JUST FRIENDS AND LOVERS (VERONIKA ADAMSKI, LINA GÄRTNER und MAGDALENA GASSER) kennt man in Österreich bereits seit 2011. „Find out for yourself“ lautet die Genrebezeichnung auf ihrer FACEBOOK-Seite, stilistisch sind sie wohl irgendwo zwischen Indie-Pop und Post-Punk zu finden. Nun veröffentlichten die drei in Wien lebenden Grazerinnen ihr zweites Album: Einprägsame Melodien, Texte, die je nach persönlicher Stimmungslage humorvoll, wehmütig oder hoffnungsvoll tönen sowie ein überaus passend gestaltetes Cover kennzeichnen „Her Most Criminal Crimes“ (Cut Curface). Einen Monat nach dem Release sprach Anna Lischka mit JUST FRIENDS AND LOVERS über das Album, die Bandgeschichte, Gender-Profiling, Role Models und übers Fehlermachen.
Euer Album-Visual mit den dreieckig ausgeschnittenen Hosen erinnert an die Performance „Action Pants“ der Künstlerin VALIE EXPORT aus dem Jahr 1968. Gibt es einen bewussten Zusammenhang zwischen Performancekunst bzw. bildender Kunst und eurer Musik?
Magdalena Gasser: In unserem Proberaum hängt schon sehr lange dieses Poster von VALIE EXPORT. Schwarz-weiß, in ihrer Aktionshose, breitbeinig, mit dem Maschinengewehr in der Hand. Das hing da eigentlich schon immer – zuerst in Graz, dann haben wir es mit nach Wien übersiedelt. Uns ist aufgefallen, dass es in vielen unserer Texte, die oft intuitiv und spontan entstehen, um Verbrechen, Mord und Totschlag, Rachefeldzüge durch Frauen und Ähnliches geht. Irgendwann haben wir uns gefragt, ob das vielleicht unbewusst etwas damit zu tun hat, dass uns VALIE EXPORT beobachtet. So ist unter anderem auch der Titel für unser Album „Her Most Criminal Crimes“ entstanden. Ein Foto mit einer entsprechenden Referenz erschien uns als cooles Cover.
Als Bühnenoutfit ist die Hose aber nicht geeignet?
Magdalena Gasser: Es war zu unbequem. Uns ist immer wichtig, dass wir uns alle wohlfühlen.
Wie erging es euch generell bei der Arbeit an eurem neuen Album? Wie war der Entstehungsprozess aus eurer Sicht?
Veronika Adamski: Es ist nicht unbedingt so, dass wir ein Album „geschrieben“ haben. Vieles war schon vorhanden und wir haben uns dann eigentlich nur noch gefragt, was davon alles auf dem Album sein soll. Das haben wir aufgenommen. Währenddessen sind auch noch weitere Songs für das Album entstanden, aber wir haben uns nicht zusammengesetzt und gesagt: „So, wir schreiben jetzt ein Album.“ Das war eigentlich vorher schon da.
Lina Gärtner: Der Aufnahmeprozess ist etwas, bei dem man jedes Mal sehr viel lernt. Die Aufnahme unseres ersten Albums sind wir anders angegangen. Da haben wir uns sehr viel Zeit gelassen und uns zum Teil in Details verloren. Beim zweiten Album wussten wir schon viel genauer, was wir wollen, und fragten Marlene Brüggemann, ob sie das Album mit uns aufnehmen möchte. Dieses Mal haben wir aber eher zu wenig als zu viel Zeit genommen. Wir haben also auf jeden Fall auch für das nächste Album wieder sehr viel gelernt. Aber es war eine extrem coole, produktive Arbeit in diesen wirklich wenigen Tagen, in denen wir aufgenommen haben. Auf einmal hatten wir vierzehn Lieder und dachten uns: „Wow, voll geil, in so kurzer Zeit!“
Nachdem euer erstes Album auf „Fettkakao“ erschienen war, habt ihr das zweite auf „Cut Surface“ veröffentlicht. Gab es einen Grund für diesen Wechsel?
Magdalena Gasser: Wir sind stolze „Sluts“ [lacht]! Wir haben schon auf insgesamt vier Labels veröffentlicht: Bei „Nuvami Records“ haben wir eine Single rausgebracht, bei „Fettkakao“ ebenfalls eine Single und eben das erste Album, bei „Wilhelm Show“ zwei Split-Kassetten und jetzt ein Album bei „Cut Surface“.
Lina Gärtner: Ich finde es super, wie „Fettkakao“ arbeitet, aber auch total klasse, mit „Cut Surface“ zu arbeiten. Wir haben uns überlegt, wen wir fragen könnten, das Album mit uns zu machen – und haben uns sehr gefreut, dass es mit „Cut Surface“ so gut gepasst hat.
Bei eurem Auftritt als Jubiläums-Act beim 10. Popfest in Wien wurdet ihr augenzwinkernd als „alte Band“ bezeichnet. Just Friends and Lovers gibt es seit 2011. Was sind eure Ursprünge, wie habt ihr zusammengefunden?
Veronika Adamski: Wir haben uns in Graz kennengelernt. Lena kannte ich noch nicht so gut, dafür Lina. Wir sind alle drei gerne auf Konzerte gegangen. Irgendwann dachten wir uns, wir könnten doch miteinander Musik machen, und trafen uns im Proberaum. Die Idee, eine Band zu haben, war damals zunächst noch gar nicht vorhanden. Es ging dann aber ziemlich schnell, plötzlich hatten wir fertige Lieder und bekamen auch die Möglichkeit aufzutreten. Und dann waren wir auf einmal eine Band! Und mussten uns überlegen, wie wir heißen. Damals bestand unsere Musik aus sehr vielen unterschiedlichen Stilen. Wir haben sehr viel ausprobiert, auch Instrumente. Schlagzeug zum Beispiel war für uns alle neu. Es ging uns eigentlich nur darum, miteinander musikalisch eine gute Zeit zu haben – und dann kamen unsere Konzerte ins Rollen. Unser allererstes Konzert war als Vorband von Architecture in Helsinki in der Grazer Postgarage.
„[…] AUCH OHNE SKILLS KLASSE MITEINANDER MUSIK MACHEN“
Magdalena Gasser: Einige Leute waren total irritiert und meinten, es sei eine Frechheit, dass „sich die auf die Bühne stellen“.
Veronika Adamski: Für mich war super, dass es einfach um uns ging. Dass wir gemeinsam so coole Sachen machen konnten und uns auch so klasse fanden. Die Zeit war für uns einfach sehr supportive.
Magdalena Gasser: In meiner Erinnerung auch prägend in der Entstehungsphase unserer Band war ein Punk-Konzert, bei dem man dachte: „Es wirkt, als ob die viel Spaß hätten, und es sieht nicht so kompliziert aus, was die hier machen. Das könnten wir vielleicht auch.“
Lina Gärtner: Das passiert mir heute noch manchmal auf Konzerten. Dann ertappe ich mich bei dem Gedanken: „Musik machen, das will ich auch“, obwohl ich das ja schon längst tue. Dieses Gefühl ist ein extrem gutes und ich hoffe, dass auf unseren Konzerten manchmal Menschen ähnlich fühlen.
Wie habt ihr euch seit euren Anfängen – musikalisch und als Band – weiterentwickelt? Inzwischen fand ja auch euer Ortswechsel von Graz nach Wien statt.
Lina Gärtner: Es hat sich schon einiges verändert. Wir hatten damals noch Instrumente, die wir heute zum Teil gar nicht mehr verwenden. Drum-Computer, Sampler zum Beispiel – das haben wir im Laufe der Zeit begonnen wegzulassen. Und generell haben wir viel dazugelernt, auch was die Skills an unseren Instrumenten betrifft. Manchmal kommen heute nach einem Konzert Leute zu uns und sagen, wie scheiße sie uns noch vor sieben Jahren gefunden hätten und wie gut sie uns heute fänden. Das fühlt sich dann auch nicht wie ein Kompliment an, weil das in unseren Augen ein sehr wichtiger Punkt ist, nämlich dass man auch ohne Skills klasse miteinander Musik machen kann.
Das ist ja auch ein Kompliment, das an eine Beleidigung anschließt.
Magdalena Gasser: Ja, und außerdem: Was genau sind denn Skills? Der Fokus liegt dann meist auf technischen Aspekten, wie etwa, dass unsere Trommelwirbel jetzt schneller sind als früher. Dabei kann es doch auch ein Skill sein, reduzierte Musik zu machen, dafür mehr aufeinander zu hören, oder sich auf die Bühne zu stellen, obwohl man unglaublich nervös ist und sich fast anscheißt. Oder einen Text zu schreiben, der zum Lachen anregt. Das sind alles Skills.
Das führt mich zu meiner nächsten Frage: Wenn Frauen Musik machen, wird das bei Ankündigungstexten oft hervorgehoben, etwa „Die Wiener All-Female-Band“ (Wiener Zeitung). Stören euch derartige Formulierungen oder wie geht ihr damit um?
Lina Gärtner: Ich als Bandmitglied stehe da drüber, aber es ist natürlich ein Zeichen des Patriarchats und der Ungleichheit, wenn man das als etwas Besonderes hervorheben muss. Zu betonen, dass es eine Frauenband ist, bedeutet, dass das nicht normal ist. Das ist traurig, aber ich sehe darin keine Beleidigung.
Veronika Adamski: Wenn man es genau betrachtet: Was ist eine Männerband? Und was sagt das aus? Bei Männern würde man diesen Ausdruck nicht verwenden, um zu vermitteln, wie deren Musik klingt. Genauso wenig klingen Frauenbands alle gleich. Deswegen finde ich diese Betonung unlogisch. Andererseits finde ich es aber auch wichtig, dass Frauen und Mädchen ermutigt werden, Musik zu machen. Wenn die genannte Bezeichnung dafür einen Nutzen hat, finde ich es okay.
Magdalena Gasser: Ich mache wiederum ja auch eine Art Gender-Profiling: Wenn etwa bei einem Festival-Line-up mit fünf Bands keine einzige Frau auf der Bühne steht, dann überlege ich, ob ich zu dieser „Sausage Party“ überhaupt hingehe. Die Information kann also auch relevant sein, es soll aber nicht die einzige sein. Oft wird auch nicht nachgefragt. Man geht von einem Geschlecht aus, weiß aber eigentlich gar nicht, ob sich die Person als weiblich definiert oder vielleicht non-binary, trans* oder etwas ganz anderes ist.
Zu euren Texten: Bei manchen Songs auf „Her Most Criminal Crimes“ entsteht der Eindruck, ihr würdet auf ironische Art und Weise eine andere Stimme „zitieren“, zum Beispiel bei „Space“.
Magdalena Gasser: Es ist gut, dass unsere Texte Interpretationsspielraum lassen und für jede und jeden etwas anderes öffnen. Wir wissen es selber nicht immer ganz genau. Manche sind sehr konkret, andere wieder sehr abstrakt und es ist toll, wenn sie bei jeder und jedem etwas anderes auslösen, solange es keine großen Missverständnisse gibt. „Space“ kann man entweder als Realität sehen, oder aber auch als Utopie: Platz für alle, man darf Fehler machen und alles ist nicht so schlimm.
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“THAT’S BECAUSE WE ARE THE ROLE MODELS.”
Wer schreibt bei euch die Texte?
Veronika Adamski: Das ist unterschiedlich. Vieles entsteht spontan, hat aber meistens schon eine Vorgeschichte, mit der wir uns beschäftigt haben.
Lina Gärtner: Manchmal hat eine von uns einen fertigen Text, manchmal nur einen halben und die anderen ergänzen ihn. Uns ist dann aber wichtig, dass nichts dabei ist, was für eine unangenehm sein könnte.
Magdalena Gasser: Spätestens beim Aufnehmen prüfen wir, ob alle Texte für jede von uns passen.
Veronika Adamski: Oft entstehen Lieder auch beim Jammen, nicht immer ist der Text vor der Musik da, manchmal entsteht beides zur gleichen Zeit oder zuerst die Musik – das ist ganz verschieden.
Magdalena Gasser: Ich freu mich schon wieder aufs Liedermachen!
Habt ihr dafür momentan Zeit, so kurz nach dem Erscheinen eures Albums?
Lina Gärtner: Jetzt gerade zu wenig. Wir treffen uns selten, ohne eine Agenda zu haben oder zu proben. Aber es ist natürlich klasse, einfach die Instrumente in die Hand zu nehmen und zu schauen, was passiert.
Apropos Instrumente: Die tauscht ihr häufig untereinander. Das habe ich in letzter Zeit bei immer mehr Bands beobachtet.
Magdalena Gasser: That’s because we are the role models [lacht].
Lina Gärtner: In einer Band eine Frontperson zu haben, ist schon etwas, wofür oder wogegen man sich entscheidet.
Magdalena Gasser: Was bei uns super funktioniert, ist, dass jede das machen kann, worauf sie Lust hat. Nachdem uns allen verschiedene Instrumente Spaß machen, hat sich das so eingebürgert.
Lina Gärtner: Es kommt immer auch auf den Kontext an, aus welchem heraus die Band entsteht. Beim pink noise Girls Rock Camp beispielsweise wird man sehr zum Ausprobieren ermutigt, und da bietet es sich dann für die Band an, das Tauschen später beizubehalten.
Magdalena Gasser: Unsere Lieder sind dadurch auch sehr unterschiedlich, denn jede hat einen anderen Style am jeweiligen Instrument. Das kann man mögen oder auch nicht. Für Konzerte muss man sich auch immer viel einfallen lassen, um Wechsel logistisch zu lösen.
„You are not an idol, you are a role model“, heißt es in eurem Song „Role Model“, zu dem es auch ein sehr schönes Video gibt. Wo seht ihr den Unterschied?
Veronika Adamski: Ein Idol sucht man sich aus. Role Models können Menschen sein, ohne es zu wissen. Es geht um das Vorleben gewisser Handlungsweisen und des Umgangs miteinander. Role Models haben mit ihrem Verhalten viel Einfluss auf jüngere oder andere Leute. Von einem Idol denkt man sich eher: „Genau so möchte ich sein!“ Das ist etwas sehr Bewusstes.
Wen seht ihr als euer Role Model?
Lina Gärtner: Beyonce [lacht]! Aber doch eher als Idol.
Magdalena Gasser: Ich kann von vielen Menschen sagen, dass sie mich beeinflusst haben. Ich habe von vielen Menschen mitbekommen, dass sie sich in einer Situation auf eine bestimmte Art und Weise verhalten oder eine Frage stellen, die zum Nachdenken bewegt, oder sich trauen, Gefühle zu zeigen. Und dann gibt es natürlich auch das Gegenteil: Leute, denen überhaupt nicht bewusst ist, dass sie eine Wirkung haben, die sie für etwas Gutes nutzen könnten. Das können Idole oder auch Role Models sein. Wir alle beeinflussen einander ständig. Oft weiß man auch erst, welche Möglichkeiten man hat, wenn man gesehen hat, dass genau das jemand anderer macht. Zum Beispiel sich zu trauen, in einer bestimmten Situation etwas zu sagen.
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Oder auch – wie Lina vorhin gesagt hat – einfach Musik zu machen.
Magdalena Gasser: Oder zu sagen: „Nein, das mache ich nicht. Das muss nicht so sein, nur weil es alle machen oder weil es immer schon so war.“
Lina Gärtner: Oder auch: „Das habe ich gemacht und es war blöd.“ Das kann auch inspirierend sein.
Magdalena Gasser: Genau, wenn man sieht, dass jemand Fehler eingesteht – noch dazu in einer wichtigen Position. Das inspiriert. Solche Role Models brauchen wir.
Wie geht es weiter mit Just Friends and Lovers? Worauf darf man sich gefasst machen?
Lina Gärtner: Im Herbst spielen wir einige Konzerte in Wien und Deutschland. Das sind vorerst die einzigen Pläne.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Anna Lischka
Termine:
28. September 2019: Darmstadt
30. September 2019: Berlin
2. Oktober 2019: Prag
3. Oktober 2019: Nürnberg
4. Oktober 2019: Wien, Venster 99
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