Das Trio THE GHOST AND THE MACHINE, dessen Mitglieder aus Wien, Dresden und Burgau in der Steiermark stammen, hört sich stark nach den einsamen und abgeschiedenen Freilandstraßen der weiten Welt an. Passenderweise hört man sich aber auch nach Herbst an. Melancholische Resonator-Gitarrenklänge, ein bauchiger Kontrabass und ein jazziges Schlagzeugspiel irgendwo zwischen Blues, Folk und Country liefern auf dem zweiten Album der Band namens „Red Rain Tires“ (Noise Appeal Records) den perfekten Soundtrack zur aktuellen Jahreszeit.
Entstanden aus einem Soloprojekt des Steirers Andreas Lechner bringt die zum Trio herangewachsene Band immer noch die Intimität des früheren Singer-Songwriter-Daseins mit. Trotz einer feinen stilistischen Vielfalt ist der rote Faden durch die als „rote Regenreifen“ betitelte Musik eine Ehrlichkeit und Authentizität im Sound, von der sich viele überproduzierte moderne Bands eine Scheibe abschneiden könnten. Auf „Red Rain Tires“ kann man als Zuhörende bzw. Zuhörender tatsächlich noch das Angreifen der verschiedenen Instrumente hören und sich an den Fähigkeiten der MusikerInnen erfreuen. Möglicherweise kein Wunder, denn so ursprüngliche Instrumente wie Resonator-Gitarren aus den 1920er-Jahren und ein sowohl gestrichener als auch gezupfter Kontrabass benötigen das menschliche Element hinter der Musik womöglich noch etwas dringender als die herkömmlichen Instrumente in der Popularmusik. Heidi Fial (Kontrabass) und Matthias Macht (Schlagzeug) bilden eine überaus lebendige Rhythmussektion, deren Spielfreude zu jeder Zeit hörbar ist.
Der äußerst dynamische und im besten Sinne akustisch klingende Mix des Albums trägt sein Übriges dazu bei, dass man zu jeder Minute des Lauschens das Gefühl hat, man säße bei einer inspirierten Session direkt neben der Band und würde dem Wunder der Musikentstehung beiwohnen – und dieses Gefühl wird wohlgemerkt beim Anhören eines Studioalbums evoziert.
Geschichten und szenische Sounds zwischen Blues, Americana und Singer-Songwriter
Auch ohne sich auf die fragmentarisch beziehungsweise lyrisch gehaltenen Texte zu konzentrieren, spielt sich bei allen Songs schnell eine Szenerie vor dem inneren Auge ab: ein Testament für die stimmungsvollen Klänge, die hier scheinbar mühelos geschaffen werden. Von längeren Reisen über seelischen Schmerz bis hin zur Unschuld wird hier soundmalerisch allerhand abgedeckt, ohne als Rezipientin bzw. Rezipient überhaupt einen Blick auf Titel und Texte werfen zu müssen, die aber passenderweise ähnliche Thematiken behandeln. Highlights des Zweitlings von The Ghost And The Machine sind unter anderem das schwelgerische „Caroline“, die treibende Up-Beat-Nummer „Dirty Mind“ und das fröhlich-melancholische „Butterflies and Dust“, inklusive einer Emotionsvermischung, die durch eine traurigen zweistimmigen Gesang und auflockernde Resonatorgitarren-Licks gelingt.
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„Red Rain Tires“ überzeugt letztlich durch das Gefühl eines starken musikalischen Narrativs, welches wie automatisch einerseits durch die distinkten Klänge der verwendeten Instrumente und andererseits durch die charakteristische Stimme des Sängers geschaffen wird. Die Zuhörerschaft wird unweigerlich in die Grauzonen der herbstlichen Zwischenjahreszeit manövriert und darf alle Gefühle, die dabei aufkommen, verstärkt durch dieses semiakustische Kleinod umso intensiver wahrnehmen.
Sebastian J. Götzendorfer