Er liefert Beats an BIBIZA, ELI PREISS, MAKKO, BESLIK MEISTER und formt damit den Sound von Deutschrap. Wohin die Reise geht? PRODBYPENGG hat darauf eine beinahe soziologische Antwort. Stefan Niederwieser hat ihn getroffen.
Woher kennst du Bibiza und Eli Preiss?
Prodbypengg: Das ist eine lustige Geschichte, Bibiza hat in einem winzigen Club vor BHZ in Wien gespielt, einer Berliner Rap Crew. Vielleicht waren 50 Leute da. Ich habe ihn kurz angesprochen, ob ich ihm was schicken kann, weil ich meine Beats langsam anderen Leuten gezeigt habe. Wir haben uns bei ihm im Keller-Studio getroffen und uns echt gut verstanden. Wir waren einfach heiß darauf, Musik zu machen. Heute ist es eine richtig schöne Freundschaft. Mit Liebcozy mache ich auch viel Musik. Später ist Eli [Preiss, Anm.] dazu gekommen. Wir haben uns für eine Session getroffen, als sie gerade begonnen hat, Musik auf Deutsch zu machen. Daraus sind sehr schnell coole Sachen entstanden. Wien ist nicht groß, man sieht sich, wenn man Musik macht, schreibt sich und macht was zusammen.
Wie ist der Swift Circle entstanden?
Prodbypengg: An einem ganz komischen Wochenende. Wir haben viel Musik gemacht, beim Feiern hat sich dann dieses “Swift“ entwickelt. Das fanden wir lustig. Das ist einfach nur unser Kreis an Leuten. Wir fanden “Kreis” passend, weil wir keine Band oder Musikerkollektiv sind. Musik steht bei uns im Mittelpunkt, aber manche machen Videos, Fotos oder legen auf, wir versuchen unser kreatives Umfeld in einen Namen zu gießen.
Du hast klassisch Klavier gelernt.
Prodbypengg: Genau. Aber ich bin faul und kann noch immer keine Noten lesen. In meiner Pubertäts-Anti-Phase bin ich zur Popakademie gewechselt und habe dort wirklich viel Klavier in einer Funk- und einer Jazz-Band gespielt. Das hat die Basis für mein Musiktheorieverständnis gelegt. Mittlerweile produziere ich aber sehr viel mehr. Das hat schleichend am Laptop meiner Eltern begonnen. Ich habe viel US-Hip Hop gehört, wenig Deutschrap, das erste Mixtape von Eminem habe ich totgehört, Kendrick – tot gehört. Später hat mich fasziniert, wie Kaytranada seine Drums bounct. Ich bin stundenlang gesessen, um etwas Ähnliches zu machen. Mein erster Release war mit Savi Kaboo. Aber mit Bibiza war ich dann wirklich lange im Studio, um an den Songs zu arbeiten. Die wurden dann nach und nach veröffentlicht.
„Jede Generation muss mit der letzten abrechnen.“
Seid ihr eine neue Welle?
Prodbypengg: Jede Generation muss mit der letzten abrechnen. Die Rap-Generation vor uns hat in Österreich einen Grundstein gelegt und Reimschemata aggressiv aufgebrochen, das war wichtig, denn hinterher konnte es wieder Leute geben wie uns, die sich einen geilen Pre-Chorus überlegen oder in den Sounds und Arrangements wieder poppiger werden. Ich feiere Pop, ich mag die Ästhetik, das passt wieder mehr in die Zeit. Damals haben sie diese Jokes perfektioniert und zwischen dem ganzen Spaß ging auch ernsthaft weirder Scheiß ab, bei dem wir alle eindeutig eine Linie ziehen würden. Texte und Inhalt sind bei uns nicht ernst, aber gleichzeitig weit weg von diesen Jokes. Und auch weit weg von Conscious Rap. Aber zwischendurch gibt es ein paar Zeilen, über die man nachdenken kann.
Auf “Gustav“ gibt es am Ende einer Drogenbiografie sogar eine Moral von der Geschichte.
Prodbypengg: Das war Ski Aggu, Shout Out an Ski Aggu! Sehr lieber Typ! Das ist, was ich meine. Man kann sich hinsetzen, nachdenken und einen konzeptuellen Text schreiben. Der Song “Trotzdem“ ist auch ein schönes Beispiel, oberflächlich betrachtet verherrlicht er Drogen und zelebriert den Lifestyle, auf einer zweiten Ebene ist Selbstkritik drin. Man weiß, dass etwas schlecht ist, aber macht es trotzdem. Das kann jedem passieren. In so einem Kontext ist es cool das anzusprechen, Drogen sind allgegenwärtig, es macht keinen Sinn einen Bogen darum zu machen. Einige der älteren Artists sind auf Lean hängengeblieben, auf Opiaten oder auf Downern, da kommt die kalte traurige Realität dann oft ins Gesicht geklatscht. Beslik Meister hat das in dem Song sehr gut beschrieben. Als Produzent schaue ich zwar drauf, dass es cool ist, was die Leute schreiben, aber ich mische mich nicht ein.
Producer müssen vor allem eine Stimmung schaffen, heißt es. Wie siehst du das?
Prodbypengg: Es ist fast therapeutisch. Man versucht ein ehrliches Gespräch aufzubauen, hört gemeinsam Musik und tastet sich ab. Es ist wichtig, einen Vibe einzufangen. Ich halte mich da persönlich zurück. “Trotzdem” ist ganz entspannt an einem Nachmittag entstanden. Wenn alle happy sind, läuft es eigentlich von selbst.
Wie wichtig sind Slogans? Amore, Baba, Nie ohne mein Team …?
Prodbypengg: Es ist cool, wenn es ein Stichwort gibt, das alle laut singen können. Manche sacken sich so ein Wort dann richtig ein und nennen einen Song und ein Album so oder sie schreiben das auf den kompletten Merch. Ich finde es wichtig, dass so etwas natürlich entsteht. Bibiza kann das. Ich sehe das als Teil meines Jobs, nichts zu erzwingen und naiv und unverblümt an die Sache heranzugehen. Spaß ist das Wichtigste eigentlich.
Wie war das bei “Nimmasatt”?
Prodbypengg: Wir haben Elis [Preiss, Anm.] Geburtstag gefeiert und waren ziemlich betrunken. Es gab keine Session, sondern wir sind auf einer Party daheim bei Enzo Gaier – dem besten Gitarristen von Wien – zwanzig Minuten ins Nebenzimmer gegangen, um etwas aufzunehmen.
Wer sind die Boloboys?
Prodbypengg: Bibiza und ich waren in Berlin. An unserem letzten Abend haben Makko, Can mit Me$$er und noch ein paar von den Boloboys in einem kleinen Keller gespielt. Wir haben kurz mit ihnen geredet, einen Monat später sind sie zum Skaten nach Wien gekommen. Wien war während der Lockdowns entspannter, sie waren oft da und haben monatelang auf Matratzen in Bibizas Studio geschlafen. So ist die Freundschaft entstanden. Das sind alles mega liebe Typen. Wien hat so eine Energie, in die sich alle schnell verlieben und gerne zurückkommen.
Bist du oft in Berlin?
Prodbypengg: Immer wieder. Berlin ist mir persönlich zu aufgesetzt und zu wild, aber es ist schön, immer wieder dort zu sein. Es ist einfach die Hauptstadt des Musikbusiness. Da ist Wien leider sehr schlecht aufgestellt. Viele junge Leute kennen sich nicht aus und lassen sich ausnutzen. Ich höre oft weirde Stories, welche Angebote gelegt werden. Einige Deals oder Prozentaufteilungen sind aus Zeiten, in denen man sich als Band wochenlang in Studios einmieten musste. Und dann wird von den Künstlern noch dazu erwartet, dass sie ihre Tiktok-Promo machen. Die wenigen coolen Typen, die checken, worum es geht, sitzen in Berlin. Wir sind fast alle in Deutschland gesignt.
„Es geht um die Emotion und die Soul dahinter.“
Wohin entwickelt sich Deutschrap?
Prodbypengg: Ich sehe nicht diesen einen Sound. Dieses “das ist der neue Sound“, beispielsweise Y2K- oder Garage-Beats, das ist durch Digitalisierung und Globalisierung viel stärker aufgebrochen und aufgefächert. Man sieht das überall. Es gibt keine klar abgegrenzten Subkulturen. Das ist alles ein Mischmasch aus Sub-Interessen und Sub-Szenen ohne klare Grenzen. Ich würde auch nie ausschließen, dass ich einen Grunge- oder keinen Reggaeton-Beat mache. Es geht um die Emotion und die Soul dahinter.
Der Amapiano-Track von Peter Fox war für manche kulturelle Aneignung.
Prodbypengg: Da tu ich mir schwer. Ich finde, Musik ist von Menschen für Menschen. Es ist doch schön, wenn eine Kultur von einer Seite der Welt eine andere Kultur beeinflusst. Musik ist das Offenste und Inklusivste, das es gibt. Im Herzen sind wir grantige Wiener, wir werden aus uns selbst vermutlich nie Reggaeton oder Afrobeats machen. Aber das ist kein Grund, es nicht zu versuchen. Reggaeton ist ein ur-starker Rhythmus, nur wenige Rhythmen sind derzeit so präsent.
Wie oft erkennst du einen Hit im Studio?
Prodbypengg: Manchmal gibt es Kernelemente, die einem im Kopf bleiben, eine Melodie, ein Beat oder ein Rhythmus. “Nimmasatt” hat sehr basic Akkorde, aber man hat sie und diesen Synth-Sound sofort präsent. Ich habe mir sofort gedacht, das hat was. So etwas gibt es immer wieder. Es gehört auch Glück dazu, weil Marketing und das Releasedatum stimmen müssen. Diesen Teil des Business finde ich abtörnend, darauf zu schauen, wie gut Songs performen oder darauf, wo man in bestimmten Playlists platziert wurde.
Sind dafür nicht Labels zuständig?
Prodbypengg: Genau. Das ist, was sie heute noch bieten können. Dazu vielleicht noch ein bisschen Management oder Organisatorisches. Labels tun gerne so, als wären sie das Ticket zum Erfolg. Aber oft sind Labels ein schlechter Bankkredit mit einer Fünf-Wochenstunden-Bürokraft.
Was soll man also machen?
Prodbypengg: Einfach nicht zu den Labels gehen. [lacht] Die Idee, dass man es als kleiner Künstler mit einem großen Signing geschafft hat, das ist einfach wirklich nicht so. Das wird dir versprochen, damit du unterschreibst. Dir muss aber klar sein, was du unterschreibst. Information ist das Wichtigste – Vertragsdauer, Recouping, LSG, Verlagsrechte und so weiter. Eine Beratungsstelle ist cool, aber es ist schwierig, diese Informationen an alle Leute zu bringen, die sie brauchen. Im Swift Circle diskutieren wir solche Dinge miteinander. Wir sind alle nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen, sondern wissen, wie es abläuft. Dadurch können wir machen, worauf wir Bock haben. Wir wollen das Home Country aufbauen und für die Szene da sein. Ich bin wirklich gerne mit neuen Künstlern und Produzenten im Austausch. Und jetzt gibt es hier erstmals wieder viele Leute, die wirklich unterschiedliche Sachen machen. Sie sind gerne Wiener und gerne in Wien.
“Tokio“ von Eli Preiss und Prodbypengg erscheint im November 2023.
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Eli Preiss live: 14.12. Linz
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