Es ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre her, dass am Tag der Arbeit (postalisch wohl eher am 2. Mai) 2005 das erste von Beginn an mit viel Herzblut und zunehmend langem Atem produzierte FREISTIL, MAGAZIN FÜR MUSIK UND UMGEBUNG Licht und Schatten der Welt erblickte – ohne die Gewissheit, wie lange es Bestand haben würde. Es hätte sich ohne Weiteres herausstellen können, dass die Bedürfnisse und Leidenschaften für die subjektiv besten Musiken der Welt nicht auf Widerhall stoßen. Dann wäre dieses Experiment eher früher als später als gescheitert zu erklären gewesen. Dadurch wäre auch keine Welt zusammengebrochen. Aber: Die Resonanz blieb nicht aus. Im Gegenteil: Das Interesse, das Redaktionsteam und die Zahl der AbonnentInnen stiegen stetig. Auch gut, umso besser.
Auf der Grundlage der improvisierten Musik, bisweilen auch weit darüber hinaus, beleuchtet freiStil seit jeher das Schaffen wesentlicher nationaler wie internationaler KünstlerInnen unter Berücksichtigung ihrer ästhetischen und gesellschaftlichen Umgebung. Von A wie Peter Ablinger bis Z wie John Zorn – inklusive eines speziellen feministischen Schwerpunkts auf Frauen in der Musikszene – spannt sich der personelle Bogen der von freiStil porträtierten Persönlichkeiten. Komplettiert wird die Beobachtung individueller und kollektiver Bestrebungen von der Vorstellung beachtlicher Räume, in denen die besten Musiken vorwiegend stattfinden (Titel geklaut von Sun Ra: „Space is the place“), von Festivalberichten aus dem In- und Ausland, von Rezensionen bildender und darstellender Kunst sowie von mittlerweile Tausenden Tonträgern.
In Zeiten der Privatisierung, Kommerzialisierung und öffentlicher Marginalisierung zeitgenössischer Kunst bei gleichzeitigem Rückzug des Staates, der Länder und anderer öffentlich-rechtlicher Instanzen sehen sich Initiativen wie freiStil vermehrt mit Zerstörungstendenzen unter der euphemistischen Bezeichnung des Sparzwangs konfrontiert. Es bleibt – solange kein schwerwiegender Protest dagegen anhebt – der Szene und ihren Verbündeten nichts anderes übrig als Beharrlichkeit, Ausdauer und Renitenz.
Feier mit zwei Wunschkonzerten
Diese gesellschaftlichen Begleitumstände immer im Blick feiert freiStil sein zehnjähriges Bestehen mit zwei Wunschkonzerten des personell und stilistisch offenen rund 25-köpfigen Ensembles The Dorf aus dem deutschen Ruhrgebiet und seiner Umgebung, geleitet vom Saxofonisten Jan Klare. Sohin mit einem Orchester, das Monat für Monat im Dortmunder Jazzclub Domicil keineswegs als „noch irgendeine Big Band“ auftritt, sondern als soziale Skulptur, als ästhetisches und gesellschaftliches Versuchslabor. Als Happening. Eine X-Large-Gruppierung, die mit Liebe und Hirn strukturierte Improvisation nicht nur spielt, sondern lebt. Zwei überschwängliche Abende des erstmals in Österreich gastierenden, in vielerlei Hinsicht als groß zu bezeichnenden Ensembles sind zu erwarten. Zudem wird in Ulrichsberg das Filmporträt von The Dorf unter dem Titel „Jazzsoup“ ausgestrahlt.
Zwei Abende stehen bevor, an denen neben großartiger Musik auch noch die aktuellen DAMN!-freiStil-Samplerinnen, die druckfrische 60. freiStil-Ausgabe und ebenso druckfrische freiStil-T-Shirts anzutreffen sein werden. Ganz im Sinne des Magazinmottos wirft freiStil jetzt noch mehr Sound ins Getriebe!
Andreas Fellinger
freiStil-Wunschkonzerte mit THE DORF:
30.04. Porgy & Bess, Wien
02.05. Kaleidophon Ulrichsberg
http://freistil.klingt.org/