ANNA KOCH ist derzeit mit ihrem Projekt „Connecting the Dots“ auf Weltreise. Nachhaltig zu Touren stellt die meisten Musiker:innen vor große Herausforderungen. Worauf die Klarinettistin und Bassklarinettistin, die auch ihre Familie mit im Gepäck hat achtet, hat sie uns im Rahmen dieser Serie geschildert.
ANNA KOCH ist Teil des Programms „NASOM, the New Austrian Sound Of Music 2023/24“. Zudem ist sie einer der „Focus Acts 2023“. Im Zuge des Tour-Support Programms, das von Austrian Music Export und dem BMKÖS ausgeschrieben wird, wurde Musiker:innen heuer erstmals zusätzlich ein Sustainability Bonus für Konzepte zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs angeboten.
Welche Maßnahmen ergreifst du persönlich, um in deiner Tätigkeit als Musikschaffende umweltfreundlicher und nachhaltiger zu sein?
Anna Koch: Sowohl in meinem privaten als auch meinem beruflichen Leben denke ich immer wieder darüber nach, wie ich meinen Lebensstil dahingehend verändern kann, dass mein ökologischer Fußabdruck verringert wird. So besitze ich beispielsweise kein Auto, sondern ein Klimaticket und genieße es, in ganz Österreich damit fahren zu können. Außerdem möchte ich ein klares Statement gegen eine übermäßige Konsum- und Wegwerfgesellschaft setzen. Daher beziehe ich meine Bühnenoutfits seit Jahren ausschließlich über das nachhaltige Wiener Label „Lila“ der Modedesignerin Lisi Lang, wobei vieles geliehen und manches gekauft ist. Den Rest meiner Kleidung nähe ich selbst.
„… ich möchte ein klares Statement gegen eine übermäßige Konsum- und Wegwerfgesellschaft setzen“
Anna Koch: Bei meinem nächsten Projekt „Connecting the Dots“ werde ich einmal um die Welt reisen. Das hat mir viel Kopfzerbrechen bereitet, wie ich dies mit gutem Gewissen verantworten kann. Wir werden zugegebenermaßen auf Flugreisen nicht völlig verzichten können, aber mir war ein effizientes Routing wichtig und daher verzichten wir auch auf eine Rückreise nach Österreich zwischen den Konzerten. Überall, wo es möglich ist, verwenden wir umweltverträglichere Verkehrsmittel. So werden wir die Reise von Brasilien über Argentinien nach Chile ausschließlich mit Fernbussen abdecken. In den Zeiten zwischen den Konzerten übernachten wir in unserem selbstmitgebrachten Zelt und verpflegen uns mit Hilfe unserer eigenen Campingausrüstung. Dadurch können wir unnötigen Verpackungsmüll von Fertiggerichten bzw. Take-aways vermeiden.
Wo fällt es dir besonders schwer, dein Verhalten in Bezug auf deine Arbeit in der Musikbranche zu ändern?
Anna Koch: Auftritte im Ausland stellen immer ein Highlight dar und wären daher für mich nicht wegzudenken. Schwierig ist es dann, wenn man keine Zeit hat, um mit einem langsameren Verkehrsmittel zu reisen. Außerdem wollen Veranstalter oft nur ein Flugticket zahlen, da der Zug teurer wäre. Den Aufpreis selbst zu zahlen ist aus finanziellen Gründen leider keine Option.
Inwiefern denkst du, dass die Musikindustrie eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann? Welche Schritte sollten deiner Meinung nach unternommen werden?
Anna Koch: Ich denke, dass die Musikindustrie eine große Rolle leisten könnte, indem sie ihre Position nützt, um Druck auf die Politik auszuüben. So könnten Maßnahmen wie z.B. das österreichische Klimaticket forciert werden, das erlaubt, weite Strecken günstig zu reisen. Ein vergleichbares Ticket für die EU, um innereuropäisch zu reisen, wäre ein unglaublicher Schritt. Seit der Einführung des Klimatickets in Österreich stelle ich persönlich eine immer stärkere Zugauslastung fest. Man stelle sich nur vor, welch ein Image Bahnreisen bekämen, wenn internationale Bands von Konzert zu Konzert mit dem Zug reisen würden!
„Mir schwebt vor, ein Programm mit zeitgenössischer Musik zu verwirklichen, bei dem die Klima-Thematik musikalisch bearbeitet wird.“
Aktionen, die unser tägliches Leben stören, bekommen viel Aufmerksamkeit in den Medien. Auch Konzerte sind medienwirksam: Was könnten Konzerte und Festivals bewirken? Wie siehst du deine Rolle?
Anna Koch: Erst vor kurzem habe ich einer Diskussionsrunde mit Katharina Rogenhofer [Mitbegründerin von Fridays for Future] beigewohnt, bei der sie speziell den Punkt angesprochen hat, dass jede:r von uns einen Hebel hat, mit dem er:sie wirken kann. Wir können, als Musiker:innen, die eigene Bühne nutzen und auf gesellschaftskritische Themen aufmerksam machen, als musikalisches Vorbild Ideen vermitteln, die ein umweltfreundliches und nachhaltiges Leben befürworten. Eine kreative Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema kann dieses vielen Menschen näherbringen. Mir schwebt vor, ein Programm mit zeitgenössischer Musik zu verwirklichen, bei dem die Klima-Thematik musikalisch bearbeitet wird.
Bist du schon auf Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit in der Musikszene gestoßen? Wenn ja, welche und in welcher Art und Weise haben dich diese beeinflusst?
Anna Koch: Es gibt einige Initiativen in der österreichischen Musikszene. Besonders am Herzen liegt mir der minciospace um Simon Zöchbauer und Julia Lacherstorfer. Hier entsteht ein Zentrum für künstlerische Entwicklung sowie ein Ort für kollektiven Austausch über die „Reparatur der Zukunft“. In regelmäßigen Abständen werden hier Diskussionsrunden mit Expert:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen abgehalten.
„Die größte Herausforderung in der Musikszene ist sicherlich, wie man die Reisetätigkeit im Zusammenhang mit Konzerten im Ausland umweltfreundlicher gestalten kann.“
Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken in der Musikszene? Welche Ressourcen, Informationen oder Unterstützung wünschst du dir, um nachhaltigere Entscheidungen in Bezug auf deine Musikkarriere treffen zu können?
Anna Koch: Die größte Herausforderung in der Musikszene ist sicherlich, wie man die Reisetätigkeit im Zusammenhang mit Konzerten im Ausland umweltfreundlicher gestalten kann. Initiativen wie die „Focus Acts“-Förderung, die dieses Jahr erstmals einen Sustainability Bonus angeboten haben, der Bands zugutekommt, die zusätzlich zu ihrer Bewerbung ein umweltfreundliches Touring-Konzept eingereicht haben, helfen dabei enorm.
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Anna Koch (mica-Datenbank)
Lila – Modedesign by Lisi Lang
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