Butter: fett [lacht]. Sicher kein „typischer“ Krautschädl-Song. Auch wenn ein paar Leute vor den Kopf gestoßen werden, ist es von der Essenz her eine richtige, echte Krautschädl-Nummer. Inhaltlich ist es ein wahnsinnig starker Song – die Thematisierung der Flüchtlingskrise steht im Mittelpunkt. Beim Video können sich dann alle selbst überzeugen, wie fett die Band ist.
„Umso weiter man von ‚Dahoam‘, also Österreich, wegkommt und umso weniger die Leute Dialekt verstehen, umso besser funktioniert die Musik.“
Auch mit folkshilfe feiern Sie wahnsinnige Erfolge. Zurzeit ist die Band für den Amadeus Austrian Music Award nominiert. Die Musik funktioniert in Deutschland genauso gut oder fast noch besser als in Österreich. Wie erklären Sie sich das?
Matthias Pirngruber: Man sieht bei folkshilfe sehr gut, was man erreichen kann, wenn man sich in kein Genre pressen lässt – und eben zum Beispiel Popmusik mit einer Quetschn macht. Teilweise merkt man leider aber auch, dass Österreich noch nicht ganz dafür bereit ist, da man oft eine Ziehharmonika mit Volksmusik assoziiert. Die Jungs beweisen aber mit Synthesizer und Quetschn das Gegenteil. Wir merken, dass die Musik langsam auch im Radio ankommt. „Mir laungts“ ist seit 22 Wochen in den Austrocharts – der Song war über zehn Wochen Nummer eins. Man braucht sich mit dieser Art von Musik nicht mehr zu verstecken – wir sind österreichweit mit folkshilfe angekommen.
Bertram Kolar: Dieses Thema ist generell sehr interessant. Umso weiter man von „Dahoam“, also Österreich, wegkommt und umso weniger die Leute Dialekt verstehen, umso besser funktioniert die Musik. Ich sehe es ganz pragmatisch: Die meisten Leute in Österreich oder Deutschland hören englischsprachige Musik, von der sie höchstwahrscheinlich nur die Hälfte verstehen. Das macht ihnen jedoch nichts, da es viel mehr um die Essenz eines Songs geht und darüber, welche Stimmung in einem Lied vermittelt wird. Grundsätzlich sollte es ja auch so sein.
Matthias Pirngruber: Es ist einfach sehr schade, dass es noch immer Berührungsängste gegenüber dem Dialekt gibt. Oberflächlich betrachtet ist die Sprache doch nur ein einziges Merkmal der Band. Das wäre so, als würde man sagen: „Ich spiele keine Musik, wo eine Hi-Hat gespielt wird.“ Dialekt ist nur eine Art, wie der Text gesungen wird. Ich habe noch nie jemanden sagen hören, dass er keinen Italo-Pop spielt, nur weil auf Italienisch gesungen wird. Die Lyrics versteht ja auch niemand, aber die Musik funktioniert. Es ist spannend, wie oberflächlich die sich oft intellektuell gebende Musiklandschaft eigentlich ist. Wie stark noch immer kategorisiert wird. Es gibt leider noch immer Vorbehalte gegenüber Musik im Dialekt. Alle, die schon mal bei einem folkshilfe- oder Krautschädl-Konzert waren, merken, welche Kraft in dieser Musik steckt.
Mit der „Tour der Regionen“ von folkshilfe haben Sie sich bewusst dafür entschieden, im ländlichen Bereich Konzerte zu organisieren. Warum?
Matthias Pirngruber: Jede Band spielt die klassischen Club-Touren nach einem Album-Release. Wir hatten aber nach dem Album-Release sehr viele Anfragen von regionalen Veranstalterinnen und Veranstaltern. Daraufhin dachten wir uns, dass es Sinn macht, in diese Regionen zu fahren und dort Konzerte zu machen. Wir haben ein Konzept rund um diese Anfragen gestaltet und mit Veranstalterinnen und Veranstaltern zusammengearbeitet, von denen wir wussten, dass es eine super Zusammenarbeit wird. In diesem Moment haben wir auf die Großstädte „gschissn“ und sind dort hingefahren, wo regionale Kulturvereine die Arbeit machen. Diese reißen sich einfach einen Haxn aus, dass sie Kultur in der Region haben. Diese Vereine haben eine riesige Liebe zur Kultur und Region und freuen sich, wenn eine Band wie folkshilfe bei ihnen im Ort spielt. Es gewinnt jede Seite, die Leute freuen sich, wenn’s ein Konzert gibt, und die Veranstalterinnen und Veranstalter sind extrem bemüht – auch als Band spürt man das. Es hat für alle Parteien etwas Positives, und das ist das Schöne daran. Und weil das Livegeschäft so wichtig ist, muss man in Regionen fahren, wo es wertgeschätzt wird. Wenn man am Land aufgewachsen ist, weiß man, wie ländliche Strukturen und Vereine funktionieren und wie wichtig Kultur dort ist.
Welche Ziele oder welche Vision verfolgt töchtersöhne in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Bertram Kolar: Uns ist es wichtig, authentisch zu sein. Wir wollen Musik unterstützen, die die Bands auch wirklich selbst machen wollen. Das spürt man auf der Bühne und das spürt vor allem auch das Publikum. Bestimmte Bands aus unserer Agentur haben genau deswegen so einen großen Zuspruch vom Publikum.
Matthias Pirngruber: Unsere Vision ist es, mit den Künstlerinnen und Künstlern lange zusammenzuarbeiten und zugleich die Verträge so zu gestalten, dass jede und jeder jederzeit gehen kann. Unser Ziel ist, im Kleinen eine der größten Agenturen in Österreich zu werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Mitzi Loibichler