The Twentieth Century – s/t

Das Bekenntnis zum reinen Ambient weckt schnell einmal Misstrauen. Etwas seltsam Blutleeres pulsiert mittlerweile durch dieses Genre, dessen musikalische Qualitäten oft ebenso schwer festzunageln sind wie jene Klangschwaden, für die es bis heute steht. Zu Zeiten von „Music for Airports“ mag es noch spannend gewesen sein, amorphes Beiwerk zu isolieren und eine letztlich leere Kulisse als neue, progressive Errungenschaft anzupreisen, die gleichermaßen einnehmend wie unaufdringlich vor sich hin wabern können sollte. Den kompositorischen Anspruch, den diverse Verwandte innerhalb der elektroakustischen Ahnengalerie noch gehabt hatten, schloss diese neue Spielform der rhythmusfreien Klangschichtungen weitgehend aus. Ein unbändiger Variantenreichtum stand daher eigentlich nicht zu erwarten. Und wird das ätherische Dröhnen einmal nicht für (film-)szenische Unterlegung gebraucht, gerät es eben rasch in Verdacht, mit billigen Mitteln jene Atmosphäre erzeugen zu wollen, die dem Songwriting ungleich schwerer abzuringen sind.

Die beiden Wiener Musiker Pieter Gabriel (sleep sleep) und Lukas Lauermann (Soap&Skin, A Life A Song A Cigarette) haben den Schritt dennoch gewagt und Anfang dieser Woche ihr Debutalbum bei Mosz Records veröffentlicht. Schon die vergangenen Monate hindurch durfte man sich ihren Improvisationen im Rahmen klassischer Live-Ambient-Sessions aussetzen. Ihr selbstbetiteltes Erstlingswerk wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in einer leerstehenden Autolackiererei eingespielt – nicht ohne deren bauliche Idiosynkrasien (wie undichte Fenster oder quietschende Türen) klanglich zu verwerten. Ihre Soundsprache produzieren sie allerdings auch hier primär aus analogen Instrumenten (E-Gitarre, Cello) und einer Armada an Effektpedalen, ohne sich hinter Notebooks oder anonymen Konservenmaschinerien zu verstecken.

Herausgekommen ist ein atmosphärisch stimmiges Album, das durch seine Konzept- und Prozesshaftigkeit sowohl vieles an Beliebigkeit abfängt als auch seiner filmischen Inspiration dramaturgisch gerecht wird. Es sind drei lose miteinander verknüpfte Abschnitte, die sich wie eine Art Tauchgang ausnehmen: Es beginnt mit einem Sinken, einem Hinabgleiten auf den Grund; ein Breitwand-Largo; gemächlich zuerst, dann immer drängender, haltloser, gravierender zieht uns der Fall durch die schillernden Strömungen vibrierender Stahlsaiten – bis zum Aufprall; an einem dunklen Ort, in völliger Einsamkeit, im Selbst, wo das Andere bloß noch Echo der eigenen Bewegung ist. Ein tiefstimmiges Cello scheint uns zu erlösen; wie ein Anker, der eingeholt wird, führt es sorgsam und nach und nach heller singend zurück an die Oberfläche, an die Luft, ans Licht; all dies geschieht unter einem so unendlich fein zwischen Hoffnung und Resignation abgepassten Ton, dass unklar ist, ob man überhaupt dorthin zurück möchte.
David Weidinger


Release-Show

12. Mai, mo.ë., Wien

Foto The Twentieth Century © Clemens Schneider

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