Umfrage: Klimakrise und Nachhaltigkeit im Musikbetrieb – Wie denkt Paul Buschnegg (PAULS JETS) darüber?

Für die Wochenzeitung FALTER ging Paul Buschnegg bereits der Frage nach, warum die Klimabewegung keinen eigenen Sound hat. Für uns setzt sich der Sänger und Gitarrist von PAULS JETS mit dem komplexen Thema „Klimakrise und Nachhaltigkeit im Musikbetrieb“ auseinander. Warum er generell kein großes Vertrauen in die Verantwortung der „Industrie“ hat und anstelle von kommerziellen Festivals lieber auf Rave-Kultur setzt, hat er uns in Form eines E-Mail Interviews im Rahmen dieser Serie erklärt.

Welche Maßnahmen ergreifst du persönlich, um in deiner Tätigkeit als Musikschaffende:r umweltfreundlicher und nachhaltiger zu sein? Wo fällt es dir besonders schwer, dein Verhalten in Bezug auf deine Arbeit in der Musikbranche zu ändern?

Paul Buschnegg: Bisher noch keine, leider. Aber wir haben schon seit längerem – als Band – darüber nachgedacht, ob und wie wir ohne Auto touren könnten. Das wäre eine ziemliche Umstellung für uns. Als Solo-Artist, mit Gitarre in der Hand, oder als DJ zum Beispiel ist das ja nichts Neues. Viele reisen mit dem Zug herum. Für eine Rock-Band ist eine Tour ohne Auto aber schon sehr schwer vorstellbar – borgt man sich die Instrumente dann vor Ort aus? Wie soll man dann jeden Abend den gleichen Sound erzeugen? Oder sollte man auf Mini-Instrumente umsteigen? Oder vermehrt digitale, leichte Verstärker benutzen? Vielleicht auf Bühnenbild verzichten? Oder sogar auf den Verkauf von Merch? Ist das in der Praxis dann nicht vielleicht doch witzlos? Fragen über Fragen. Das hat uns aber auch gefallen, die Fragen – Probleme, die man lösen müsste. „Form follows function“, sagt man im Design – und so würde es der Musik bestimmt auch ergehen, wenn man die Form, angepasst an das Reisen mit dem Zug, veränderte. Mit einem veränderten „Wie” würde sich auch das „Was” der Musik ändern. Politik über Form quasi, und weniger über Inhalt – das hat uns sowieso immer mehr interessiert. Und das, nur damit alles in eine kleine Tasche passt. Naja, noch ist es aber nur eine Idee in unseren Köpfen, mal schauen, ob sich das wirklich realisieren lässt. Zugtickets sind leider gar nicht so billig. Unpünktlich sind sie obendrein auch noch. Aber einen Versuch wäre es wert – let‘s see. Arbeitstitel: Suitcase Jets.

„Man darf nicht zweimal überlegen müssen, ob‘s mit dem Auto billiger ist.“

Inwiefern denkst du, dass die Musikindustrie eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann? Welche Schritte sollten deiner Meinung nach unternommen werden?

Paul Buschnegg: Ich bin Musiker und habe mit der Industrie dahinter nicht so viel am Hut. Ich hab‘ aber generell kein großes Vertrauen in die Verantwortung von „Industrie“ – gerade in Zeiten, in denen wir Entwicklungen vom klassischem Konkurrenzkapitalismus zu Monopolen beobachten. Die Rolle der Industrie ist find ich einfach keine, von der man was erwarten kann. Trotzdem spielt sie eine echt wichtige Rolle, die Industrie. Sie bestimmt unseren Blick auf die Welt. Was wir tragen, schauen, hören, essen, trinken (lesen würde ich da vielleicht rausnehmen). Die Welt, in der wir leben, besteht ja Großteils aus industriell geformten Waren. Und wie wir leben, uns bewegen, uns schmücken und voneinander abgrenzen, ist so stark abhängig von diesen Waren. Gibt es E-Roller, benutzen wir sie – und wenn ein Veggie-Burger billiger ist als einer mit Rindfleisch, bestellen wir ihn halt. Und je mehr Menschen irgendwas tun, desto mehr tun es nach. So gesehen hat die Industrie beim Kampf gegen den Klimawandel eine ganz entscheidende Rolle, denn sie produziert, was angesagt ist und formt die Dinge, die wir nutzen. Dennoch kann man von ihr schwer fordern, moralisch vorzugehen – das liegt einfach nicht in der Natur des Kapitalismus. Und den Kapitalismus werden wir so schnell wohl nicht abschaffen – ihn aber mehr zu steuern, sozialer zu machen und in Verantwortlichkeit zu zwängen, davon darf man träumen. Konkret könnte etwa Fleisch viel teurer, Fleischersatz viel billiger sein – genauso könnten Zug- und Öffi-Preise sinken. Man darf nicht zweimal überlegen müssen, ob‘s mit dem Auto billiger ist. Die Aufgabe so eine Steuerung zu subventionieren obliegt aber der Politik, und die wiederrum hat in Österreich leider eine Mehrheit rechts der Mitte. Entweder braucht es da also eine Art Erweckungserlebnis der Konservativen oder aber eine Form der übernationalen Politik, die nicht allein demokratisch, sprich an der Mehrheit orientiert ist, sondern an wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Rat von Experten. Der Euro-Raum hat eine solche übernationale Governance in Form der Geldpolitik der EZB. Es ist also nicht undenkbar, eine solche, mächtige Institution auch für verbindliche Klimapolitik zu schaffen – eine überregionale, nicht direkt demokratisch gesteuerte Institution, die bewirkt, dass der Markt bzw. die Industrie wiederum Anreize schaffen, die zu ökologischerem Konsumverhalten führen. Was aber können wir dafür tun? Wie legitimiert man so etwas?

„Nicht alles muss explizit politisch sein.“

Aktionen, die unser tägliches Leben stören, bekommen viel Aufmerksamkeit in den Medien. Auch Konzerte sind medienwirksam: Was könnten Konzerte und Festivals bewirken? Wie siehst du deine Rolle?

Paul Buschnegg: Ich sehe die Verantwortung gar nicht so sehr bei den Künsten. Nicht alles muss explizit politisch sein. Manchmal ist die Aufgabe der Kunst nicht nur der explizite Aufruf zum Protest und die Verunsicherung, sondern auch die umarmende Geste, die Brücken baut und klar macht, dass wir doch alle irgendwie ähnlich sind. Musik, Konzerte, Festivals haben nicht eine Aufgabe, sondern so viele, und Verantwortung ist eine davon. Sie muss aber nicht immer an erster Stelle stehen. Unabhängigen Journalismus etwa sehe ich da eher in der Verantwortung, oder das Bildungssystem, die Schulen usw., die gehören halt sehr gestärkt, glaube ich. Ich finde laute Protestaktionen super und supporte das. Ich glaube aber nicht, dass jede Band, jedes Festival das machen muss. Manchmal versteht man Haltung eben auch schon an der Form – da glaube ich schon auch an Subversion.

„Ich wünsche mir eine riesen Party, eine Woche Ausnahmezustand.“

Paul Buschnegg: Ich denke, was es mehr braucht, sind so unangemeldete Partys, Raves, die wirklich stören. Ich wünsche mir eine riesen Party, eine Woche Ausnahmezustand – und jeder macht mit, eben nicht nur, weil man sich als links versteht oder so, sondern weil es halt auch eine Party ist, inklusiv gedacht. Ich denke, sowas würde der Klimabewegung gut tun – Rock and Roll am Rande des Abgrunds – no future for future – etwas, das so groß, breit, unangenehm und unaufhaltsam ist, dass es die Politik zum Handeln zwingt. Und ich denke, für die Breitenwirksamkeit einer solchen Bewegung brauchen wir nicht unbedingt liebe, kommerzielle Festivals oder Artists, die sich sowas dann auf die Fahnen schreiben, sondern eher Rave-Culture.

Bist du schon auf Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit in der Musikszene gestoßen? Wenn ja, welche und in welcher Art und Weise haben dich diese beeinflusst?

Paul Buschnegg: Ich bin da schon drauf gestoßen, ja. Auf Music Declares etwa, nette, tolle Leute! Ich begrüße das total. Ich wünsche mir, dass wir alle gemeinsam mehr darüber nachdenken, wie man nachhaltiger touren kann. Wie wir Förderungssysteme schaffen, die sowas vereinfachen. Ich finde es gut, dass es immer mehr Bühnen für diese Diskussionen gibt.  

„Kultur ist immerhin sehr nachhaltig – einmal erschaffen hält sie meist lange.“

Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken in der Musikszene? Welche Ressourcen, Informationen oder Unterstützung wünschst du dir, um nachhaltigere Entscheidungen in Bezug auf deine Musikkarriere treffen zu können?

Paul Buschnegg: Ein großes Problem in meinen Augen ist der Transport, die langen Strecken. Für kleine Gagen nehmen junge Künstler:innen große Strapazen auf sich, fahren tausende Kilometer umher. Das geht vor allem bei Bands, deren Gagen zu klein sind um sich ein Team leisten zu können (Fahrer:in, Tourmanager:in, Roadies) sehr auf die Substanz. Es braucht einfach mehr Fördermittel für solche Reisen, und Konzepte, die sich etwa mit Backline (Schlagzeug, Verstärker, all die großen Sachen auf der Bühne) -Sharing auseinandersetzen. Man kennt es vom Urlaub – mit weniger Gepäck macht es mehr Spaß. Generell wünsch ich mir, dass mehr Geld in die Kultur fließt. Kultur ist immerhin sehr nachhaltig – einmal erschaffen hält sie meist lange. Klar, man muss sie pflegen, restaurieren, kühlen. Aber ohne sie sind wir sinnlos. Sie macht uns zu Menschen, indem wir sie betrachten, darüberschreiben, sprechen, streiten. Es soll sich immer lohnen, für die Kultur zu leben – Taylor Swift, Coldplay, im Fußballstadion, das ist toll, aber das reicht noch nicht. Vor allem die Nischen brauchen Kohle. Wenn es sich lohnt, auf klimapolitischer Ebene global zu denken, so lohnt es sich, auf kultureller Ebene das Kleine, Regionale zu betrachten, zu pflegen und zu fördern.

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Paul Buschnegg / Beitrag FALTER (22/2023): Krise ohne Sound
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