Theater an der Wien: Auch Zeitgenössisches, so beim "Osterklang" und auch schon demnächst (Sciarrino: "Luci mie traditrici", 14.12.)

Theater an der Wien: Auch Zeitgenössisches, so beim “Osterklang”  und auch schon demnächst (Sciarrino: “Luci mie traditrici”, 14.12.)Das Wiener Osterfestival 2009, vorgestellt von Roland Geyer bei der heutigen  Pressekonferenz, kann auch mit drei zeitgenössischen Projekten aufwarten: Die längst fällige Erstaufführung einer tollen Oper (Birtwistle: “The Last Supper”), wieder einmal durch die Neue Oper Wien sowie zwei Uraufführungen: Wolfgang Sausengs “Totentanz” und “Es ist Freitag und Gott ist nicht da” von Helmut Jasbar. Wer sich Salzburg nicht leisten wollte: Sciarrinos Oper “Luci mie traditrici” mit dem Klangforum Wien gibt es nächste Woche schon konzertant. Nicht versäumen!

Salvatore Sciarinnos “Tödliche Blume” – konzertant am 14.12.

Beim Sciarrino-Schwerpunkt in Salzburg 2008, auch bei Wiener Festwochen einst schon einmal szenisch gezeigt: Die Oper “Luci mie traditrici” (übersetzt etwa “Meine verräterischen Augen”).  Diese zeitlose “Tragödie der Liebe, des Blutes und der Unausweichlichkeit”, wie der geniale Komponisten-Außenseiter, der längst mit seinen  Werken im Mittelpunkt des Musiklebens steht, seine Oper genannt hat, nimmt ihren Ausgang von einem Barockdrama, das den Mord des Renaissancefürsten und Komponisten Gesualdo an seiner Frau und deren Liebhaber verarbeitet. Es hätte in Salzburg Klaus Michael Grüber, der gemeinsam mit Peter Stein der Berliner “Schaubühne” als Regisseur in den 70-er und achtziger Jahren zur Weltgeltung verhalf,  inszenieren sollen. Doch am 23. Juni ist er tragischerweise mit 67 Jahren verstorben. So zeichnete die für Bühne und Kostüme gewählte Rebecca Horn auch für die Regie in der Kollegienkirche verantwortlich. Die musikalische Leitung hatte Beat Furrer als Dirigent des Klangforums.

 

An der Besetzung für Salzburg ändert sich bei der konzertanten Aufführung in Wien nichts, allerdings steht Otto Katzameier diesmal nicht als “Il Malaspina” zur Verfügung. Statt ihm ist Tomothy Sharp aufgeboten und statt Kai Wessel singt Andrew Watts “L’ospite”.

Aus der (guten) Werkeinführung für Wien: Der Renaissance-Komponist Carlo Gesualdo, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte, hat immer wieder nachfolgende Generationen inspiriert, so beispielsweise Igor Strawinski in den “Tres sacrae cantiones” sowie in der Madrigal-Bearbeitung Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum. Ebenfalls eine Madrigal-Bearbeitung ist Le voci sottovetro des 1947 in Palermo geborenen Salvatore Sciarrino, dessen Auseinandersetzung mit Gesualdo in einer Burleske in der Tradition des sizilianischen Puppentheaters (Terribile e spaventosa storia del Principe di Venosa e della bella Maria) und in der 1998 uraufgeführten Oper Luci mie traditrici ihren Niederschlag findet.

 

1590 ermordet Gesualdo aus Eifersucht seine Gemahlin Maria d’Avoalos und deren Geliebten Fabrizio Carafa, und schon 1664 wird das blutige Ereignis in Il tradimento per l’onore von Giacinto Andrea Cicognini anhand einer fiktiven Personenkonstellation neu erzählt. Cicogninis barocke Tragödie nimmt Sciarrino zum Ausgangspunkt seiner Erzählung von der Vergänglichkeit der Liebe: Beschwören der Mann und seine Gemahlin am Morgen noch ihre ewige Liebe, so verfällt sie am Mittag leidenschaftlich einem Gast und gibt sich ihm hin. Der unglücklich in seine Herrin verliebte Diener verrät das intime Stelldichein, doch der Entehrte scheint seiner Gemahlin zu vergeben. Als sie jedoch Nachts den Vorhang zu ihrem Bette öffnet, findet sie dort die Leiche des Geliebten und stirbt durch den Dolch ihres Gemahls. Am Ende der Oper finden sich die beiden in der Intimität der ersten Szene wieder.

 

Die inneren Vorgänge der Protagonisten faszinierten den Komponisten [.] und so schreibt Sciarrino lakonisch in seine Partitur: Poco succede, quasi niente. (Wenig geschieht, sozusagen nichts.)” (Website Theater an der Wien)

 

Luci mie traditrici (Die tödliche Blume)
Oper in zwei Akten (1998)
Musik von Salvatore Sciarrino (*1947)
Text vom Komponisten nach Il tradimento per l’onore
von Giacinto Cicognini (1664)

 

Konzertante Aufführung in italienischer Sprache
Klangforum Wien
Musikalische Leitung Beat Furrer

 

Il Malaspina Timothy Sharp
La Malaspina Anna Radziejewska
L’Ospite Andrew Watts
Il Servo Simon Jaunin

 

Karten: Theater an der Wien, über das Klangforum Wien verbilligte Karten (für Mitglieder und Abonnenten des Konzerthaus-Zyklus)

 

Den “Osterklang Wien” eröffnen Riccardo Muti, die Philharmoniker und der Arnold Schoenberg-Chor mit Luigi Cherubinis Messa Solenelle und den “Sieben letzen Worten” Haydns im Musikverein. Händels “Messiah” im Theater an der Wien in einer szenischen Umsetzung von Claus Guth und mit dem französischen Originalklang-Ensemble Matheus und wiederum dem Schönberg-Chor sowie Vokalsolisten verspricht ebenfalls spannend zu werden. Auch andere “Klassik”-Konzerte stehen unter dem Stern von Händel und Haydn, einmal mit Martin Haselböcks Wiener Akademie und dem Chorus sine nomine, zum anderen bei einem Abend mit der Mezzosopranistin Bernarda Fink, die in der Minoritenkirche ausgehend von Händel und dem Barock einen Bogen zur Moderne im 20. Jahrhundert schlägt – mit Luciano Berio, György Kurtág und Herbert Willi. Der Ausklang gehört Jordi Savall und seinem Ensemble Hespérion XXI –  mittelalterliche Pilgergesänge und etwa die Cantigas de Santa Maria aus der Feder des legendären toleranten Königs von Kastilien und Leon, Alfonso X “El Sabio” (1221-1284).

 

Allein das alles schon verführt dazu, auf den Osterurlaub zwischen 4. und 13.April  woanders zu verzichten, oder – wenn geht – diesen auf die Woche vor der Kar- oder nach der Osterwoche zu verlegen. Und als triftiger Grund, das zu tun, kommen eben drei spannende Projekte mit Neuer Musik hinzu, darunter immerhin von zwei Österreichern.

 

“Totentanz” von Wolfgang Sauseng

 

wird am Karfreitag in der Minoritenkirche uraufgeführt (mit dem Chorus sine nomine unter Johannes Hiemetsberger und Ensemble Armacord Wien). Der Text von Wolfgang Hermann und Sausengs Musik wollen ein (nicht immer ernstes) Spiel vom Sterben entwerfen. “Als Komponist sehe ich es prinzipiell als wichtiges Anliegen, einen Text ohne Zusätze und Beiwerk in Musik umzusetzen: Der Text selbst ist schon Musik – bereit, zum klingenden Leben erweckt zu werden. . All diese Überlegungen trafen in besonderer Weise auf den Totentanz von Wolfgang Hermann zu. Jedoch hat dieser Text in seiner ständigen Ambivalenz zwischen Hier und Dort, zwischen Sinnlichkeit und Starre, zwischen Grauen und leichtem Augenzwinkern dem Komponisten ganz besondere Möglichkeiten eröffnet.” (W. Sauseng)

Wir sind gespannt auf Sauseng, spätestens seit seinem tollen “Das Staunen des Ezechiel”, einer Kirchenoper in vier Bildern, gleichzeitig “Traumszenario, aufgelöst in Wirklichkeit” (1997, UA 2002 in der Kirche St. Ursula, Wien). Ein Mitschnitt davon ist erhältlich bei Trsek Records, Vienna (oder vom Komponisten)! Auch seine “Passio Iesu secundum Ioannem” (UA war 2003 in der Kremser Minoritenkirche) ist auf CD zu haben (edition zeitton ORF/Ö1).

 

Totentanz
Chorus sine nomine
Johannes Hiemetsberger, Leitung
Amarcord Wien
Freitag, 10. April 2009, 19:30 Uhr, Minoritenkirche

“The Last Supper” (Birtwistle) und ein Nachtstück von Helmut Jasbar

Die Qualitäten des englischen Komponisten Harrison Birtwistle erfuhr man zuletzt wieder bei einem Wien Modern-Konzert, bei dem das Arditti Quartett dessen einsätziges Quartett “The Tree of Strings” (2008) vorstellte. “Das ist große Musik dieser Gattung  – mit einer Dauer von drei Viertelstunden erfüllt das Werk eine eigene, neue Form. . Es passiert so Vieles in dieser Musik, dass man es verbal nicht wiedergeben kann. Man möchte es wiederhören – und unsere guten Streichquartette müssten sich damit bei Gelegenheit auch auseinandersetzen”, schrieb Ihr Berichterstatter damals enthusiastisch. “Punch and Judy” (1966/67), die schräge, harte Oper aus Frühzeiten des Komponisten, war übrigens in einem der ersten Jahre von Wien modern sogar szenisch zu erleben.

Und niemand kann  sich auch dem gewaltigen Eindruck entziehen, den Birtwistles Orchesterwerk “The Triumph of Time” (1971/72) macht: Es ist von dem gleichnamigen, allegorischen Kupferstich Pieter Brueghels d. Ä. inspiriert, der eine schaurige Prozession darstellt, wo hintereinander die Zeit – die gerade dabei ist, ein Kind zu verschlingen – auf einem Karren, der Tod auf einer dürren Mähre und der Ruhm – die Trompete blasend – hoch auf dem Elefanten vorüberziehen. Die Symbolebenen des Bildes formte Birtwistle kongenial zu einem großen Adagio-‘Processional’.

Qualitäten in allen Genres. Höchste Zeit also, in Wien endlich die Oper “The Last Supper” erleben zu können, das vor neun Jahren an der Deutschen Staatsoper Berlin seine gefeierte Uraufführung hatte.  Birtwistles “Dramatic tableaux für 14 Solisten, kleinen Frauenchor und Kammerorchester”, oft eher Oratorium, schildern eine weitere Abendmahl-Einladung des Jesus von Nazareth an die zwölf Apostel in der Passahnacht von 2000 – eine Abrechnung über 2000 Jahre menschlicher (Miss-) Geschichte.

Helmut Jasbar kann am (Dienstag), 7. April 2009 im Neuen Saal des Konzerthauses die Frage stellen: “Es ist Freitag und Gott ist nicht da”?  – “eine Nachtfahrt über das Unabwendbare, ein multimediales Melodram, das uns mit einer elementaren Angst konfrontiert, der  Diagnose einer Krankheit, die den Tod nicht mehr in beruhigende Ferne fantasiert.” (H. Jasbar). Als Ausgangspunkt diente dem Wiener Komponisten und Autor “Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz” Joseph Haydns.

Für die nächsten Jahre kündigte Roland Geyer weitere Kompositionsaufträge für das Theater an der Wien an, nicht (nur) an österreichische. So wird Johannes Kalitzke (“Deutscher Österreicher”) als nächster betraut, aber bis 2011 auch “die russisch-amerikanische Komponistin Lera Auerbach, weiters Komponisten aus dem französischen und englischen Raum”.

The Last Supper
Musik:Harrison Birtwistle
Walter Kobéra, Musikalische Leitung
Philipp Harnoncourt, Inszenierung

 

Premiere: Samstag, 4. April 2009, 19:30 Uhr, Semper-Depot
Weitere Vorstellungen: 8., 11., 13, 4.

Es ist Freitag und Gott ist nicht da
Uraufführung

 

von Helmut Jasbar (Komposition/text/Electronic Treatment
Hannes Kiengraber Video

 

Peter Matic Sprecher
Dienstag, 7. April 2009, 19:30 Uhr, Konzerthaus/Neuer Saal

 

Heinz Rögl

 

Fotos:
Theater an der Wien © theater-wien
Salvatore Sciarrino © Philippe Gonthier
Wolfgang Sauseng © concentus vocalis
Harrison Birtwistle © contemporary opera