Das Unsafe+Sounds Festival präsentiert seit sieben Jahren zukunftsweisende, musikalische Positionen einer Gegenwartskultur, die sich gegen das Diktat des Mainstreams stemmt und kritisch und reflektiert, mit teils radikalem Ergebnis, die uns umgebende Wirklichkeit abbildet. Was die teilnehmenden Musiker*innen eint, sind experimentelle, emanzipatorische, oder subversive Ansätze, die eine ästhetische Entsprechung zu unserer Zeit bilden. Gemeinsam bilden sie eine zersplitterte, globale Avantgarde ab. Unterschiedliche Herangehensweisen wollen zusammengeführt werden, um alternative Perspektiven zu eröffnen und einen Blick auf die neu erschlossenen musikalischen Territorien zu ermöglichen. Die heurige Ausgabe bespielt am 18. und 19. sowie am 27. und 28. August die Wotrubakirche und Das Werk.
2021 Edition – „Touch“
Die Pandemie hat eine Erschütterung im wirtschaftlichen, geopolitischen und psychologischen Gefüge provoziert. Im letzten Jahr haben wir alle entschleunigt, sind ruhig geblieben, waren mit uns selbst gefangen, klaustrophobisch vielleicht. In dieser Situation der kollektiven Verwundbarkeit und der geteilten Erschöpfung, in der strenge Maßnahmen unser gemeinschaftliches Verhalten regulieren, wollen wir uns wieder auf unser Miteinander konzentrieren. Für die diesjährige Ausgabe wollen wir die Beziehung von Berührung, klanglicher Erfahrung und Gemeinschaft in den Fokus rücken. Klang ist kein ungreifbares Phänomen. Er bricht Körper auf und verwandelt sie in Felder von Intensitäten. Sound hat eine direkte, körperliche Wirkung und verbindet sich mit unseren taktilen und haptischen Sinnen. Sound versetzt unsere Körper in Schwingung, umgibt und durchdringt uns, bindet Körper zusammen, versetzt sie in Bewegung und verwandelt sie in ein Schwingungsfeld aus Lautstärke und Frequenzen. Im Chaos des Jetzt wollen wir uns auf jene teils flüchtigen, klanglichen Gemeinschaften konzentrieren.
Genre-Grenzgänge zwischen sphärischem Techno, spektralen Synths und Musique concrète
Die Wotrubakirche und der sie umgebende Park bilden an den ersten zwei Spieltagen die Hintergrundkulisse für Genre-Grenzgänge. Dabei reicht das Spektrum von Techno zu Musique concrète, von verqueren Synth-Pop Songs zu Minimal Synth, von Ambient zu moderner Komposition.
Der schwedische Musiker Anthony Linell, seines Zeichens Kopf des einflussreichen Labels Northern Electronics, produziert elegante, minimalistische Ambient-Synth-Tracks ebenso wie pulsierenden Techno. In seinen sphärischen Live-Sets legt er die Gemeinsamkeiten der beiden Genres offen. Ähnlich fließend zwischen den Sprachen bewegt sich die Ventil Records Labelbetreiberin Ursula Winterauer aka Gischt. In ihren spannungsgeladenen, cinematischen Nummern kommen analoger Bass und elektromagnetische Sensoren ebenso zum Einsatz wie Synths und Drummachine. Resultat ist ein Amalgam aus Dark Ambient, Industrial Techno und Elektro-Akustik. Die britische Musikerin Lucy Railton hat sich in den letzten Jahren durch zahlreiche Kollaborationen als eine der wichtigsten Cellistinnen an der Schnittstelle von elektronischer und akustischer Musik etabliert. Zwischen moderner Komposition, Musique Concréte und experimenteller Elektronik situiert, skizziert Railton flüchtige Narrative, die in intime Sphären vordringen. Der in Wien stationierte Musiker und Komponist Simone Borghi ist eine der Neuentdeckungen des Festivals. Borghi filtert funkelnde Spektralklang-Sequenzen und kosmische Drones aus seinem Juno-Synth. Zu Beginn des Abends wird der Musiker und Künstler Robert Schwarz als Dj zu hören sein und die Mitbegründerin des Push Networks, Caniche wird als Sensitive Blob Ambient Tracks mixen.
Vergangenheitsschleifen und Ambientrauschen
Am Donnerstag gibt es mit Conny Frischauf und Bobby Would auch Songs zu hören. Der Künstler und Musiker Bobby Would konstruiert seine Nummern aus geloopten 50er/60er Jahre Songs, die er overdubbed. Hier kommen Weltschmerz, zeitlose Nostalgie und sture Romantik in einem „wistful waltztime psychobeat“ zusammen. Ebenfalls als Künstlerin aktiv ist die Musikerin Conny Frischauf, die in ihren Songs an Krautrock, Synth-Pop und das Leftfield-Sound-Spektrum andockt. Ihre Nummern sind sprachspielerisch und von einer charmanten Eigenwilligkeit. Ergänzt wird das Programm von den aus unterschiedlichen Projekten bekannten Musikern Paul Ebhart, Leonard Prochaska, Christopher Schulz und Simon Heidemann. Als Impro-Formation Gross Module kombinieren sie Trompete und Drums mit Synth-Signalen und E-Gitarren. Internationaler Gast des Abends ist schließlich der in Nairobi geborene und in Berlin stationierte Joseph Kamaru aka KMRU. Seine Stücke basieren auf Ambient-Scapes – endlosen Loops und vielschichtigen Klangtexturen, die verblassenden Erinnerungen gleichen und von einer bestimmenden Zartheit sind – eine hypnotische, imaginative, immersive Erfahrung. Mit den lokalen Djs Misonica, und Mariah Doesn’t Carey ist für die passende Abrundung des Musikprogramms gesorgt.
Clubkultur relived
Das zweite Wochenende findet im und vor dem Wiener Club Das Werk statt. Freitag Abend startet das Festival open air und bei freiem Einritt mit der in Wien stationierten italienischen Klangkünstlerin Isabella Forciniti, die sich in ihren mysteriösen Stücken mit dem Buchla Modular-Synthesizer auseinandersetzt und sich dabei im Spannungsfeld von Klanganalyse und improvisierter Musik bewegt. Zwischen Komposition und spontane Improvisation bewegen sich auch PLF, das Trio rund um Drummer Lukas König, Elektroniker Peter Kutin und Vokalistin Freya Edmondes. Die auch als Elvin Brandhi bekannte Musikerin Edmondes schreit, kreischt oder rezitiert und manipuliert ihre Stimme dabei bis zur Unkenntlichkeit, während König und Kutin, begleitet von flickerndem Licht, die störrischsten Klänge aus ihren Instrumenten holen. Das Ergebnis ist gezähmtes Chaos, konstante Anspannung, situiert zwischen Noise und Konzeptkunst. Ihr Debut-Release wird diesen Herbst auf Opal Tapes erscheinen. Das Indoor Programm startet mit GMNR, hinter dem sich der aus Formationen wie Wealth und Ventil bekannte Musiker Michael Lahner verbirgt. Mit GMNR bewegt er sich zwischen Techno, Minimal und experimenteller Elektronik. Der finnische Musiker Sansibar gilt als einer der prägnantesten Stimmen der frisch aufkeimenden Elektro-Szene. Dynamische Bässe, kosmische Synths, und prägnante Vocals fügen sich zu schnörkellose Tracks, die ebenso uplifting und kinky, wie geheimnisvoll sind und sich am frühen Sound Detroits orientieren. Nach einem Dj-Set von Visitor, dem Techno-Alias des als Jung An Tagen bekannten Musikers und Künstlers Stefan Juster wird Dj Gusch mit seinem beschleunigten Acid-Techno die Stimmung hochkochen. Daran anschließend gibt es mit Schirin und Bushra eine Dj-Line, die sich den härteren, schnelleren Spielarten von Techno widmet. Ekstatische Momente vorprogrammiert.
Der Open Air Abend am Samstag startet bereits am Nachmittag mit einem Dj-Set der aus Sofia stammenden Musikerin und Künstlerin Yuzu. Unbeschwerte bis transzendentale Sounds gibt es danach von Dino Spiluttini. Die hyperreale Klangästhetik des Wiener Musikers speist sich aus subtilen Synth-Sounds, gläsernen Preset-Samples und verstreuten Vocoder-Vocals. Der Musiker und Komponist Markus Steinkellner, der auch in Formationen wie Mermaid & Seafruit musikalisch um sich schlägt, beschwört als Idklang dystopische Szenerien zwischen Metal, Post-Club und Broken Beats herauf. Auf Konfrontationskurs geht auch die dänische Industrial-Musikerin Puce Mary. Frederikke Hoffmeier gilt als eine der Protagonistinnen der Post-Industrial-Szene. Sie zieht Elemente aus Power Electronics, Spoken Word und Harsh Noise heran, um sie zu abgründigen Nummern zusammenzuführen. Und auch ein Solo-Konzert des lokalen Enfant Terribles Philipp Quehenberger wird zu hören sein. Zu erwarten ist ein Grenzgang zwischen Downtempo-Acid und freier Keyboard-Improvisation.
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18.9. „Unfolding“ – Wotrubakirche open air / inside
LIVE: Anthony Linell, Lucy Railton, Gischt, Simone Borghi,
DJ-SET: Robert Schwarz, Caniche as Sensitive Blob
19.9. „Continuum“ – Wotrubakirche open air / inside
LIVE: KMRU, Bobby Would, Conny Frischauf, Gross Module
DJ-SET: Misonica, Mariah Doesn’t Carey
27.8. „Embrace“ – Das Werk open air / inside
LIVE: Sansibar, Isabella Forciniti, GMNR, PLF, DJ Gusch
DJ-SET: Haskii, Visitor, Schirin, Bushra
28.8. „Rupture“ – Das Werk open air
LIVE: Puce Mary, Dino Spiluttini, Philipp Quehenberger, Idklang,
DJ-SET: Yuzu
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