Das Rad steht. Dabei wollte MANU DELAGO auf große Tour gehen und der Welt zeigen, wie man Konzerte klimaneutral spielen kann.
Radiohead und Maroon 5 haben vor zehn Jahren damit begonnen, ihre Konzerte so zu planen, dass sie die Umwelt weniger belasten, Billie Eilish engagiert sich und Coldplay wollen erst gar keine Konzerte spielen, solange das nicht klimaneutral möglich ist. Sie sind die Ausnahmen. Nicht zuletzt können sie sich das auch leisten. An einem nordenglischen Forschungsinstitut erarbeitet man derzeit einen Plan, wie Konzerttourneen das Zeitalter hoher Emissionen hinter sich lassen können. Angestoßen hat dieses Projekt Robert Del Naja von Massive Attack, der auch die „Extinction Rebellion“ unterstützt.
Der Musiker Manu Delago hat nun die Absicht, das Thema nach Österreich zu bringen. Seine „ReCycling Tour“ sollte jetzt stattfinden, sie wurde durch Covid-19 um fast genau ein Jahr verschoben. Über dreißig Konzerte wollte er spielen, wird er spielen, und dabei sollen möglichst wenig Abfall und CO2 produziert werden. Wie er das macht, ist jetzt schon interessant. Immerhin wird es aller Voraussicht nach wieder Konzerte geben.
Wer bist du?
Manu Delago: Mein Name ist Manu Delago, ich bin ein Musiker und Komponist und auch Naturliebhaber und Bergsteiger. Ich komme aus Tirol und wohne aber seit dreizehn Jahren in London.
Was ist das Problem?
Manu Delago: Das grundlegende Problem ist der Klimawandel. Ich habe mir überlegt, was ich als Musiker beitragen kann, habe meinen eigenen Lebensstil beobachtet. Das Leben auf Tour ist mit viel Transport und Fliegen verbunden, das Essen ist teilweise Fast Food von Tankstellen, teilweise wird Energie verschwendet. Ich habe versucht, das mit der „ReCycling Tour“ zu überdenken. Wir bewegen uns nur mit Fahrrädern fort und erzeugen unseren Strom mit Solarpanelen, wir vermeiden Abfall, essen nachhaltig mit vegetarischer und lokaler Küche und lassen uns vor Ort Jause geben.
Laut einer Studie wird ein Drittel der Treibhausgase durchs Publikum verursacht. Was macht ihr da?
Manu Delago: Wir wollen Publikum, Veranstalterinnen und Veranstalter motivieren, ebenfalls nachhaltig zu denken, die Anreise zum Konzert sollte zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen. Wir möchten, dass die Veranstalterinnen und Veranstalter keine Plastikflaschen zur Verfügung stellen und bei der Werbung schauen, dass keine Papierplakate gedruckt werden. Nicht nur wir sollten unseren Stil verändern, sondern auch das Publikum, die Veranstalterinnen und Veranstalter und andere in der Musikindustrie.
Warum möchtest du das machen?
Manu Delago: Ich bin ein naturverbundener Mensch. Lange schon war mir der Umgang mit der Natur ein persönliches Bedürfnis, kein berufliches, mittlerweile sehe ich mich aber in der Verantwortung, eigene Ideen zu verbreiten. Ich habe das Gefühl, ich kann etwas zum Thema beitragen.
Gab es einen Auslöser?
Manu Delago: Ich sehe im Jahr ungefähr hundert Backstage-Räume, da wird leider einfach sehr viel Abfall produziert. In Ländern wie Österreich, wo es köstliches Leitungswasser gibt, bekommt man teilweise zig kleine Plastikflaschen mit stillem Wasser. Viele andere Dinge haben mich dazu gebracht, bei Veranstalterinnen und Veranstaltern zu erwähnen, dass so viel Abfall nicht nötig ist. Fliegen ist oft schwer zu vermeiden. Für diese Tour haben wir ein Konzept gefunden, das zu wenigen Emissionen führt.
Wie alltagstauglich ist diese Tour?
Manu Delago: Unser „Hospitality Rider“ sieht jetzt schon so aus, dass wir überhaupt keine Einwegflaschen haben möchten, sondern Leitungswasser oder gefiltertes Wasser, mit dem wir unsere Trinkflaschen füllen können. Beim Transport ist es schwieriger, ich spiele glücklicherweise viel international, da ist es nicht möglich, alles mit dem Fahrrad zu machen. Ich versuche aber, weniger zu fliegen, es soll sich rentieren, ich bleibe länger und spiele vor Ort mehr Konzerte. Auch bei der Energie kann man in einer Venue darauf schauen, wie lange der Strom läuft, Ton- und Lichtanlagen laufen teilweise von zehn Uhr vormittags bis Mitternacht durch und brauchen teils sehr viel Strom. Es gibt einiges, was ich dauerhaft umsetzen will.
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Wie leicht war es, Locations zu überzeugen?
Manu Delago: Das Konzept kommt prinzipiell sehr gut an, der Großteil der Termine ist in Österreich. Natürlich gibt Veranstalterinnen und Veranstalter, die in ihrem Muster stecken und einem wenig entgegenkommen. Das Routing war schwierig, wir fahren 1.600 Kilometer durch Österreich, da braucht es Kompromisse von beiden Seiten.
Wo musstet ihr auch Nein sagen?
Manu Delago: Die Route hat sich immer wieder leicht verändert. Es kamen andere Parameter ins Spiel, nicht nur, wie die Venues ausgestattet sind, sondern auch, wie wir dort hinkommen und ob das Radfahren mit vierzig Kilo schweren Anhängern Sinn macht. Wenn wir entlang der Donau radeln, sollte die Reise etwas zum Genuss werden.
Redest du mit anderen Musikerinnen und Musikern über das Thema?
Manu Delago: Über nachhaltiges Touren wird wenig geredet. Einige Bands geben Statements ab, Ólafur Arnalds etwa hat mit jedem verkauften Ticket einen Baum pflanzen lassen. Coldplay wollten nicht mehr touren, bis sie eine Lösung gefunden haben, die nachhaltiger ist. Das ist noch in den Kinderschuhen. Hoffentlich können wir mit der „ReCycling Tour“ andere inspirieren, das Ganze zu überdenken.
Wie eng bist du mit „Fridays for Future“?
Manu Delago: Mitglieder von „Fridays for Future“ habe ich zufällig in Stockholm getroffen. Sie waren in ein Björk-Konzert involviert, waren auf der Bühne, danach haben wir etwas Zeit miteinander verbracht. Für diese jungen Menschen war das ganze Thema schon selbstverständlich, sie sind sehr aktiv. Ihnen hat die Idee zur Tour sehr gut gefallen, mit etwas Glück werden sie das unterstützen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Stefan Niederwieser
Die „ReCycling Tour“ von Manu Delago wurde auf 2021 verschoben. Updates gibt es hier.