Dieses Porträt von Maximilian Hassler entstand im Zuge der Lehrveranstaltung „Ästhetischer Diskurs, Reflexion, Kritik: Schreiben und Sprechen über Neue Musik“ von Monika Voithofer im Wintersemester 2022/23 am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien und wird als Teil einer Kooperation mit mica – music austria hier im Magazin veröffentlicht. Für diese Aufgabenstellung konnten die Studierenden frei eine aufstrebende Persönlichkeit aus dem Bereich der neuen Musik wählen.
Für sein Alter von 21 Jahren hat dieser Komponist Philipp Gaspari schon einiges erreicht. Verschiedene Preise und beinahe zwanzig Aufführungen seiner Werke schmücken seinen Lebenslauf. Der österreichische Komponist Philipp Gaspari wurde 2001 in Graz geboren. Sein erster Kontakt mit Musik waren zwei Unterrichtseinheiten im Klavierspiel, die er im Alter von sechs Jahren erhielt. Damals fand er keinen großen Gefallen daran, deshalb kam es zu keinem weiteren Unterricht. Nachdem er als etwa Zwölfjähriger begann, Melodien am Klavier nachzuspielen, nahm er erneut Klavierunterricht. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die einzigen musikalischen Erlebnisse, abgesehen von seinen frühen Versuchen am Klavier, wenige Opernbesuche. Die Initialzündung zu komponieren kam dem damals 14-Jährigen während eines Tenniscamps in Kroatien. Dort fiel ihm plötzlich eine Melodie ein, die er später zu einer kleinen Klaviersonate ausarbeitete. Da er jedoch zuvor noch nie Musik aufgeschrieben hatte, half er sich mit einem virtuellen Notenprogramm. Es folgten weitere Sonaten, die alle im Stile Beethovens gehalten sind. Als Resultat dieser Kompositionsversuche besuchte er zwischen 2016 und 2021 den Kompositionslehrgang an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (KUG) bei Helmut Schmidinger. Schmidinger führte den jungen Komponisten durch die verschiedenen Musikwelten, ohne sich jemals über eine Stilrichtung abschätzig geäußert zu haben. Gaspari genoss an dieser Zeit besonders den Umstand, dass Schmidinger nie versuchte, den Schülern „seine eigenen Ideale aufzuzwingen“, daher war das kompositorische Schaffen des Lehrers auch im Unterricht nie relevant. Aufgrund dieser Unterrichtsweise können sich seine Schüler sehr individuell entwickeln. Mittlerweile studiert Gaspari Komposition im Vorbereitungslehrgang bei Clemens Gadenstätter. Von diesem wurde er auch schon dazu angeregt, sich mit seinem eigenen Schaffen intensiver auseinanderzusetzen und Gedankenexperimente dazu anstellen sollte.
Mittlerweile ist das Klavier nicht mehr das einzige Instrument, das Gaspari beherrscht und der bei seinen Kompositionen immer die Spielbarkeit im Auge behält. Die Grundlagen des Spiels von Violine, Flöte und Horn hat er autodidaktisch erlernt, um während des Kompositionsprozesses Klänge und Spielbarkeit zu erfahren.
„Ich möchte den Zuhörer gelegentlich am falschen Fuß erwischen“
Gaspari, der mittlerweile etwa fünfzig Werke komponiert hat, sieht sich in keiner ästhetischen Strömung verhaftet. Er selbst befindet sich zurzeit in einer Phase des Experimentierens. Beispielsweise hat er in einem Streichquartett Elemente der Geräuschmusik eingearbeitet. Dass er sich nicht auf eine Stilrichtung beschränkt, kann man auch an seinen favorisierten Komponisten erkennen. Neben seinem ersten Idol Ludwig van Beethoven schätzt er beispielsweise Gustav Mahler, Tōru Takemitsu oder Karlheinz Stockhausen. An Iannis Xenakis faszinieren ihn die chaotischen Strukturen, für die er auch in seinen eigenen Werken eine Vorliebe hat. Ungewöhnlich mag seine Begeisterung für die Komponisten der Notre-Dame-Schule erscheinen. Besonders schätzt er Perotin und vor allem Guillaume de Machaut, von dem er sich auch schon zu einer eigenen Komposition inspirieren ließ. „Flucht“ ist das Werk mit der außergewöhnlichsten Besetzung, für die er bisher komponiert hat. Das Musikstück, das er im Sommer 2022 schrieb, ist mit Flöte, Bassklarinette, Schlagwerk, Akkordeon und Kontrabass besetzt. Auch in diesem Werk gibt es zwei kontrastierende Themen, indem ein aufbrausendes, wildes Thema vor einem ruhigen, in sich gekehrten Gedanken auf der Flucht ist und am Ende auch verdrängt wird.
Gaspari möchte mit seiner Musik starke Kontraste erschaffen und die Zuhörer:innen mit unerwarteten Elementen konfrontieren. „Ich möchte den Zuhörer gelegentlich am falschen Fuß erwischen“, sagt er über sein eigenes musikalisches Schaffen. Musik muss für ihn nicht die Aufgabe erfüllen, schön zu sein, jedoch lässt er in seinen Werken auch „schöne Wohlfühlmomente“ für das Publikum zu.
Kontraste
Die Bedeutung von Kontrasten als elementare Bestandteile in Gasparis Musik lassen sich auch an zwei Titeln seiner bereits aufgeführten Werke erkennen:
Eines der beiden Werke war eine Auftragskomposition des Musikfests Arsonore im Beethoven-Jahr 2020. Der Titel „Wuth und Freude“ und die Aufgabe, die beiden Werke Beethovens „Die Wut über den verlorenen Groschen“ und „Freude schöner Götterfunken“ miteinander zu verbinden, waren vorgegeben. Gaspari schuf ein etwa fünfminütiges Werk für Streichquartett, das atonal beginnt und in strahlendem D-Dur endet. Gaspari löste das Thema des erstgenannten Werks Beethovens aus der Tonalität, um über ein weiteres Zitat aus der 9. Symphonie Beethovens, das auch in Dmitri Schostakowitsche 9. Symphonie erklingt, zum strahlenden Finale zu gelangen.
„Leben und Tod“ entstand 2019 als Bewerbungsstück für eine Komponierwerkstatt des Arnold Schönberg Centers. Die einzige Vorgabe lautete, ein Werk für Streichquartett zu verfassen. Zu jener Zeit beschäftigte sich Gaspari mit Tonbuchstaben. In diesem Werk setzte er neben seinem eigenen Namen auch die seiner lebenden und verstorbenen Haustiere in Musik. Das Werk, das er in nur einem Monat schuf, besteht aus einem getragenen und langsamen Teil, der das Reich der toten Haustiere symbolisiert, und einem bewegten, der für das Leben steht.
Jedes Konzert ist eine bereichernde Erfahrung
Der junge Österreicher hat bereits für verschiedenste Besetzungen komponiert. Das längste Werk, das er bisher schrieb ist ein von Beethoven inspiriertes, fast einstündiges Klavierkonzert, das er jedoch nicht als „ernstes Werk“ betrachtet, da es zu seinen ersten kompositorischen Gehversuchen zählt. Nichtsdestotrotz sieht er es als wichtige Übung. Gaspari kann auch keine Höhepunkte seiner bisherigen Karriere nennen, da er jedes Konzert und jedes Werk, das er schreibt, als wichtige Hilfe zur künstlerischen Weiterentwicklung sieht. Jedoch hat Gaspari in seinem jungen Alter schon sehr viel erreicht. Nachdem er dreimal Werke für die Orchesterwerkstatt Halberstadt schrieb, erhielt er bereits zwei Mal den Preis der Deutschen Orchester-Stiftung. Weiters gewann er den 1. Preis bei Jugend komponiert Österreich, beim Balduin Sulzer Kompositionspreis den 1. Jugendpreis und beim Oberton String Octet errang er den Sonderpreis für die beste österreichische Komposition.
Maximilian Hassler