TEXTE UND TÖNE FESTIVAL 2015

Tiefe Töne stehen im Mittelpunkt der diesjährigen TEXTE UND TÖNE im ORF-Funkhaus. Mit seinem Konzert für Kontrabass und dem neuen Werk „bab“ – built a bassoon – für Fagott und Kontrabass ist unter anderem PETER HERBERT zu Gast in Vorarlberg. Speziell für diesen Anlass schuf DAVID HELBOCK das Trio „Masks of truth“ für Kontrabass, Fagott und Klavier. Und um dem Leitgedanken ‚tiefe Töne’ noch eins drauf zu setzen, wird der Fagottist MATTHEW SMITH das Kontrafagott spielen. Weitere Werkpräsentationen bieten Murat Üstün mit „Mosquitos“ und GERALD FUTSCHER mit dem Lied „”Quand la nuit se découpe“ nach einem Text des französischen Autors MICHEL HOULEBECQ.

In Beziehung zu den Kompositionen von Peter Herbert, Murat Üstün, David Helbock und Gerald Futscher werden literarische Texte der Vorarlberger Autoren Wolfgang Mörth, Muhammet Ali Bas, Christoph Linher, Max Lang und Sarah Rinderer gestellt. Während Wolfgang Mörth und Peter Herbert schon seit 1991 zusammen auf der Bühne wirken und deren Werke gegenseitig sehr gut kennen, stellen die anderen Begegnungen Neuland dar. So wird Murat Üstün Texte des in Wien lebenden Muhammet Ali Bas vertonen. In Vorarlberg kennt man den Autor als Poetry-Slamer sowie als Co-Autor von „heim.at“ für die interkulturelle Theatergruppe Motif. Christoph Linher hat den diesjährigen Literaturpreis des Landes Vorarlberg erhalten. Texte von ihm werden David Helbock am Klavier und Peter Herbert am Kontrabass improvisatorisch deuten.

Zwei große Jazzmusiker treffen sich bei Texte und Töne

„Night Shift“ von David Helbock fand beim Texte und Töne Festival 2014 begeisterte Zustimmung. Nun schuf der Pianist und Komponist mit „Masks of truth“ eine „modern Sonata“ für Fagott, Kontrabass und Klavier. „Es gab am Anfang natürlich eben die technische Überlegung, die tiefen Instrumente optimal zu ‚featuren’, aber noch mehr habe ich auch direkt für Peter und Matthew geschrieben, weil ich ja von Anfang an wusste, wer spielen wird und ich sowieso lieber für Persönlichkeiten als nur für Instrumente schreibe“, erzählt David Helbock von den Ausgangsüberlegungen. Mit Peter Herbert hat er schon öfters zusammen gearbeitet, unter anderem sind beide Musiker auf Michael Mantlers aktueller CD vertreten und bei Peter Herberts Oper „Trans Maghreb“, die letztes Jahr bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt worden ist, spielte David Helbock den Klavierpart.

Konzerte für Kontrabass und Vibraphon

Das Symphonieorchester Vorarlberg musiziert bereits zum dritten Mal im Rahmen des Festivals Texte und Töne, das von Bettina Barnay und Jasmin Ölz konzipiert und getragen wird. Für das SOV stellt das Festival ein „Experimentierfeld dar“, wie Thomas Heißbauer betont. „Das heurige Programm setzt einen Schwerpunkt auf die tiefen Instrumente. Somit war die Programmierung des Konzertes für Kontrabass und Streichorchester von Peter Herbert quasi aufgelegt“, erläutert Geschäftsführer des SOV die Leitgedanken der Programmierung. „Mit Wolfgang Lindner war ich schon länger im Gespräch über eine Aufführung seines Werkes ‚Rodeo’. Den Solisten Christoph Sietzen kenne ich schon lange, und als er im letzten Jahr beim ARD-Wettbewerb als Preisträger ausgezeichnet worden ist, war schnell die Idee geboren, ihn als Solisten für das Konzert bei Texte und Töne anzufragen.“ Ein wichtiges Anliegen von Thomas Heißbauer ist es überdies, jeweils ein Werk einer Komponistin auf das Programm zu setzen. Die Wahl fiel auf die Schweizer Komponistin Iris Szeghy und ihr Werk „Ad Parnassum für Streicher nach Bildern von Paul Klee“. Von Paul Klee und sieben Bildern aus unterschiedlichen Lebensperioden ist die Komposition inspiriert. Mit dieser Werkdeutung findet überdies eine willkommene, genreübergreifende Verbindung von Musik, Literatur und Bildender Kunst statt.

Prägende Schlüsselerlebnisse

Die Werke von Peter Herbert und Wolfgang Lindner haben sich schon öfters im Konzertsaal bewährt. Sowohl „Climbing“ als auch „Rodeo“ tragen autobiographische Züge. Peter Herbert war in seinen Jugendjahren ein leidenschaftlicher Bergsteiger, den die emotionalen Erlebnisse am und mit dem Berg geprägt haben. In „Climbing“ setzte er seine Erfahrungen musikalisch in Szene. „Es geht um den Kletterer, in diesem Fall den dynamischen, ungeduldigen jungen ‚Hupf‘, der unbedingt durch die Wand will. Der Berg ist jedoch absolut unantastbar, die Auseinandersetzung mit ihm ist schließlich eine Auseinandersetzung mit sich selbst“, erklärt Peter Herbert. Diesen Grundgedanken entsprechend, versinnbildlicht das Ensemble das statische Element, den Berg, die Aktionen des Solisten stellen den Bergsteiger dar. „Ich habe vier Schlüsselsituationen aus meinen Kletterjahren vertont, die extreme Gefühlszustände ausdrücken. Während eines Sommers sind drei meiner Freunde abgestürzt“, erzählt der Komponist. Die Momente, in denen man erwartet, dass sich der leblose Körper bewegen muss, weil man den Tod nicht wahrhaben will,  bilden ein zentrales Stilelement in „Climbing“. „Nachdem ich die schwierigste Klettertour meines Lebens erfolgreich absolviert hatte, wurde mir klar, dass ich mit dem Klettern aufhören werde.“ Die Freude über das Erfolgserlebnis des bezwungenen Berges und das Denken an neue Herausforderungen prägen den musikalischen Ausdruck des Schlusssatzes, der sich durch einen tänzerischen, energiegeladenen Groove auszeichnet.

Virtuosität und rhythmische Sprühkraft

Farbenreich und virtuos ist das Konzert für Vibrafon und Streichorchester von Wolfgang Lindner angelegt, denn er ist selbst Perkussionist und kennt die Raffinesse dieses vielseitigen Instruments genau. Außerdem hat er das Werk für den international gefeierten Perkussionisten Martin Grubinger komponiert und viel Virtuosität, Musikalität und rhythmische Sprühkraft in die Musik gelegt. „Das Vibrafon als Soloinstrument ist bislang hauptsächlich im Jazzbereich vertreten, in und mit dem ich in meinem bisherigen Musikerleben seit Anbeginn spielte. Dieses wunderbare Instrument in der neuen Musik auch solistisch zu etablieren, ist mir ein großes Anliegen“, betont Wolfgang Lindner.

Während dieses Mal eher „alte“ Kompositionen aus den Jahren 1999, 2003 und 2005 auf dem Programm stehen, ist für 2016 die Vergabe eines Kompositionsauftrages geplant. „Hierzu muss ich erklären, dass uns der Bund heuer die ohnedies spärlichen Subventionen, die wir hauptsächlich für die Aufführung zeitgenössischer österreichischen Komponisten erhalten, nochmals fast um die Hälfte gekürzt hat“, so Thomas Heißbauer. „Den Ausfall dieser Mittel mussten wir kompensieren. Eine Absage der Mitwirkung des SOV bei Texte und Töne kam für mich nicht in Frage, so haben wir diesen Kompromiss getroffen.“

Mosquitos und Michel Houellebecq

Kürzlich brachte das ensemble plus beim Festival für zeitgenössische Musik in der russischen Stadt Astrachan das neueste Werk „Mosquiitos“ von Murat Üstün zur Uraufführung. Die Besetzung mit elektrischer Viola sowie den konventionellen Instrumenten Violine und Bratsche ermöglicht außergewöhnliche klangliche Anreize, die Murat Üstün mit Vergnügen ausschöpfte und zur Geltung gebracht hat. In Russland ist das Werk mit viel Beifall aufgenommen worden, nun ist es erstmals in Vorarlberg zu hören.

Schon lange bevor der Schriftsteller Michel Houellebecq mit seinem Buch „Unterwerfung“ im deutschsprachigen Raum einem breiteren Publikum bekannt wurde und für viele Diskussionen gesorgt hat, vertonte Gerald Futscher Texte des „subversiven Provokateurs“ aus Frankreich. Bereits neun „Houellebecq-Lieder“ für Sopran und Ensembles hat Gerald Futscher komponiert, immer fasziniert vom vieldeutigen Text des Schriftstellers, der mit seiner assoziationsreichen Sprache die künstlerische Ader von genau Gerald Futscher trifft. „Frankophil war ich schon seit längerer Zeit“, sagt er und erklärt, dass ihm am aktuell vertonten Gedicht mit dem Titel “Quand la nuit se dècoupe” besonders die Poesie des Ausdrucks zu Beginn anspricht , „dann persönliche Ernüchterung und Kargheit des Ausdrucks, gleich drauf ein Hauch desolater philosophischer Anspielungen – von Schopenhauer über Nietzsche zu Einstein und Heisenberg – und dann rein in eine ‚kalauernde Zote’“, so Gerald Futscher. Auch die Besetzung für Sopran, Klavier, Harmonium und Zuspielungen mit artifiziellen „verlangsamten Vögeln“ – das sind speziell für dieses Stück entworfene, skurrile Vogelstimmenimitationsinstrumente, die mangels Personal zugespielt werden – lässt inspirierende Hörerlebnisse erwarten.

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Gesellschaft und Kultur, im November 2015 erschienen.


Factbox:

Samstag, 7. November 2015, Festival „Texte und Töne 2015, ORF Funkhaus, Dornbirn
16:00 Uhr, Eröffnung
16:15 Uhr, „Text und Musik“ – Muhammet Ali Bas und Murat Üstün; Wolfgang Mörth und Peter Herbert
17:00 Uhr, Peter Herbert – „bab“ für Fagott und Kontrabass (UA);
„Text und Musik“ – Wolfgang Mörth und Peter Herbert
Murat Üstün – „Moskquitos“ für Violine, Viola und elektrische Viola (ÖE)
18:30 Uhr, Bettina Barnay und Christoph Sietzen (Vibraphon), „Was ist Neue Musik?“, Vibraphonvorstellung
20:00 Uhr, Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Ernest Hoetzl
Peter Herbert, Kontrabass; Christoph Sietzen, Vibraphon
Werke von Peter Herbert, Wolfgang Lindner und Iris Szeghy
22:00 Uhr, David Helbock, „Masks of truth“ Modern Sonata (UA)
Christoph Linher und David Helbock


Samstag, 8. November 2015, ORF Funkhaus, 11 Uhr
11:00 Uhr, Gerald Futscher – „Quand la nuit se d´couper…“ (UA) für Sopran, Harmonium, Klavier und Zuspielungen
Fagottklasse von Allen Smith, Landeskonservatorium Feldkirch, Werke von G. Jakob, E. Rolin und G. Wolfgang
Textbeiträge von Sarah Rinderer und Max Lang