„Alle, die Musik machen und so ein Projekt starten, wissen, wie viel Arbeit drinsteckt“ – STEFAN FRANKENBERGER (MORGEN ES WIRD SCHOEN) im mica-Interview

Vor fast drei Jahrzehnten gegründet und mit der 1992er-EP „false stars” quasi bereits in den Starlöchern, lösten sich MORGEN ES WIRD SCHOEN ohne Begründung plötzlich von einem auf den anderen Tag auf. Eine abrupt beendete Bandgeschichte, die aber vor wenigen Jahren ihre Fortsetzung fand und vor Kurzem mit dem Debütalbum „Capriole“ (Label77) in beeindruckender Weise ihren ersten ganz großen Höhepunkt fand. STEFAN FRANKENBERGER, der das Erstlingswerk quasi im Alleingang geschrieben hat, sprach mit Michael Ternai über die Idee, die hinter dem Projekt steckt, den von ihm so geschätzten großen musikalischen Bogen und seine verspäteten ersten Schritte in der Musik. 

Wie ist es eigentlich zur Wiederbelebung von morgen es wird schoen gekommen? Wer hatte die Idee, das Projekt nach so vielen Jahren erneut zu starten?

Stefan Frankenberger: Die Idee geht im Grunde genommen auf meine Bekanntschaft mit Peter Obroni und Dirk E. Schaetzler zurück. Sie sind vor ein paar Jahren mit der Bitte an mich herangetreten, das Projekt weiterzuführen. Gleichzeitig haben sie mich aber auch darum gebeten, mir damit noch ein paar Jährchen Zeit zu lassen, was letztlich dazu führte, dass sich die Dinge dann doch etwas anders entwickelt haben. Die ganze Geschichte nahm – vor allem musikalisch – einen anderen Lauf, als es ursprünglich angedacht war. Die ersten Ideen zu Songs stammen ja von den beiden. Mit der Zeit sind aber immer mehr meiner eigenen Ideen hinzugekommen, sodass die Musik jetzt zwar auf der Idee der beiden basiert, sie im Prinzip aber meine ist.

Wenn die Musik jetzt im Grunde genommen Ihre ist, wo lässt sich dann die Linie hin zu den alten Sachen von morgen es wird schoen ziehen? 

Stefan Frankenberger: Ich würde sagen, es ist die Musik selbst, die die Verbindung herstellt. Sie klingt so, als wäre sie vor zwanzig Jahren gemacht worden oder als würde sie in zwanzig Jahren gemacht werden. Sie hat keine zeitliche Verortung wie die Musik, die man heute in den Radios hört.
Es ist diese Zeitlosigkeit, die die Spange zu damals bildet. Sie ist aus einer alten Idee entstanden und verhält sich so ähnlich wie ein guter Wein, der mit dem Alter immer besser wird. 

Bild (c) morgen es wird schoen

„Ich orientiere mich beim Musikmachen an der Zeit, in der noch mit großen Bögen gearbeitet wurde.“

Das heißt, Sie orientieren sich jetzt nicht unbedingt an dem Sound, der aktuell angesagt ist.

Stefan Frankenberger: Ich muss sagen, dass ich bei der Popmusik von heute manchmal den Faden verliere. Sie ist mir – wie auch viele Videos, die heutzutage mit der Jump-Cut-Technik gemacht werden – einfach zu schnell. Ich orientiere mich beim Musikmachen an der Zeit, in der noch mit großen Bögen gearbeitet wurde. Das Singer-Songwritertum war damals noch getragen von der ganzheitlichen Idee, dass ein Song, ein Album oder sogar ein Albumzyklus von einem Bogen getragen wird. Mein Ansatz ist, aus einer Ursprungsidee heraus etwas Ganzheitliches, das einer gewissen Dramaturgie folgt, zu schaffen.

Sie haben sich also bewusst Zeit genommen, um die Songs richtig auszuarbeiten. Ein heutzutage eher seltener Luxus.

Stefan Frankenberger: Bei diesem Album habe ich diesen Luxus einfach gebraucht. Ganz einfach auch, weil ich mit diesem ein Statement abgeben wollte, eine Art musikalischen Monolithen, die viele unterschiedliche Sprachen spricht. Ja, und das hat einfach Zeit gebraucht.

Bei späteren Outputs werde ich mit dem Zeitfaktor sicher anders umgehen müssen, weil dann vonseiten des Labels und anderer Leute mit Sicherheit Deadlines und Ähnliches kommen werden. Was aber für mich auch kein Problem darstellt, denn eine begrenzte Zeit gibt letztlich auch einen gewissen musikalischen Rahmen vor.

Wie lange haben Sie eigentlich an „Capriole“ gearbeitet?

Stefan Frankenberger: Lang. Brutto waren es sicher fünf Jahre, netto kann ich es gar nicht einmal wirklich sagen. Ich habe eigentlich durchgehend daran gearbeitet, einmal mehr, einmal weniger intensiv, wobei sich das Pensum zum Ende hin klarerweise deutlich gesteigert hat. 

Die generelle Idee, aus diesem Projekt ein Album zu machen, reicht noch weiter zurück. Manche Songs, die auf dem Album zu finden sind, sind vor wirklich langer Zeit entstanden. „Sad eyed Man“ zum Beispiel wird heuer 20 Jahre alt.

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Ein wirklich herausragender Song übrigens.

Stefan Frankenberger: Aber auch der ist erst durch Mani [Obeya; Anm.] zu dem geworden, was er heute ist. Er sorgt mit seiner Stimme für diese Schwere, diesen Blues, dieses Dunkle. Ich habe den Song in den ersten Versionen eigentlich viel schneller gespielt. Er hat sich dann über die Jahre mehr und mehr entschleunigt, sodass er jetzt fast schon um 20 bpm langsamer ist.

„Hätte ich für das Album weniger Zeit gehabt, würde es mit Sicherheit auch anders klingen.“

Sie haben in den Jahren bestimmt viel ausprobiert, herumexperimentiert und viele Dinge wieder verworfen. Inwieweit spielt bei Ihnen Perfektionismus eine Rolle? 

Stefan Frankenberger: Ein Perfektionist bin ich eigentlich keiner. Aber wenn ich Zeit habe, dauern die Dinge meistens einfach länger. Hätte ich für das Album weniger Zeit gehabt, würde es mit Sicherheit auch anders klingen. Dann gäbe es da und dort wahrscheinlich ein Instrument weniger, und auch der Sound wäre vermutlich ein weniger rauer und spontaner. Jetzt klingt die Musik eben sehr durchdacht, komplex und verwoben.

Inwieweit haben auch andere die Möglichkeit gehabt, sich am Songwriting zu beteiligen?

Cover “Capriole”

Stefan Frankenberger: Auf „Capriole“ ist zwar alles von mir, aber natürlich haben die Interpretinnen und Interpreten insofern mitgeschrieben, indem sie mitgespielt haben. Es gab konkrete Vorgaben, aber sie haben die Dinge dann definitiv anders interpretiert, als ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Mani, Fredi [Themel; Anm.] und Alex [Atschimov; Anm.] singen einfach so, wie sie singen. Und je länger und intensiver sie sich mit einem Song befassen, desto mehr rücken sie dann auch von der Ursprungsversion und Grundidee ab. Aber das war auch erwünscht, denn genau dadurch ist die ganze Sache lebendig geworden.

Wie sah Ihre musikalische Sozialisation eigentlich aus? Aus welcher musikalischen Ecke kommen Sie?

Stefan Frankenberger: Musikalisch komme ich eigentlich aus der Provinz. Und das nicht nur musikalisch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Als Kind und Jugendlicher war ich eigentlich mit wenig Musik konfrontiert. Da ich mit meiner Familie irgendwo im tiefen Wald lebte, lief bei uns im Fernseher kein MTV. In diesen Jahren stellten ein paar wenige Platten und das wenige, das ich aus meinem Umfeld mitbekommen habe, meine Verbindung zu Musik dar.
Entfacht wurde meine musikalische Leidenschaft durch den Grunge Anfang der 1990er-Jahre. Ich war einer der ersten in meiner Umgebung, der das Album „Nevermind“ besaß. Und das noch zu einer Zeit, in der noch kaum jemand etwas von Nirvana gehört hat. Ein halbes Jahr später wollten dann alle, dass ich ihnen die Platte auf Kassette überspiele.

Dieses Ereignis führte dazu, dass ich mich ernsthaft mit Musik zu beschäftigen begann, einerseits mit der damals aktuellen Musik, andererseits auch mit der bereits vermeintlich älteren. Mich interessierte einfach, woher die Musik meiner damaligen Zeit kam, woraus sie sich entwickelt hat. Auf diesem Weg bin ich am britischen und amerikanischen Rock angestreift. Später kamen dann noch amerikanischer Hip-Hop und aus Studiengründen die Klassik hinzu.

Aber natürlich blieben immer noch genügend weiße Flecken. Mit dem Punk, der eigentlich dem Grunge am nächsten gewesen wäre, bin ich zum Beispiel erst sehr spät in Berührung gekommen. Erst als ich diesen entdeckt habe, wurde mir klar, wo die Wurzeln des Grunge tatsächlich liegen. 

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Ist morgen es wird schoen als langfristiges Projekt angelegt? Wird die Geschichte der Band weitergehen?

Stefan Frankenberger: Ich hoffe schon sehr, dass die Geschichte weitergeht. Alle, die Musik machen und so ein Projekt starten, wissen, wie viel Arbeit drinsteckt. Und zwar nicht nur zeitlich, sondern auch energetisch und nervlich. Es geht schon an die Substanz, so ein Ding durchzuziehen, und da möchte man natürlich, dass dieser Faden auch weitergesponnen wird. Schön wäre es natürlich, wenn man vom Publikum eine positive Resonanz bekäme, weil genau eine solche einen auch weiterpusht. Wenn das passiert, dann hat man auch wieder Energie geschöpft, um diesen Weg weiterzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

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