„SOBALD GEFÜHLE IN EINEM SONG SIND, SIND SIE LEGITIM“ – FLORENCE ARMAN IM MICA-INTERVIEW

FLORENCE ARMAN fühlt sich in der Welt zeitloser Pop-Feinheiten zu Hause, aber bevor sie selbst ins Rampenlicht trat, war sie damit beschäftigt, hinter den Kulissen Tracks zu schreiben. Bei der Produktion ihrer Debüt-EP „Out of the blue“ hat FLORENCE nicht nur ihre romantischen, sondern auch ihre kreativen Entscheidungen mit dem Herzen getroffen. Clemens Engert sprach mit der jungen Britin, die in Österreich lebt, über die Entscheidung, unter ihrem echten Namen zu veröffentlichen, den perfekten Pop-Song und die szeneinternen Unterschiede zwischen London und Wien.

Das Video zu „Out of the blue“ ist wirklich sehr gelungen. Kannst du etwas über die Idee dahinter erzählen?

Florence Arman: Die Idee zu dem Video ist tatsächlich entstanden, als ich auf der Mariahilfer Straße eine Joggerin gesehen und kurz gedacht habe, dass sie raucht. Das war natürlich zuerst ein verrücktes Bild, aber vielmehr blieb bei mir diese Diskrepanz hängen – zwischen dem, was man erstrebt oder wo man hin will, und dem, wo man tatsächlich noch ist. Genau so erging es mir eben auch bei einer Freundschaft, die zerbrochen ist. Ich wollte so gerne mein Leben wieder „back on track“ bekommen, kam aber nicht ganz los von der ganzen Geschichte.

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Gibt es auf deiner Debüt-EP so etwas wie einen roten Faden, der sich durch alle Songs durchzieht?

Florence Arman: Die Songs haben insofern einen roten Faden, da sie mich durch die letzten paar Jahre gebracht haben und einfach eine gewisse Zeit in meinem Leben festhalten. Thematisch variieren sie dadurch aber auch.

Inwiefern ist Musik für dich auch so etwas wie ein Mittel, um negative Dinge bewältigen zu können?

Florence Arman: Für mich hat Songwriting fast dieselbe Funktion wie Tagebuch schreiben. Ich finde das einfach wahnsinnig befreiend. Einen Song zu schreiben ist ein bisschen wie streiten oder sich ausheulen – nur, dass niemand mit dir argumentieren kann. Ich liebe das. Sobald Gefühle in einem Song sind, sind sie legitim. Wenn man sie zum Beispiel der Freundin mitteilt, könnte ja der Einwand kommen, dass man Unrecht hat.

Bild Florence Arman
Florence Arman (c) Florian Moshammer

Du hast in der Vergangenheit viel als Songwriterin für andere Künstlerinnen und Künstler gearbeitet und deine eigene Musik unter dem Pseudonym klei veröffentlicht. Was hat dich nun dazu bewogen, deine Songs unter deinem echten Namen zu veröffentlichen?

Florence Arman: Das war irgendwie ein ziemlich natürlicher Prozess. Ich habe schon immer einfach nur für mich Songs geschrieben, sie aber einfach ewig lange nicht veröffentlicht. Irgendwann kam aber dann der Zeitpunkt, wo es diese sieben Lieder gab, die sich wie ein schlüssiges Ganzes angefühlt haben. Mein Manger und ich haben uns dann gedacht „let’s go“. Mit dem Projekt klei hatte ich schon vorher sehr viele Songs veröffentlicht – diese sind aber in Sessions entstanden und waren dadurch nicht ganz so persönlich und intim wie meine eigene Musik. Deshalb hat es sich angeboten, ab diesem Zeitpunkt unter meinem echten Namen zu veröffentlichen.

Inwiefern unterscheidet sich dein Zugang zum Songwriting, wenn du für dich selbst schreibst, von dem, wenn du für andere schreibst? Weißt du schon vorher, ob der jeweilige Song für dich oder für einen anderen Künstler sein wird?

Florence Arman: Das ist tatsächlich jedes Mal unterschiedlich, aber meistens ist es vor einer Session bereits ausgemacht, für wen man den jeweiligen Song schreibt. Es ist aber schon vorgekommen – zum Beispiel bei meinem Song „All Night“ -, dass etwas in einer gemeinsamen Session mit anderen Songwritern entstanden ist und es plötzlich sehr persönlich wurde, wenn es zum Textschreiben kam. Dann kann man den Song nicht mehr loslassen.

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Was war deine aufregendste Begegnung in all den Jahren, wo du mit anderen Künstlerinnen und Künstlern zusammengearbeitet hast? Gab es auch ernüchternde Erlebnisse?

Florence Arman: Also die erste Begegnung mit den Kooks war schon sehr verrückt. Man sagt ja „never meet your heroes“, aber in diesem Fall war das nicht zutreffend – inzwischen sind wir nämlich alle gut befreundet. Ich finde das aber immer noch verrückt, weil ich so ein Fan-Girl bin. Enttäuschend war bis jetzt eigentlich keine Begegnung. Es ist einfach total spannend, mit so vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern und Musikerinnen und Musikern zu arbeiten. Oft hat man ja ziemlich viele Gemeinsamkeiten – Menschen, die zur Musik finden, haben wahrscheinlich ähnliche Charaktere – und so schließt man sehr schnell sehr enge Freundschaften, weil man sich auch oft in kürzester Zeit total öffnet, um einen Song zu schreiben.

Was ist deiner Meinung nach das wichtigste Merkmal, das einen guten Popsong ausmacht?

Florence Arman: Darüber habe ich sehr lange nachgedacht und ich habe es mittlerweile aufgegeben. Sobald man denkt, man hat es verstanden, kommen zehn total brillante Songs, die genau das widerlegen, was man gedacht hat. Ich glaube jedenfalls, dass Authentizität sehr wichtig ist.

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„Ich konsumiere selbst lustigerweise nicht wirklich viel Musik – es geht mir nur auf die Nerven.“

Wer ist für dich die größte Songwriterin bzw. der größte Songwriter der Geschichte?

Florence Arman: Hui, dafür kenn ich vermutlich zu wenige. Ich konsumiere selbst lustigerweise nicht wirklich viel Musik – es geht mir nur auf die Nerven. Aber, wer mir immer im Zusammenhang mit großartigen Songs einfällt, ist Billy Joel. Den liebe ich. Extrem.

Bist du ständig in einem kreativen Flow oder leidest du auch manchmal unter Writer’s block?

Florence Arman: Ja, leider habe ich auch Writer’s block-Phasen. Die passieren aber eher, wenn ich versuche, einen Song für mich selbst zu schreiben. Wenn man zusammen mit jemand anderem schreibt, inspiriert man sich gegenseitig und bekommt automatisch im Austausch gleich Feedback. Das funktioniert eigentlich immer.

Du pendelst zwischen Wien und London hin und her. Wie nimmst du die Musik-Szene in beiden Städten war? Was sind die größten Unterschiede?

Florence Arman: Ich finde, der größte Unterschied ist, dass in Österreich weniger Kollaborationen stattfinden. Ich bin der Meinung, dass der Austausch untereinander super wichtig ist und für ein positives Klima in der Musikszene sorgt. Außerdem ist es echt spannend zu sehen, welche interessanten Projekte sich auf diese Art und Weise bilden. Was mir auch auffällt ist, dass in Österreich Musikerinnen und Musiker, die weder glatten Radio-Pop noch Indie machen, es ein bisschen schwerer haben, weil es zu wenige Plattformen für sie gibt. Wer weiß, welch unglaubliche Musik es in Österreich noch gibt, von der man jedoch nichts hört, weil die nötige mediale Infrastruktur noch nicht existiert.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

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