The Boys You Know – Purple Lips

Sommermusik ist nicht immer total zuckersüßer Pop. Sie kann auch mal rockiger sein, vor allem wenn eine allgemeine Leichtfüßigkeit beibehalten wird. Da muss es auch gar nicht so fröhlich klingen, kann auch gerne melancholisch sein, so lange alles im „Chill!“-Bereich ist. „Purple Lips“ wäre ein gutes Beispiel für ein Sommeralbum. The Boys You Know stellen auf ihrer zweiten Platte die Gitarren in den Vordergrund und machen dies ziemlich gut. Die Band mit dem langen Namen hatte 2013 das Debütalbum „Waste Your Time“ veröffentlicht, das von niemand geringeren als von Wolfgang Möstl produziert wurde. Kein Wunder, dass der Noise-Rock Tausendsassa seine Finger im Spiel einer astreinen 90’s Platte hatte.

Wenn man die oben angegebenen Informationen zusammen nimmt, kann man sich schon so etwa vorstellen, was die Band für Musik macht. Es ist ganz klar eine klassische Rock-Formation mit Schlagzeug, Bass und Gitarre. Kein Firlefanz wie Synthies, dafür ein starker Auftritt aller vorhandener Instrumente. Vor allem die Gitarren spielen die erste Geige: Sie quietschen, verlieren sich in desorientierten Melodien oder hauen einfach nur auf den Putz. Alles in allem kann man The Boys You Know und vor allem “Purple Lips” als stark inspiriert von Pavement beschreiben. Jene amerikansiche Rockband der 1990er Jahre hatte die Musikrichtung Alternative-Rock maßgeblich geprägt. Aber bei den Wiener finden sich auch Anleihen an Neutral Milk Hotel oder Queens of the Stone Age.

Letzteres hört man besonders beim Opener “Low” und bei “I Can’t Wait” heraus. “Low” ist ein passender erster Track, denn er umfasst alles was auf dem restlichen Album noch so kommen wird. “I Can’t Wait” hat einen punkigen Anstrich und vor allem beim Refrain, wo die Zeile “I Can’t Wait” manisch wiederholt wird, kann man oben genannte Referenz besonders gut erfassen. Desorientiert und voller 90er Jahre-Teenie-Rock Epik ist auch “The Cult”, das mit dem dominanten Schlagzeug und der dramatischen Gitarrenmelodie eines der besten Lieder des Albums ist. “Omar” ist zwar teils auch desorientiert, aber ein bisschen vorhersehbar.

Bei 13 Songs ist es nur logisch, dass auch der ruhigeren Seite gefröhnt wird – wenn auch nicht zu häufig. Und weil das ein sehr gitarren-lastiges Album ist, hat hier die akustische Version des Instruments den Vortritt. Besonders schön, weil meditativ und sachte einlullend, ist “Bowie”. Es macht einige Tempo- und Vocalmelodie Wechsel durch und strotzt auch nach mehrmaligen Anhören noch immer vor Details. Von wild zu ruhig scheint die Devise von “Purple Lips” zu sein, denn auch der Abschlusstrack “Losing You” ist ein Softie. Irgendwie erinnert das Lied an Country, gemeinsames Jammen am Lagerfeuer und einen melodiösen Bob Dylan.

Wer es also bis hier geschafft hat, wird mit einem sanften “Ausklinger” belohnt. Was bei einem musikalisch so ausbalancierten Album nicht fehlen darf, ist ein starker Vocalist. Und hier kommt Kritik ins Spiel. Ja, die Sänger der 1990er waren nicht gerade für ihre Emotionalität bekannt, schließlich ließ man es eher fließen, obwohl die Themen vielleicht hochdramatisch waren. So ist auch Thomas Hangweyrers Stimme eher unbeeindruckt von der Klangkulisse um ihn herum. Was bei manchen Liedern einen meditativen Faktor dazugibt (“Bowie”), ist bei anderen eher ein Begleitinstrument. Für Fans von charismatischer Artikulation könnte das zu wenig sein. Trotzdem lohnt es sich, “Purple Lips” eine Chance zu geben, denn der musikalische Auftritt ist stark und die Melodien mitreißend. Ein echtes Sommeralbum eben.

Anne-Marie Darok

 

Foto: Lukas Philippovich

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