stART – Festival neuer Musik

Das biennale “stART – Festival neuer Musik” (eine Koproduktion von oenm und ARGEkultur) hat sich nach den Themen “Artfremd” (2009), “Der Tribun – Hot Spots” (2010) und “Utopien” (2012) für heuer das Thema “no formation” vorgenommen.

Seit 2009 hat stART dabei ein ganz spezielles Produktionsprinzip entwickelt, bei dem Neue Musik als Teil eines interdisziplinären Projekts fungiert. Für die Salzburger ARGEkultur wie für das oenm als TrägerInnen von stART geht es dabei vor allem um jene Potentiale, die gerade dann entstehen können, wenn zeitgenössische, aktuelle Musik in wechselnde und stets neue Kontexte versetzt wird. Deshalb wurde auch für das stART 2014-Thema “no formation” ein Produktionsteam zusammengestellt, welches Neue Musik, bildende Kunst und Choreografie zusammenführt.

Bei „no formation“ geht es im Grunde um den alltäglich ansteigenden “Information Overkill”, bei dem aus jedem Ereignis auf unserem Globus sogleich eine Nachricht gemacht wird. Egal ob klassische Fernsehnachrichten oder Tweets und Postings, die Zahl der Informationen scheint täglich grenzenlos. Aber wie verbreiten sich diese Informationen überhaupt? Welche Wege nehmen sie und wie (von wem) werden diese Verläufe von Informationen gesteuert? Die stART Produktion 2014 versucht nun all diese Fragen zu thematisieren. „no formation“ versteht sich daher als “ein musikalisches Experiment, welches Bewegung und Stillstand der Information inszeniert.”

Mensch versus Maschine

Aus dem Programmheft. “Die Spielanordnung: Zwei Performerinnen, drei Musiker und eine Kugelbahn. Als Ausgangspunkt dient eine Vorstellung von Information, verstanden als dynamisches System, welches permanenter Formung, Umformung und Modulation unterworfen ist. Dabei ist nicht immer eindeutig, wer was oder wen bedingt. Eine kinetische Maschine, drei Musiker und zwei Darstellerinnen verbinden sich auf diese Weise zu einem ästhetischen Instrument und werden zum Ausdruck eines klingenden Beziehungsgeflechts, eines akustischen Organismus.
Jede Kugel birgt eine neue musikalische Information und neue spielerische Möglichkeiten, zu denen sich die DarstellerInnen verhalten müssen. Der Kontakt zwischen Kugeln, Bahn und Darstellerinnen manipuliert die akustische Information. Das Verhältnis der Körper und der Musik zur Bahn wird immer wieder neu definiert. Die Machtverhältnisse verschieben sich, doch wem gelingt es, die Oberhand zu gewinnen? Mensch oder Maschine?”

Der interdiziplinäre Ansatz ist dabei gerade bei diesem Thema gut gewählt, kennzeichnet sich doch das 21. Jahrhundert bisher vor allem auch durch eine Unmenge an produzierter Informationen aus, die mittlerweile beinahe alle Lebensbereiche durchdringen. Informations- und Kommunikationstechnologien stellen uns somit vor große Herausforderungen im Umgang mit diesen Informationen. Es ist nicht möglich, alle Informationen aufzunehmen, es ist aber auch unmöglich, selbstständig eine Selektion durchzuführen.

Zwar nehmen traditionelle Informationsmedien wie Print und TV diese Selektion vor und entscheiden in ihren jeweiligen Redaktionsräumen, welche Informationen uns erreichen und welche nicht erreichen (als “part of the game” bei dem es um Wettbewerb, Auflage und Quote geht).

Daneben liefern jedoch die neuen Informationstechnologien einen Fluss von scheinbar unendlich vielen Informationen (auch von solchen, die von den traditionellen Informationsmedien ignoriert werden). Viele NutzerInnen des Internets werden so auch zu ProduzentInnen von Informationen. Zu ProsumerInnen.

Jetzt gibt es zwar die Selektion der Suchmaschinen, aber wie mit der unregulierten  Informationsflut selber umgehen? Welches „Ge-twitter“ verfolgen wir, welchen Facebook- Eintrag “Liken” wir, welche Informationen teilen und schicken wir weiter? Kurz: Wie sieht unser Umgang mit den neuen Medien überhaupt aus? Welche Entscheidungen können wir dabei überhaupt noch selber fällen und welche sind schon längst in den Händen anderer (z.B. der NSA)?

Trau keinem Posting

Gerade dort, wo Gesellschaften Meinungsmacher_Innen und Medien kontrollieren, werden diese neuen Medien besonders relevant, wenn es um unabhängige und nicht zensierte Informationen geht. Aber auch dort, wo Medien- und Pressefreiheit gesetzlich garantiert sind, kommt dem freien Fluss von Informationen eine besondere Bedeutung zu, um öffentliche Meinungsbildungen zu ermöglichen und eine unabhängige Kontrollfunktion in der Demokratie einzunehmen. Wozu auch die gerade sehr aktuellen Fragen nach dem Umgang mit “Hate-Postings” und “shitstorms” gehören: was ist Wahrheit, was Lüge, was wahrhaftig, was fake?

Die stART Produktion 2014 stellt sich die Frage, wie Information verbreitet wird, welche Wege sie nimmt und welche nicht. Unabhängig von der Frage, welche Qualität Information hat, kann sie nur Relevanz erhalten, wenn sie verwertet wird.

Als Komponist fungiert dabei heuer der 1984 in Tirol geborene Marco Döttlinger (er war auch schon 2012 beim stART als Komponist tätig). Er studierte Komposition und Musiktheorie bei Christian Ofenbauer (Salzburg), F. Durieux (Paris) und Georg Friedrich Haas (Basel) und ist derzeit als künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studio für Elektronische Musik (SEM) der Universität Mozarteum beschäftigt. Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens ist die Integration computergestützter Verfahren im Bereich zeitgenössischer Musik. Sein bisheriges Werk repräsentiert verschiedene Genres, darunter reine Instrumentalkompositionen, elektroakustische Werke sowie Live-Elektronik-Performances, Klanginstallationen und visuelle Musik. Döttlinger war in diesem Jahr auch zufällig Teil der 20-Jahre-mica Feierlichkeiten: er war der 1.000ste Komponist der in die music austria Musikdatenbank eingetragen wurde.

Didi Neidhart

 

 

stART 2014 „no formation“ – Eine musikalische Installation (Uraufführung)

Fre,12.09.2014 – 20.00 (Uraufführung)
Sam,13.09.2014 – 20.00
Mit,17.09.2014 –  20.00

Komposition: Marco Döttlinger
Inszenierung: Julia Wissert
Darstellerinnen: Sofia Papanikandrou, Luna Cenere

Es spielt das oenm:

Fritz Kronthaler: Klarinette und Saxophon
Sasa Dragovic: Trompete und Flügelhorn
Rupert Struber: Percussion
Konzeption: Marco Döttlinger, Julia Wissert und Markus Grüner-Musil

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