Seit Jahrzehnten mischt der Musiker und Musikpädagoge Norbert Dehmke in der heimischen Musiklandschaft mit. Seine Leidenschaft des aktiven Musizierens in unterschiedlichen Ensembles und Bands hat er sich über all die Jahre bewahrt. Norbert Dehmke spielt sowohl im Flötenensemble „Four or More Flutes“ als auch im neu formierten Saxofonquartett „SaxDotCom“ und wirkt auch bei Peter Madsens „CIA“ mit, er ist Mitglied des „Contemporary Jazz Quartets“ und musiziert in der Coverband „Groove Temple“. Eine besondere Affinität hat Norbert Dehmke zur Improvisation. Über seine vielen Tätigkeitsbereiche in unterschiedlichen musikalischen Genres und seine Art des Komponierens erzählt Norbert Dehmke im Gespräch mit Silvia Thurner.
Welche unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen und Persönlichkeiten haben im Laufe der Jahre den Nährboden für deine eigene Musik geschaffen?
Norbert Dehmke: In meiner gesamten musikalischen Laufbahn haben mich immer Musiker und Musikerinnen beeinflusst und fasziniert. Ich habe in den 1960er bis Anfang der 1970er Hardrock und Underground – wie das damals hieß – gehört, aber auch klassische Musik, Classic Rock, Folk usw. Mit Beginn meiner Querflötenzeit änderten sich die Hörgewohnheiten immer mehr in Richtung flöten-orientiertem Jazz (Jethro Tull, Herbie Mann, Hubert Laws, Jeremy Steig etc.). Meine Liebe galt zu dieser Zeit und auch jetzt noch der Improvisation, denn ich habe immer (noch) sehr großen Spaß am musikalischen Experimentieren.
Durch die Beschäftigung mit dem Saxofon änderten sich auch meine musikalischen Vorlieben. Coltrane, Brecker, Shorter, Garbarek, Farrell und andere Saxofongrößen sowie Jazz-Rock-Formationen wie Blood, Sweat &Tears, Chicago, Return To Forever (Chick Corea), Keith Jarrett rückten ins Zentrum meiner musikalischen Interessen.
Melodie, Optisches und Stimmungen
Seit wann komponierst du und welchen Stellenwert nimmt die Komposition im Rahmen deines Musizierens ein?
Norbert Dehmke: Meine ersten Kompositionen sind schon Anfang der 1970er-Jahre entstanden. Ich komponiere meistens zweckgebunden für aktuelle Bands, Ensembles oder Projekte und natürlich auch viel für Schüler. Dazwischen gibt’s auch immer mal Kompositionsaufträge.
Eine wichtige Inspirationsquelle für deine Musik sind auch Einflüsse aus der Ethnomusic. Welche musikalischen Erfahrungen inspirieren dich am meisten und wie kommen sie in deiner Musik zum Ausdruck?
Norbert Dehmke: Mich als Melodieinstrumentenspieler hat sowohl die lineare, melodische wie auch die rhythmische Struktur der „World“-Musik als Bezeichnung für alle Musik, in der die harmonische, vertikale Komponente fehlt, immer fasziniert.
„Silent movies“ nennt sich eine Reihe am Dornbirner Spielboden, bei der du regelmäßig mitspielst. Ebenso spielt in deinem Ensemble „Open Source“ die visuelle Komponente eine wesentliche Rolle. Wie bedeutend sind visuelle Eindrücke für deine musikalischen Ideen?
Norbert Dehmke: Ganz oft sind meine Stücke mit Stimmungen verbunden. Das können visuelle Eindrücke sein, aber auch innere Visionen. Auf alle Fälle muss es immer eine Resonanz zu mir haben. Bei „Open Source“ ist es genau umgekehrt: da bildet die Musik den Rahmen für die spontan dazu improvisierten Bilder.
Pädagoge und Mentor
Inwiefern hat dich die Zusammenarbeit mit Peter Madsen musikalisch weitergebracht?
Norbert Dehmke: Ich kann nur sagen, dass Peter Madsen für mich und auch für die Jazz- und Musikszene in Vorarlberg ein absoluter Segen ist. Er hat der Vorarlberger Jazzszene so viel an positiver Weiterentwicklung, Motivation und Inputs gegeben, und das ist noch lange nicht ausgeschöpft. Ich freue mich sehr, mit ihm zu arbeiten und von ihm musikalisch profitieren zu können.
Klangliche Homogenität bietet enorme Möglichkeiten
Du spielst in einem Flötenensemble und auch in einem Saxofonquartett. Was fasziniert dich an „klanghomogenen“ Formationen?
Norbert Dehmke: Ich habe in den 1980er-Jahren schon mehrere Arrangements und Kompositionen für Flötenensemble geschrieben – nicht zuletzt für das Ensemble Four or More Flutes. Instrumente der gleichen Gattung entwickeln durch die klangliche Homogenität der einzelnen Register miteinander einen ganz speziellen Gesamtklang. Die kompositorischen Möglichkeiten sind enorm: homophone Gesamtklänge, polyphone, gegenläufige Stimmführungen, rhythmische und kontrapunktische Stimmenverläufe und zum anderen komplexe harmonische Strukturen, Grooves und vieles andere.
Welchen Stellenwert nimmt im Saxofonquartett „SaxDotCom“ die Improvisation ein?
Norbert Dehmke: Die Improvisation ist mindestens genau so wichtig wie die geschriebenen Parts. Bei SaxDotCom reicht das musikalische Spektrum von komplett durcharrangierten Stücken, unter anderem auch Arrangements von Henry Purcells Four Part Fantazias, bis zu Stücken, in denen nur ein Ostinato die Basis für die Improvisation liefert. Bis auf die Purcell-Stücke spielen wir ausschließlich für’s Quartett arrangierte Eigenkompositionen.
„ECM – Sound“
Mit dem Contemporary Jazz Quartet bewegt ihr euch in einer musikalischen Stilrichtung, die als sogenannter „ECM-Sound“ eine Begrifflichkeit gefunden hat.
Norbert Dehmke: Das CJQ wurde vor etwa drei Jahren von Wolfgang Fauser gegründet. Ihn und uns alle haben der spezielle Sound und natürlich die hervorragenden Musiker schon in den 1970er-Jahren sehr fasziniert und so war ich begeistert, Stücke meiner damaligen Idole mit ihm zu spielen. In der Zwischenzeit erweitern wir das Programm immer mehr um eigene Stücke.
Eine eigene Melange
Das Ensemble Four or more Flutes besteht seit 1991 und wurde von der Zeitschrift „Flöte aktuell“ als „das langlebigste reine Flötenensemble der Jazzgeschichte“ bezeichnet. Welche Art von Musik spielt ihr?
Norbert Dehmke: Four or More Flutes wurde 1990 von Charles Davis als Pendant zu den üblichen Saxofonquartetten gegründet. Bald kristallisierte sich die bis heute existierende Quintettformation heraus. Alle Mitglieder betätigen sich auch als Komponisten für die Formation – und es war bald klar, dass nur noch Eigenkompositionen gespielt werden. In der Zwischenzeit hat Four or More Flutes drei CDs aufgenommen. Durch die unterschiedlichen Charaktere der Musiker entsteht eine ganz eigene Melange von Stücken. Da gibt’s von klassisch orientierten, ostinaten, jazzphrasierten bis hin zu atonalen Strukturen alles zu hören.
Danke für das Gespräch.
Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im März 2016 erschienen.
Termine:
Freitag, 1. April 2016, „Groove Tempel“, Carinisaal, Lustenau, 20.00h
Dienstag, 12. April 2016, Silent Movie – Peter Madsen&CIA, Spielboden Dornbirn, 20 Uhr
Link:
Norbert Dehmke