„Unser Sound ist einfach über die letzten Jahre gewachsen […]“ – NOYOCO im mica-Interview

Es klingt fast ein wenig erfunden, aber das Salzburger Duo NOYOCO hat sich wirklich im Jahr 2017 in einem New Yorker Club zusammengefunden. Seitdem machen ROBERT SCHOOSLEITNER (Schlagzeug und Electronics) und THERESA FELLNER (Sängerin und Keyboards) nicht nur durch gelungene YOUTUBE-Videos auf sich aufmerksam, sondern vor allem auch durch ihre ambitionierten Versuche, Singer-Songwritertum mit moderner Elektronik zusammenzubringen. Mit „Nothing To Lose“ (Spinnup) erscheint nun Anfang November 2019 ihr Debüt. Didi Neidhart sprach mit NOYOCO.

Der wohl bisher am meisten zitierte Satz eurer Presseaussendung lautet: „Zum Ursprung der 80er und wieder zurück in die Zukunft. Indie Pop mit einer Portion Zukunft.“ Was fasziniert euch so an den 80ern, dass ihr ausgerechnet in dieses Jahrzehnt zurückgeht, um „in die Zukunft“ zu kommen?

Robert Schoosleitner: Wir sind zwar beide Kinder der 80er, aber in Wahrheit waren wir zu jung, um die Musik der Zeit aktiv mitzuerleben. Synthesizer-Sounds zu verwenden war ein logischer Schritt für uns, weil wir als Duo nicht die Möglichkeit haben, eine ganze Band zu ersetzen. Der Fokus lag ganz klar darauf, das Maximum aus unseren Hauptinstrumenten – Theresa Fellner am Klavier, ich mit dem Schlagzeug – herauszuholen. Es ist also eher der Sound der Synthesizer, der an die 80er in unserer Musik erinnert, und weniger ein Klangbild, das wir explizit zu kopieren versucht haben. Deshalb auch das Wort „Zukunft“, weil unsere Songs im Kern Indie- und Singer-Songwriter-Songs sind.

Seht ihr euch da als Teil eines 80er-Jahre-Hypes, der sich ja u. a. auch in Phänomenen wie „Stranger Things“ manifestiert? Oder ist das eher ein Zufall? Musikalisch klingt ihr ja auch etwas anders als z. B. der Stranger-Things-Soundtrack. Weniger synthetisch und elektronisch.

Robert Schoosleitner: Es ist eher Zufall, dass unsere Musik an die 1980er erinnert und mit dem Stranger-Things-Hype zusammenfällt. Als wir vor drei Jahren begonnen haben, hatten wir das nicht so geplant. Unser Sound ist einfach über die letzten Jahre gewachsen, genauso wie unser Auftritt und die ganze Bildsprache. Aber wir stimmen zu, dass wir nicht so synthetisch und elektronisch klingen. Es ist aber auf jeden Fall ein positiver Nebeneffekt, ein Zug, auf den wir gerne aufspringen.

Mit eurer Musik geht es euch ja auch darum, „die Grenzen gängiger Genres wie Mainstream oder Indie“ zu sprengen. Aber gibt es diese Unterschiede zwischen Mainstream und Indie überhaupt noch? 

Theresa Fellner: Für mich gibt es diese Unterschiede schon noch sehr. Vor allem in der österreichischen Musiklandschaft sind Mainstream und Indie separiert durch die zwei dominierenden Hauptmusiksender Ö3 und FM4. Sie sind vom Sound her doch recht weit auseinander, wobei sich schon was tut und Ö3 beispielsweise offener wird, siehe Bilderbuch und Wanda. Aber da ist noch viel Luft nach oben. Vor allem in die Rotation reinzukommen ist sehr schwer, wenn der Sound etwas vom klassischen Mainstream abweicht. Das wurde uns schon des Öfteren gesagt, auch von lokalen Sendern, und das finde ich sehr schade. Gerade weil wir versucht haben, eine Brücke mit unserem Sound zu bauen. Wenn man nach Deutschland schaut, verwischen die Grenzen viel mehr, weil mehr tonangebende Sender existieren, die vom Sound her viel offener sind als hier in Österreich.

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Wie derzeit viele Bands habt ihr auch zuerst Singles („Nothing to Lose“, „Hey Rover“ und aktuell „Over Night“) digital und als YouTube-Videos quasi in Eigenregie veröffentlicht. Wann kam es dann zum Entschluss, es doch mit einem Album zu versuchen? Bei Downloads und Streamings stehen aktuell ja doch eher einzelne Tracks im Vordergrund.

Theresa Fellner: Wir sind beide neu in der „Indie-Branche“, weil wir eigentlich vom Jazz kommen. Da war es für uns völlig klar, ein ganzes Album zu produzieren, und das haben wir dann auch gemacht. Die Entscheidung, drei Songs vom fertigen Album als Singles vorab zu releasen, kam erst viel später und war ein wichtiger Input. Die Singles haben uns geholfen, uns als Noyoco zu etablieren und eine kleine Fangemeinde aufzubauen. Es hätte strategisch keinen Sinn für uns gemacht, als völlig neue Band gleich das ganze Album zu veröffentlichen.

„Vom Jazz kommend haben wir sprichwörtlich nichts zu verlieren, weil uns in dem Genre bis vor einem Jahr noch keiner gekannt hat.“

Eure CD heißt „Nothing To Lose“. Wie kam es zu diesem Titel, zumal es sich dabei ja um ein Debüt handelt?

Theresa Fellner: Der Song „Nothing to Lose” ist für uns beide einer der stärksten und eingängigsten vom ganzen Album, und das war sicher ein wichtiger Punkt für uns, das Album so zu nennen. Aber auch sein Entstehen war für uns sehr besonders. Der Song ist während einer sehr kreativen Songwriting-Phase entstanden, in der wir an vielen Songs gleichzeitig gearbeitet haben und ich oft nicht einschlafen konnte, weil so viele Melodien in meinem Kopf herumgegeistert sind. „Nothing to Lose“ hat mich sprichwörtlich mitten in der Nacht aufgeweckt – zum Glück, denn ich habe den fertigen Song, so wie er jetzt ist, im Traum gehört. Es wurde dann eine Pyjama-Aufnahmesession um 3 Uhr in der Früh. Vom Jazz kommend haben wir sprichwörtlich nichts zu verlieren, weil uns in dem Genre bis vor einem Jahr noch keiner gekannt hat. Das war für uns ein sehr befreiendes Gefühl beim Musikmachen.

Vom Sound her versucht ihr ja „eine Brücke zwischen analogen und akustischen Instrumenten zu bauen“, ohne dabei die ursprüngliche Songidee zu sehr zu verändern. Ist das immer so leicht wie hier zitiert?

Theresa Fellner: Es war im Gegenteil ein sehr schwieriger Balanceakt für uns, die filigranen Singer-Songwriter-Lines in einigen unserer Songs nicht in Synthesizern zu ersticken und gleichzeitig den Song fetter klingen zu lassen, als er in seiner ursprünglichen Zartheit am Klavier eigentlich war. Wir haben Tage und Wochen damit verbracht, einen Weg zu finden, der für uns funktioniert. War ein Song fertig, dachten wir: „Endlich, jetzt haben wir eine Formel für uns gefunden“, nur um diese dann beim nächsten Song wieder umzuwerfen und von Neuem zu beginnen. Das war schon eine harte Schule für uns, rein dem Song „zu dienen“, das beste Ergebnis für das Lied anzustreben und nicht den schnellsten Weg zu gehen. Wir haben nicht nur einmal komplett von Neuem begonnen und einen Song verworfen. Deshalb haben wir auch fast eineinhalb Jahre für das Album gebraucht. Wir haben uns rein auf unsere Ohren verlassen.

Sind für euch Songs wichtiger oder Sounds? Beziehungsweise was sind die jeweiligen Ausgangspunkte, sind es Klänge oder Song-Skizzen? 

Theresa Fellner: Beides. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich andere Songs schreibe, wenn die Ausgangsbasis eine andere ist. Die Songs, die rein harmonisch am Klavier entstehen, sind eher Balladen. Schnellere Songs kann ich so nicht komponieren, da brauche ich motivische oder rhythmische Inputs. Ich glaube, da ergänzen Robert und ich einander sehr gut, weil er aufgrund seines Instruments einen komplett anderen Zugang hat als ich. Die „Hey Rover“-Line beispielsweise ist mir beim Spazieren mit meinem Opa eingefallen.

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Robert Schoosleitner: Für mich ist zuerst der Song wichtiger, dann die Sounds. Oft entscheidet dann allerdings der Klang darüber, welches Tempo der Song haben soll oder wie dicht die Rhythmen sein dürfen. Meist kommen Song-Skizzen von Theresa, dann ist es ein „Hineinfühlen“, welche Sounds passen könnten. Darauf wird dann aufgebaut. Ich selbst gehe eher den umgekehrten Weg: vom Rhythmus über den Klang zum Song. Wie Theresa schon sagte, da ergänzen wir einander sehr gut!

In Wahrheit wollten wir mit Noyoco ein Album erschaffen, dass wir privat auch gerne hören. Und genau das ist es geworden: Indie mit einer Portion Tiefgang.

Ihr habt euch ja 2017 bei einem Konzert in New York getroffen. Wie kam es zu diesem Treffen und wie ist dann daraus Noyoco entstanden?

Theresa Fellner: Wir kannten uns schon vorher aus der Jazz-Szene in Salzburg und haben auch schon zusammen Musik gemacht. Die Reise nach New York ist eher zufällig in die Anfangszeit von Noyoco gefallen, als die ersten Songs von mir am Klavier entstanden sind. Es war klar, dass wir das im Duo machen wollten, aber es war noch nicht klar, wie wir eigentlich klingen wollten. Es hätte für uns beides funktioniert, Jazz und Indie. Das Konzert in Brooklyn von Bon Iver vor drei Jahren war dann sehr richtungsweisend für uns. Singer-Songwriter-Songs in dieser fast schon progressiven Klangstruktur zu hören, war völlig neu für uns und hat uns enorm fasziniert. In Wahrheit wollten wir mit Noyoco ein Album erschaffen, dass wir privat auch gerne hören würden. Und genau das ist es geworden: Indie mit einer Portion Tiefgang.

Was habt ihr eigentlich vorher musikalisch gemacht?

Bild Noyoco
Noyoco (c) Gunther Blauensteiner

Robert Schoosleitner: Ich war nach der Matura – mit Unterbrechung, weil mir das Geld gefehlt hat – für zweieinhalb Jahre in New York am Drummers Collective zum Studieren. In der Zwischenzeit stieg ich bei Been Obscene [Alternative Rock; Anm.] ein, wo wir gemeinsam zwei Alben und eine Live-Platte veröffentlich haben, bevor sich unsere Wege trennten. Danach habe ich mich wieder mehr dem Jazz gewidmet [u. a. RASP, Mashed Peas; Anm.]. Dann bin ich Theresa begegnet und Noyoco ist entstanden. Seitdem liegt mein Fokus ganz klar auf der Band.

Theresa Fellner: Ja, bei mir auch. Wir hatten und haben beide noch Bands, wo wir Jazz spielen. Aber auch ich habe für Noyoco alles runtergeschraubt. Noyoco ist unser beider musikalisches Hauptaugenmerk.

Der Name Noyoco bezieht sich ja auf die Stadt New York. Jetzt nehme ich mal an, das hat nicht nur mit New York als dem Ort, an dem ihr euch getroffen habt, zu tun. Was verbindet ihr mit dieser Stadt, die ja in den 1980ern auch für zig musikalische Impulse verantwortlich war, bei denen man sich auch wenig um die Unterschiede zwischen Over- und Underground gekümmert hat? Ist das Modell Electronic-Duo – von dem es in Salzburg u. a. mit Mynth ein ganz prominentes Beispiel gibt – für euch eigentlich auch eine Herausforderung, um da nicht in eine Schublande bzw. Nische geschoben zu werden?

Robert Schoosleitner: Der Name Noyoco bezieht sich wirklich nur auf unser beider Liebe zur Stadt New York und darauf, wofür sie für uns steht, nämlich Freiheit. In jeglicher Hinsicht. Und das haben wir uns für unsere Musik auch vorgenommen. Sie muss nicht passen, sie darf einfach nur sein. Wir haben uns deshalb nie in eine Schublade gesteckt, im Gegenteil: Wir haben immer versucht, unseren Einflüssen freien Lauf zu lassen und nur die Musik zu machen, auf die wir Lust haben und die wir privat auch gerne hören. Das sind Bands wie Bon Iver, Florence & the Machine, Boy, nur um ein paar zu nennen. Sie haben eines gemeinsam: Sie kommen vom Singer-Songwritertum und haben starke Hooks, die einen packen. Deshalb denken wir nicht, dass wir mit anderen Bands bzw. Duos in Österreich zu vergleichen sind. Ich fürchte, die Schublade wird uns eher von außen aufgedrückt, und zwar die Nische „zu kommerziell“ oder „nicht Indie genug“. Wir hören auch: „Warum singt ihr nicht auf Deutsch?“, was unseren Weg schon etwas erschwert.

Wird es neben der CD- Präsentation am 2. November 2019 im Salzburger Jazzit noch weitere Live-Termine geben?

Robert Schoosleitner: Auf jeden Fall. Wir freuen uns sehr darauf, live zu spielen und unser Album zu präsentieren. Es ist vieles in Planung für 2020, folgt uns einfach auf Facebook oder Instagram oder meldet euch für den Newsletter auf unserer Website an, da bekommt ihr immer alle wichtigen Infos und Dates aus erster Hand.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 Didi Neidhart

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