MORGANA PETRIK ist Komponistin und Leiterin der ÖGZM. Im Rahmen dieser Serie hinterfragt sie die Rolle, die die Musikindustrie als Kollektiv bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann. Wo würde sie ansetzen? MORGANA PETRIK über Strom und herkömmliches Schreibzeug, Musikfestivals mit beachtlichem Engagement beim Klimaschutz und kleinbürgerliche Logik.
Welche Maßnahmen ergreifst du persönlich, um in deiner Tätigkeit als Musikschaffende umweltfreundlicher und nachhaltiger zu sein? Wo fällt es dir besonders schwer, dein Verhalten in Bezug auf deine Arbeit in der Musikbranche zu ändern?
Morgana Petrik: Ich fahre mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln, spare Energie, trenne meinen Müll, vermeide es nach Möglichkeit, umweltschädliche Produkte und Dienstleistungen zu konsumieren etc. Umweltschutz ist mir ein wichtiges Anliegen. Mit meiner musikalischen Tätigkeit hat das allerdings wenig zu tun. Folglich gibt es in Hinblick auf meine künstlerische Arbeit auch keine Verhaltensänderung, die mir besonders schwerfallen würde.
„Ich bezweifle, dass die Musikindustrie als „Kollektiv“ eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann.“
Inwiefern denkst du, dass die Musikindustrie eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann? Welche Schritte sollten deiner Meinung nach unternommen werden?
Morgana Petrik: Natürlich könnten Songwriter Lieder schreiben, die sich auf kritische Weise mit der Klimakrise befassen, und hoffen, dass ihre Nummer ein Hit wird und ein gesellschaftliches Umdenken bewirkt. Das ist aber Sozialromantik. Ich bezweifle, dass die Musikindustrie als „Kollektiv“ eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann. Einzelne Veranstalter oder Produzenten haben es aber sehr wohl in der Hand, im eigenen Einflussbereich Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz zu setzen.
Aktionen, die unser tägliches Leben stören, bekommen viel Aufmerksamkeit in den Medien. Auch Konzerte sind medienwirksam: Was könnten Konzerte und Festivals bewirken?
Morgana Petrik: In letzter Zeit wurde von Musikfestivals berichtet, die beachtliches Engagement in Sachen Klima- und Umweltschutz bewiesen haben. Bei Veranstaltungen mit tausenden oder gar zehntausenden Besuchern macht es nämlich einen signifikanten Unterschied, ob auf Müllvermeidung oder die Verwendung erneuerbarer Energie geachtet wird, oder darauf, dass die Gäste nicht mit dem Auto anreisen, wie all das etwa beim Paradies Garten Festival in Bruck an der Leitha der Fall war. Die Medien sind dazu eingeladen, mehr von solchen Initiativen zu berichten, um auch andere zu Umweltschutzmaßnahmen anzuregen.
„Wir Komponist:innen arbeiten ohnehin ressourcenschonend und nachhaltig, denn viel mehr als Strom für unsere Arbeitsstationen oder herkömmliches Schreibzeug benötigen wir für unsere Arbeit nicht.“
Wie siehst du deine Rolle?
Morgana Petrik: Wir Komponist:innen arbeiten ohnehin ressourcenschonend und nachhaltig, denn viel mehr als Strom für unsere Arbeitsstationen oder herkömmliches Schreibzeug benötigen wir für unsere Arbeit nicht. Und obgleich wir wenig Einfluss darauf haben, bemühen wir uns bzw. hoffen wir, dass unsere Werke möglichst oft „wiederverwertet“ werden, und nicht etwa musikalische Einwegprodukte bleiben.
Bist du schon auf Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit in der Musikszene gestoßen? Wenn ja, welche und in welcher Art und Weise haben dich diese beeinflusst?
Morgana Petrik: Ich möchte die Beantwortung dieser Frage auf den gesamten Kunst- und Kultursektor ausdehnen: Die seit Oktober 2022 laufende, EU-finanzierte Förderung „Klimafitte Kulturbetriebe“ hat zweifellos Gutes bewirkt. Der Kulturbetrieb ist selbst aber wohl kaum der große “Problembär”, und die Rolle, die er bei der Bewältigung der Klimakrise spielen kann, gering. Wird diese Rolle hochgespielt, so liegt die Vermutung nahe, dass es sich um den Versuch der Politik handelt, die Überzeugungsarbeit für eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung der breiten Öffentlichkeit an die Kunstschaffenden respektive deren Interessenvertretungen zu delegieren. Es ist aber die Aufgabe der Politik auf Gemeinde-, Landes-, Bundes- und EU-Ebene, und auch durch weltweite Zusammenarbeit, endlich wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Internationale Klimakonferenzen und daraus resultierende Absichtserklärungen gibt es seit 1979; passiert ist seither wenig.
„Die Bewältigung des Klimawandels kann nicht Sache der ‚Musikszene‘ sein.“
Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken in der Musikszene? Welche Ressourcen, Informationen oder Unterstützung wünschst du dir, um nachhaltigere Entscheidungen in Bezug auf deine Musikkarriere treffen zu können?
Morgana Petrik: Die Bewältigung des Klimawandels kann nicht Sache der „Musikszene“ sein. Es ist Aufgabe der Legislative, die Weichen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu stellen – und zwar unter Einbeziehung anerkannter Fachleute, und Aufgabe der Exekutive, diese umzusetzen bzw. deren Einhaltung zu gewährleisten. Warum werden nicht endlich Gesetze geschaffen, die der Bodenversiegelung Einhalt gebieten, oder den Individualverkehr im Stadtgebiet einschränken, oder das Halten von KFZ bei laufendem Motor untersagen? Man befürchtet aber, nicht zu Unrecht, mit solchen Agenden Wähler zu verärgern (Wähler, die sich auch in Zukunft eine lebenswerte Umwelt wünschen, werden hingegen seltener ins Kalkül gezogen). Anstatt sich selbst unbeliebt zu machen, versucht man, den Kulturbereich als öko-moralische Besserungsanstalt zu instrumentalisieren. Dies entspricht, um mit den Worten Markus Hinterhäuser zu sprechen, einer fragwürdigen und in letzter Konsequenz kleinbürgerlichen Logik. Der Erfolg solcher Agenden darf bezweifelt werden.
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