„Stundenlohn unter einem Installateur” – THOMAS DÜRRER (YOUNION) im mica-Interview

younion, die Daseinsgewerkschaft, die Sektion Musik in der HG VIII war in den letzten Monaten vielfach in den Medien. Sie plädierte für den Erhalt des traditionellen Radiosymphonieorchesters und trat mehrfach für eine faire Bezahlung von Musikerinnen und Musikern ein. Markus Deisenberger traf mit Mag. Thomas Dürrer den leitenden Sekretär der für Kunst und Kultur zuständigen HG VIII, um mit ihm über den Unterschied zwischen freien und angestellten Musikerinnen und Musikern zu reden, die Praxistauglichkeit von Fair Pay, und warum es sich als Gewerkschaft manchmal empfiehlt, im Hintergrund zu bleiben.

younion firmiert unter dem Beinamen “Daseinsgewerkschaft”. Was ist das bzw. was versteht man darunter?

Thomas Dürrer: Eine gute Frage. An und für sich ist younion, die Daseinsgewerkschaft, eine Teilgewerkschaft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Sie entstand im Juni 2009 aus der Fusion der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und der so genannten „Kulturgewerkschaft“, der Gewerkschaft für Kunst, Medien, Sport und freie Berufe. In einer Abstimmung haben wir uns damals dazu entschieden, uns fortan younion zu nennen – auch um das Kürzel wegzubekommen, das schwer auszusprechen und international schwierig zu kommunizieren ist. Mir gefällt es mittlerweile ganz gut. Und die “Daseinsgewerkschaft” heißt nicht etwa, dass wir für alle da sind, sondern die Daseinsgewerkschaft umfasst Wasser, Elektrizität, Kunst, Medien Sport freie Berufe – alles, was zum Dasein gehört.

Die Gewerkschaft younion ist in Hauptgruppen und ist in verschiedene Sektionen aufgeteilt. Sie sind leitender Sekretär der younion HG VIII (Kunst, Medien, Sport, freie Berufe). Wie sieht es in der Musik aus? Wer wird wie vertreten?

Thomas Dürrer: In der Sektion Bühne werden alle vertreten, die in Chor-Kollektivvertrag drinstecken, die Solistinnen und Solisten, die Tänzerinnen und Tänzer, Artisten und in künstlerischen Gruppe Tätigen. In der Sektion Musik, die ich schon seit langer Zeit vertreten darf, ist alles vereint, was mit dem Musikschaffen zu tun hat: Die Orchestermusikerinnen und – musiker, die Tanz- und Unterhaltungsmusiker, die Konzert- und Studiomusiker, die Komponistinnen und Komponisten, wobei man festhalten muss, dass das ein eigener fachspezifischer Bereich ist, der von Interesse und Problemstellungen nicht mit der Orchestermusik vergleichbar ist. Da geht es um ganz eigene Interessen und Probleme.

Der Hintergedanke der Altvorderen bei dieser Einteilung war, dass sich die anfallende Arbeit in jeder Fachgruppe ordentlich und auf die jeweilige Gruppe zugeschnitten erledigen lässt – mit teilweise ganz anders ausgestalteten Verträgen. Das kann man nicht in einem Topf zusammenwerfen, weil es große Unterschiede gibt.

Etwa zwischen Komponisten und Orchestermusikern?

Thomas Dürrer: Genau. Ein Komponist lebt von Auftragswerken und ist abhängig davon, was er für ein Auftragswerk verlangen kann. Da gibt es keine einheitlichen Vertragsgestaltungen oder Mindestgagen, die man einem jungen Komponisten empfehlen könnte. Der Orchestermusiker hingegen steckt in einem Branchenkollektivvertrag drin. Da gibt es wiederum in der Orchesterlandschaft einen Unterschied zwischen einem Opern- und einem Konzertorchester, weil die Wr. Symphoniker als Konzertorchester und mittlerweile auch Opernorchester andere Bedingungen und Spielstätten haben als in der Staatsoper und in der Volksoper. Das spiegelt sich in den verschiedenen Kollektivverträgen wider: Dass es verschiedene Arbeitsbedingungen gibt. Komponistinnen und Komponisten kann man arbeitstechnisch also nicht mit Orchestermusikerinnen und -musikern gleichbehandeln.

Es gibt angestellte und freie Orchestermusikerinnen und -musiker. Können Sie angestellten besser helfen als freien?

Thomas Dürrer: Natürlich können wir den Angestellten besser helfen, weil sie arbeitsrechtlich abgesichert sind. Der freie Musiker und die freie Musikerin, die wir auch organisiert haben, unterliegen hingegen dem freien Markt. Es gibt keine wirklich rechtsverbindlichen Mindestgagen-Bedingungen. Wir haben uns seit Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass es einen Mindesttarif gibt, weil wir oft erlebt haben, dass junge Studentinnen und Studenten oder sogar schon fertig Ausgebildete abends in den verschiedensten Locations um 40 Euro oder dergleichen spielen, zu Dumping-Preisen also. Nur einer verdient dabei viel Geld: Der Veranstalter, eventuell auch der Dirigent. Aber die, die dort spielen, haben nicht viel davon und müssen schauen, dass sie überleben können.

Mir der Fair Pay-Initiative, die sich im Bund und in Wien entwickelt hat, ist es besser geworden. Wir haben uns als Gewerkschaft schon vor zehn, zwölf Jahren an Mörbisch aufgerieben, weil Auftritte wirklich schlecht bezahlt wurden, obwohl dort durch die Bank Profis spielten.

Vor einigen Jahren gab es deshalb einen Eklat.

Thomas Dürrer: Genau. Da haben wir uns eingesetzt, aber es ist uns ein wenig auf den Kopf gefallen, weil es dann hieß: „Okay, ihr bekommt zwar mehr Geld, aber dann müsst ihr euch von dem Geld auch selbst versichern.” Vorher bekamen die Musikerinnen und Musiker weniger und die Versicherung war inkludiert. Es hat alles immer zwei Gesichter. Aber mit Fair Pay ist zum ersten Mal in einer Gesellschaft, in der Freie arbeiten und schaffen, festgehalten worden, dass die nicht per se schlechter sind als Angestellte und daher auch nicht schlechter zu bezahlen sind. Es gibt ja hervorragende freie Musikerinnen und Musiker. Wir sind dabei bisher immer am Grundsatz der freien Marktwirtschaft gescheitert. Das Sozialministerium hat sich bemüht, kam aber nicht durch. Seit der Pandemie aber wurde man hellhöriger, weil man gesehen hat, dass es sehr wohl Menschen gibt, die durch alle Auffangschirme fallen. Durch die Pandemie hat sich da – eine der wenigen positiven Auswirkungen – ein neues Bewusstsein gebildet. Aber dieses Bewusstsein ist schon wieder ein wenig verwässert, weil man leider allzu schnell vergisst. Aber Fair Pay ist eine sehr, sehr wichtige Entwicklung.

Es geht also in die richtige Richtung?

Thomas Dürrer: Auf jeden Fall.

Angesichts der veröffentlichten Mindestgagen hat neulich ein Veranstalter in den sozialen Medien Folgendes vorgerechnet: „Eine 5-köpfige Wiener Band sollte 2.000 Euro bekommen, eine 5-köpfige internationale Band 4.100 Euro. Da reden wir aber nicht von Nebenkosten etc. Wir verlangen jetzt für die Wiener 15 Euro, d.h. bei z.B. vierzig Zahlenden kommen da 600 Euro rein. Bei den internationalen verlangen wir 20 Euro, es kommen fünfzig Leute, also haben wir 1.000 Euro eingenommen. Das ergibt einen Verlust von 1.400.- bzw. 3.100.- Euro.” Er zieht die (nicht ganz ernst gemeinte) Conclusio: „Wir veranstalten nur mehr Acts, die aus einer Person bestehen. Oder wir nehmen einen Kredit auf und verarmen rasch.” Oder es greift eine dritte Möglichkeit, wie ich ergänzen möchte: Die Förderungen werden dementsprechend erhöht. Was meinen Sie?

Thomas Dürrer: Es kommt immer darauf an, von wem man redet. Es gibt Veranstalter, die riesige Konzerte veranstalten und Kartenpreise bis zu 220 Euro abrufen, und diese Preise werden auch bezahlt. Da verdienen sich die Bands dumm und dämlich, und für den Veranstalter bleibt auch noch genug. Wenn ich hingegen von einem kleinen Szenelokal rede, ist es natürlich schwieriger, aber es gibt – und das ist meine Antwort – mittlerweile genug Förderstellen. Die Klein- und Kleinstszene verdient es gefördert zu werden, und da gibt es auch Geld, das gerne hergegeben wird. Als Veranstalter muss ich firm sein und mich schlau machen, wo ich Geld lukrieren kann, um gute Künstlerinnen und Künstler aufzustellen und trotzdem Geld zu verdienen. Die Darstellung, die Sie zitieren, ist gewagt, weil wir in der Szene nicht so schlecht dastehen, auch in den kleinen Locations nicht. Das ist vielleicht nicht vergleichbar, aber auch der Reigen ist nicht besonders groß, veranstaltet aber tolle Konzert quer durch alle Genres. Mit einer entsprechenden Förderung geht das schon.

Sind die Preise, d.h. 2.000 Euro und 4.100 Euro für eine 5-köpfige heimische bzw. internationale Band denn realistisch? Ich bin mir nicht sicher, ob das die letzten zehn Jahre irgendeiner Band auch nur annähernd bezahlt wurde.

Thomas Dürrer: Wenn ich subventioniert werde, ist es realistisch, aus eigener Tasche wohl nicht.

Das heißt wiederum, es wird auf die Fördergeber ankommen, damit diese Gagen auch wirklich verrechnet werden können?

Bild Mag. Thomas Dürrer
Bild (c) Mag. Thomas Dürrer

Thomas Dürrer: Ja, natürlich. Die nachkommende Jugend kann man nur fördern, indem man ihnen Auftrittslokale zur Verfügung stellt. Natürlich gibt es auch immer wieder Gigs, die man als Band auf sich nimmt, um bekannter zu werden. Das heißt aber nicht automatisch, dass man nichts verdienen soll. Für eine fünfköpfige Band 2.000 Euro? Da wissen wir auch alle, was das bedeutet: Ich muss das Equipment hintragen, ich muss hinkommen, ich muss aufbauen. Das ist eine Arbeit von mehreren Stunden, bis ich überhaupt spielbar bin. Vielleicht muss ich mich noch einspielen, jedenfalls aber gibt es einen Soundcheck.

Wenn ich die Arbeitszeit pro Gig zusammenrechne, dann komme ich auf einen Stundenlohn, der weit unter dem liegt, was ich einem Installateur bezahlen muss, den ich am Wochenende hole.

Was sind sie aktuellen Herausforderungen, vor denen sie in der Sektion Musik stehen?

Thomas Dürrer: Ich versuche das zu strukturieren: Da wäre erstens einmal die Streaming-Problematik. Grob gesprochen hat jeder ein Handy, und jeder zahlt für das Handy eine verwertungsrechtliche Abgabe, auch für den Laptop, für alle Speichermedien also. Jede und jeder hört Musik, quer durch die Bank, aber es kommt kaum etwas bei den Künstlerinnen und Künstlern, die gestreamt werden, an. Das ist aber ein ganz großer Bereich. Was den Fachbereich Kollektivverträge angeht: Wir hatten in den letzten zwei Jahren immense Gehaltserhöhungen. Langfristig muss daher überlegt werden, wie das mit den Subventionen für große Häuser zu verknüpfen ist. Wir haben vor der Pandemie zwanzig Jahre lang gehört, dass wir sparen, sparen und noch mal sparen müssen. Jeder Cent wurde in den Kulturbetrieben umgedreht. Die bombastischen Aufführungen, die es gibt, kosten aber Geld. Die Energiepreise sind auch gestiegen. Die Frage ist also: Wie halten wir die Lohnkosten? Und wie können wir Arbeitsplatzschwund vermeiden? Das ist ein Thema, das die Orchester angeht. Es geht aber auch die Freien an, weil Veranstalter genauso von Energiepreiserhöhungen betroffen sind. Muss ich höhere Kartenpreise fordern, um die Steigerungen abzudecken, und den Künstlerinnen und Künstlern mehr zahlen? Das ist ein Bereich, der mit viel Phantasie durchdacht werden muss. Die Ausverkaufsraten sind sehr hoch, ob das jetzt AC/DC sind oder die Salzburger Festspiele. Dass weniger Leute kommen, war nach der Pandemie die größte Sorge. Die hat sich gottseidank nicht bewahrheitet. Der Kartenverkauf ist immens gut, obwohl die Karten teurer geworden sind. Fragt sich, wie lange noch.

Warum ist er noch immer gut, trotz Teuerungen?

Thomas Dürrer: Ich glaube, dass die Leute Kunst einfach brauchen.

In der Krise greift man nach Kultur?

Thomas Dürrer: Ja. Das war nach dem Krieg schon so. Die Preise in Kunst und Kultur sind teurer geworden, sie sind aber trotzdem noch verkaufbar. Das ist eigentlich unbegreiflich, denn wenn es teurer wird, wird normalerweise zuallererst beim Vergnügen eingespart.

Was muss ich als Musikerin und Musiker tun, um bei Younion Mitglied zu werden?

Thomas Dürrer: Die meisten erkundigen sich einmal, was wir so tun oder hören es von anderen Mitgliedern. Manchmal bekomme ich Anmeldungen aber einfach hingelegt, das freut mich auch. Wir bemühen uns redlich, deshalb gibt es entsprechende Mundpropaganda.

Wie sieht das Tagesgeschäft aus?

Thomas Dürrer: Das ist ein sehr breites Spektrum. Das geht von Anfragen über Arbeitsbedingungen – ob das ein Dienstvertrag beim Film ist, der einen 12-Stunden-Tag vorsieht und der- oder diejenige wissen will, wann er/sie einen Tag Freizeit bekommt; ob er/sie nach fünf Tagen einen Ausgleich verlangen kann – über Metoo-Themen, Sozialversicherungsfragen, steuerliche Probleme, Rechtsberatungen zu Vertragsabschlüssen, ausständigen Honoraren und Betriebsratswahlen. Aber auch Fragen zu Urheberrechten und Leistungsschutzrechten bekommen wir.

Aber Sie können sich nicht um alles kümmern, nehme ich an?

Thomas Dürrer: Wir haben auch eine Rechtsschutzabteilung, in der zwei Jurist:innen arbeiten. Es gibt Rechtberatungs-Jour Fixes, in denen die Fälle besprochen werden. Falls es strittig wird, gibt es die erste Instanz, die wir strittig führen.

Das wird voll abgedeckt?

Thomas Dürrer: Ja. Nach der ersten Instanz wird dann beraten, ob die zweite Instanz etwas bringt oder nicht. Dann geht es u.U. weiter. In den meisten Fällen aber ist die erste Instanz ausreichend. Auch Verwertungsrechte decke ich ab. Wenn es zu kompliziert wird, gibt es anwaltliche Unterstützung.

Das heißt, der Komplexitätsgrad der Anfragen geht von simplen Problemen über Gagen und Gagenhöhen bis zu komplexen urheberrechtlichen Problemen?

Thomas Dürrer: Ja, das ist höchst unterschiedlich und auch davon abhängig, von welcher Gruppe ich angerufen werde. Wenn ich von Freien angerufen werde, geht es meistens um zweierlei: Entweder um einen Vertrag, der unterschrieben wurde, was meistens bedauerlich ist, denn es hätte in den meisten Fällen natürlich Sinn gemacht, sich schon vorher an uns zu wenden, d.h. bevor ein Vertrag unterschrieben wurde. Teilweise wurden da auch schon Sachen unterschrieben, die so nicht stimmen, etwa ein Werkvertrag für vier Auftritte und Proben. Das kann schon mal definitorisch kein Werkvertrag sein. Und das Geld stimmt auch nicht, und die Arbeitszeit auch nicht etc. Und dann gehen sehr viele Anrufe auch in die Richtung: Ich arbeite zu viel, bekomme zu wenig Geld dafür. Warum ist das so?

Warum ist das so?

Thomas Dürrer: Weil sich die meisten Leute in dieser Branche zu wenig auskennen und auch gültige Kollektivverträge nicht lesen. Da braucht es Geduld, um in eiligen Situationen zu beraten.

Ungerechtigkeiten anzugehen und sich an eine Institution wie younion zu wenden, setzt das Überwinden einer gewissen Barriere voraus. Vielfach regiert die Angst, der freie Markt könnte dafür sorgen, dass man als “schwierig” gebrandmarkt wird und keine Aufträge mehr bekommt. Wie erleben Sie das in der täglichen Beratung?

Thomas Dürrer: Ganz einfach. Wir bitten in solchen Fällen, zuerst einmal nicht zu sagen, dass man beraten wird. Mit dem Plakat, gewerkschaftlich beraten zu werden, geht man besser nicht in ein Gespräch. Die Arbeit läuft also vielfach im Hintergrund. D.h. die von uns Beratenen wissen, wie sie sich verhalten sollen und dass sie erst einmal nicht gleich unterschreiben.

Das Ganze läuft also verdeckt?

Thomas Dürrer: Ja, man will den Menschen ja helfen und nicht schaden. Da ist man bei Einzelkämpferinnen und -kämpfern als Gewerkschaft oft im Hintergrund besser aufgehoben. Wir können in diesem Bereich eine super Beratung anbieten, die dazu führen kann, dass man ganz anders aufgestellt ist. Aber wenn ich einen Kollektivvertrag habe, habe ich natürlich auch eine gewisse Macht. Da habe ich einen organisierten Betrieb mit einem Betriebsrat und Betriebsräten, die sich auskennen.

Das heißt, im Angestelltenbereich seid ihr präsenter, im freien Bereich agiert ihr mehr im Hintergrund?

Thomas Dürrer: Genau. Oder sagen wir so: Wir sind im freien Bereich schon präsent, aber nicht bei dem, der das Geld gibt. Im Film ist es ein bisschen leichter. Da haben wir einen Kollektivvertrag und einen Partner, die Wirtschaftskammer nämlich, dem man ins Gesicht schauen kann und u.U sagen kann: Freunde, so geht es nicht.

In letzter Zeit wird auch über einen Kollektivvertrag für die freie Szene diskutiert.

Halten Sie das juristisch überhaupt für möglich?

Thomas Dürrer: Möglich ist vieles, nur müsste es der Gesetzgeber erlassen. Denn für einen Kollektivvertrag brauche ich einen Partner. In der WKÖ haben wir die neuen Selbständigen geboren…

…die dort aber zum Teil nicht vertreten sind. Als Journalist etwa bin ich neuer Selbständiger, die WKO ist aber nicht zuständig für mich, was einigermaßen absurd ist, weil ich ja Wirtschaftstreibender bin.

Thomas Dürrer: Natürlich ist das absurd. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe Kollektivvertragspartner in der WKO, die sich sehr schätze, aber die Idee der Neuen Selbständigen, wurde – lassen Sie es mich so formulieren – alles andere als optimal umgesetzt. Und jetzt gibt es europäische Bemühungen, darüber nachzudenken, wie man alle Freien in einen großen Kollektivvertrag bringen kann. Ja, schön und gut, aber wer ist der Partner? Mit wem verhandle ich? So lange ich kein Gegenüber habe, kann ich auch keinen Kollektivvertrag aushandeln. Ich kann Berufsgruppen nur dort mit Mindesttarifen versehen, wo ich einen Partner habe. Und die WKO wäre ein Partner, aber es sind – wie sie richtig angedeutet haben – nicht alle Freien dabei. Das ist ein ungelöstes Problem.

Ist metoo in der Musik ein Thema?

Thomas Dürrer: In der Musik bin ich bis auf zwei, drei Fälle nicht involviert gewesen. Im Film ist das Thema viel virulenter als in der Musik.

Der Fall Anne Eck hat gezeigt, dass es in der musikalischen Zusammenarbeit allerdings leicht zu toxischen Machtkonstellationen und Abhängigkeitsverhältnissen kommen kann. Wäre solch ein Fall, in dem es eine gemeinsame kreative Arbeit ein jähes Ende findet und sich Fragen der Abwicklung ergeben, ein Fall, in dem mir die Gewerkschaft helfen kann?

Thomas Dürrer: Natürlich, aber man wünscht sich solche Fälle nicht allzu oft, weil das sehr teuer werden kann, wenn es sich entwickelt. Da muss man einschränken, worum es vorrangig geht. Um Verdienstentgang, Verwertungsrechte etc. Wir würden uns solch eines Falles sehr wohl annehmen, aber nicht was die haftungsrechtlichen Fragen der Gesellschaft anbelangt. Aber um noch einmal auf die metoo-Problematik zurückzukommen: Wir sind nicht die Stelle, die das ausverhandelt. Da gibt es mittlerweile Vera, die Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport, und die Beratungsstelle „We Do“. Diese beiden Stellen haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Erst neulich war die Vertreterin von “We do” in der TV-Diskussion mit Paulus Manker.

Und er fragte sie, ob sie überhaupt für ihn zuständig sei, weil “We do” sich primär für Filmschaffende einsetze…

Thomas Dürrer: Das möchte ich jetzt nicht kommentieren. Aber was ich kommentieren möchte, ist, dass man bei allen Missbrauchsfällen in die Tiefe gehen und mit großer Vorsicht und viel Gefühl vorgehen muss. Das ist in der Regel ein langer Prozess.

Können Sie zum Abschluss noch einen kurzen Ausblick in die Zukunft geben?

Thomas Dürrer: Gern. Wie gesagt bleibt Streaming ein brennendes Thema.

Was braucht es da?

Thomas Dürrer: Ein funktionierendes Gesetz, das eine adäquate Entlohnung für die Nutzung vorsieht.

Das Zweite ist: Wir müssen Bedingungen schaffen, die es jungen, freien Musikerinnen und Musikern ermöglicht, von der Musik leben zu können. Und wir müssen im Auge behalten, wie sich das Urheberrecht, der Schutz des Kreativen durch KI-Einfluss entwickelt. Ob das Journalismus, Musik, Schauspiel ist oder ob es um Nachahmungen von Gesichtern, Sprache etc. geht – da ist eine Entwicklung im Gange, bei der man extrem aufpassen muss und zwar quer durch alle Bereiche und Genres. Und – jetzt werde ich eher philosophisch – wir müssen uns überwinden, positiv in die Zukunft zu schauen und daran zu glauben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

++++

Link:
younion – Die Daseinsgewerkschaft