Themenschwerpunkt „Zukunft der Musik“: JOSEF OSTERMAYER im mica-Interview

Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums widmete sich mica – music austria ganz besonders dem Thema “Zukunft der Musik”, wobei vor allem die der österreichischen gemeint ist. Nachdem in den vergangenen Monaten viele MusikerInnen zu Wort gekommen sind, will das mica nun auch von politischen Entscheidungsträgern wissen, wie sie die Situation bzw. die Perspektiven beurteilen. Den Anfang macht Josef Ostermayer, seines Zeichens österreichischer Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien. Die Fragen stellte Markus Deisenberger.

Wie würden Sie Ihre musikalische Sozialisation beschreiben? Mit welcher Musik sind Sie aufgewachsen?

Josef Ostermayer: Wenn man mir die berühmte Frage nach Stones oder Beatles stellt, muss ich klar „Rolling Stones“ antworten. Tief in meinem Herzen lautet die richtige Antwort allerdings „Velvet Underground“.

Welche Musik ist Ihnen heute noch wichtig? Besuchen Sie Konzerte?

Josef Ostermayer: Musik spielt naturgemäß eine zentrale Rolle im Leben eines Kulturministers, aber sie hat mich schon mein ganzes bisheriges Leben begleitet. Ich besuche sehr gerne Konzerte und die Bandbreite, allein des Jahres 2014, spannt sich von Bob Dylan bis Rudolf Buchbinder, von Kings of Leon bis Nabucco, von Attwenger bis Fuzzman oder Friedrich Georg Haas.

Wenn man von Musikland Österreich spricht – was genau ist Ihrer Auffassung nach damit gemeint?

Josef Ostermayer: Musikland Österreich“ bedeutet nicht nur unser großes musikalisches Erbe zu bewahren, sondern auch dafür zu sorgen, dass Neues nachkommt. Vor allem die Entstehung und die Präsentation der zeitgenössischen Musik ist wesentlich, um aus dem Musikland kein Musikmuseum werden zu lassen. Es gibt hervorragende Komponistinnen und Komponisten, sowie Musikerinnen und Musiker aller Genres in Österreich, denen es zu verdanken ist, dass die Bezeichnung „Musikland“ weiterhin zutreffend ist.

“Meine Arbeit ist es, ein Umfeld zu schaffen, das für kreative Tätigkeiten optimale Voraussetzungen schafft.

Nur die wenigsten KomponistInnen und MusikerInnen in Österreich können von ihrer Arbeit leben. Wie kann man es schaffen, dass Musik nicht zum Nebenerwerb oder gar Hobby verkommt?

Josef Ostermayer: Dieses Problem stellt sich in der gesamten Kunst- und Kulturwelt. Oft können mit relativ geringen Mitteln schon große Wirkungen erzielt werden. Ein Beispiel dafür ist das Netzwerktreffen „Speed Dating“ für Komponistinnen und VeranstalterInnen und EnsembleleiterInnen, das am 23. Oktober zum 3. Mal stattgefunden und bereits zu einer verbesserten Aufführungslage der Werke von Komponistinnen geführt hat. Weiters führen wir seit geraumer Zeit zielgerichtete Diskussionen über ein modernes Urheberrecht, das dazu beitragen wird, dass auch ErschafferInnen geistiger Werke zu einer fairen Entlohnung kommen. In der Künstlersozialversicherung haben wir heuer eine Novelle verabschiedet, die den Bezug aus dem Fonds für Künstlerinnen und Künstler massiv erleichtert und einen Hilfsfonds für Künstlerinnen und Künstler in Not eingerichtet. Wir versuchen also ein Leben von und für die Kunst, für so viel Menschen wie möglich zu unterstützen.

2008 fand eine parlamentarische Enquete Musik statt, bei der aktuelle Herausforderungen und musikalische Entwicklungsperspektiven in Österreich diskutiert wurden. Was kam konkret dabei heraus? Und wird es eine Fortsetzung  dieses “fruchtbaren Dialogs zwischen Politik und Kultur”, wie es die damalige SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen nannte, geben?

Josef Ostermayer: Es stellt sich nicht die Frage einer Fortsetzung des Dialoges zwischen Politik und Kultur, denn dieser hat nie aufgehört. Er findet laufend und permanent statt. Ich bin tagtäglich mit zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern im Austausch und erlebe mit großer Freude die Früchte ihrer Arbeit. Meine Arbeit ist es, ein Umfeld zu schaffen, das für kreative Tätigkeiten optimale Voraussetzungen schafft. Ohne den permanenten Dialog, ob im persönlichen Gespräch oder im Rahmen einer großen Enquete, kann ich meine Arbeit nicht machen.

“Aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage bin ich allerdings froh, dass das Kunst- und Kulturressort niemandem etwas wegnehmen musste…”

Heuer im Frühjahr fand auf Einladung von SPÖ Kunst- und Kultursprecherin Elisabeth Hakel ein Runder Tisch zum Thema „Österreich.Musik.Zukunft“ statt. Auf der anschließenden Pressekonferenz wurden vier Forderungen verlesen, auf die man sich einigen konnte. Die Nicht-Repräsentanz österreichischer Musik vor allem in Ö3, Radio Wien und im Fernsehen, heißt es in diesem Forderungskatalog, gefährde einen ganzen Wirtschaftszweig. Was wird konkret getan, um diesem Forderungskatalog umzusetzen? Brauchen wir in Österreich eine Radio-Quote?

Josef Ostermayer: Ich befürworte alle Initiativen, deren Ziel eine Stärkung der österreichischen Musiklandschaft ist. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit des ORF, kann und wird sich die Politik aber nicht in die Programmgestaltung einmischen. Eine gesetzliche Quote, deren Ziel eine Bevorzugung österreichischer Produktionen gegenüber anderer europäischer Musik im Radio wäre, wäre europarechtlich nicht vereinbar. Die Einhaltung der vom ORF unterschriebenen Selbstverpflichtung ist allerdings mehr als wünschenswert.

Schaut man sich die finanzielle Ausstattung der Kulturbetriebe (Salzburger Festspiele, drei Opernhäuser in Wien etc.) an, ist ein starker Fokus auf der Verwaltung des österreichischen Musikerbes und der Pflege des klassischen Repertoires zu verzeichnen. Denken Sie, dass förderungstechnisch genug für die zeitgenössische Musik aller Genres getan wird? Oder besteht hier Aufholbedarf?

Josef Ostermayer: Grundsätzlich würde ich mir für alle mehr wünschen. Aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage bin ich allerdings froh, dass das Kunst- und Kulturressort niemandem etwas wegnehmen musste und wir – trotz anhaltender Krise – über 440 Millionen Euro pro Jahr für Kunst- und Kultur zur Verfügung haben. Wenn ich also nun jemand mehr Geld geben würde, müsste ich dieses jemand anderem vorher wegnehmen.

Wir leben in Zeiten ständiger Budget-Knappheit. Und wir erleben immer wieder, dass sich Sparen vor allem im Kultur- und Bildungsbereich negativ nieder schlägt. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Josef Ostermayer: Kunst- und Kulturbudgets sind keine Almosenzahlungen, sondern Investitionen in die Gesellschaft, in den Geist und auch in die Wirtschaft eines Landes. Zahlreiche Kulturförderungen refinanzieren sich, beispielsweise durch gesteigerten Tourismus, mehrfach. Dass wir seit 2008 in der größten Krise seit den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts stecken, spüren wir überall. Trotzdem geht es uns – verglichen mit vielen anderen Ländern der Welt – glücklicherweise relativ gut. Mehr ist derzeit nicht möglich, mit dem Vorhandenen werden wir das Bestmögliche machen.

“Kunst- und Kulturbudgets sind keine Almosenzahlungen, sondern Investitionen in die Gesellschaft…”

Förderungen für Infrastruktur, Vermarktung und Vertrieb, Musikexport und Ausbildungsangeboten für die Musikbranche fehlen fast vollständig, auch die vorhandenen Mittel für Produktionsförderung werden der Nachfrage nicht gerecht Wie, denken Sie, kann man der allgegenwärtigen Ermangelung professioneller Strukturen Herr werden? Ist bei diesen Themen nicht auch das Wirtschaftsministerium in die Verantwortung zu nehmen?

Josef Ostermayer: Die Zuständigkeit für die wirtschaftlichen Aspekte der Musikbranche ist im Wirtschaftsressort (Österreichische Wirtschaftskammer) zu sehen. Diese Inhalte sind nicht Thema der Kunstförderung und der Finanzierungsbedarf auch nicht aus Mitteln der Kunstförderung zu bedecken.

Wir haben das Jubiläum von mica – music austria unter das Motto „Zukunft der Musik“ gestellt. Wie sieht Ihre persönliche Vision des Musiklandes Österreich in zwanzig Jahren aus?

Josef Ostermayer: Ich sehe Österreich weiterhin als attraktiven Standort für Musikschaffende und Kreative. Und ich sehe ein breitgefächertes Musik-Angebot aller Genres, ein gleichberechtigtes und sich ergänzendes Nebeneinander von musikalischem Erbe und Innovation, ohne Schielen auf Zahlenvergleiche, von Erfahrung und Experiment, von Alt und Jung.

Foto Josef Ostermayer: Johannes Zinner
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.