Sister-Act – MYNTH im mica-Interview

MYNTH 1Die Zwillinge MARIO und GIOVANNA FARTACEK sind MYNTH, ein Elektropop-Duo aus Salzburg, das nicht nur dort für Furore sorgt. Die Musikzeitschrift THE GAP reihte sie unlängst unter die zwanzig interessantesten österreichischen Pop-Acts. MARIO FARTACEK sprach mit Markus Deisenberger über Kreativität durch Reduktion, streitbare Videos und Songwriting in Norwegen.

Wann wurde aus Ihrer alten Band Deadnote Danse eigentlich das Duo Mynth?

Mario Fartacek:
Als wir Deadnote Danse gegründet haben, waren wir alle in Salzburg. Dort haben wir dann gemeinsam das Album gemacht. Danach zogen alle nach Wien. Irgendwann aber ging unser Schlagzeuger wieder nach Salzburg zurück, und irgendwann auch fehlte der Antrieb. Dazu kam, dass Giovanna und ich sowieso immer die meiste Arbeit gemacht haben. Da kam dann einfach der Punkt, an dem wir uns dachten: „Eigentlich können wir doch gleich als Duo weitermachen.“ Meine Schwester war dann in Norwegen, um den Bachelor zu machen. Ich hab sie besucht und wir haben gemeinsam Songs geschrieben. Am Anfang war noch gar nicht klar, für welches Projekt das überhaupt sein sollte, aber wir haben da einfach unseren Sound gefunden und deshalb wollten wir auch ein eigenes Projekt daraus machen.

Worin unterscheidet sich letztlich die Band Deadnote Danse vom Elektropop-Duo Mynth?

Mario Fartacek:
Deadnote Danse war stilistisch betrachtet eine Mischung aus Alternative Rock und elektronischen Einflüssen. Das größte Problem dabei war, als Band so viele Möglichkeiten zu haben. Es gelang uns deshalb nur schwer, eine klare Linie zu finden. Bei Mynth haben wir uns von Anfang an ganz bewusst Grenzen gesetzt: Lassen wir doch mal die Gitarren weg! Aber auch beim Songwriting: analoge Synthesizer, analoge Drummachine.

Eine bewusste Entscheidung zur Reduktion also?

Mario Fartacek: Ja, ich finde, man verliert sich beim Produzieren von Musik nur allzu oft. Auf einem Programm wie Ableton hat man unendlich viele Möglichkeiten. Wenn man sich von vorneherein einschränkt, kann man viel kreativer arbeiten. Vom Grundsound her einen analogen Charakter zu haben, gefällt mir einfach besser. Natürlich verwendet man das eine oder andere Plug-in. Aber wenn man sich heute durch Soundcloud durchhört, hat fast alles diesen plastischen Ableton-Sound. Das wollten wir nicht.

Wie kann man sich euer Aufeinandertreffen in Norwegen vorstellen?

Mario Fartacek: Wir schrieben die Songs dort. Das heißt, die Instrumentals hatte ich schon in Wien vorbereitet und Giovanna immer wieder nach Norwegen raufgeschickt. Als ich dann einmal zwei Wochen dort war, haben wir die EP vorproduziert. Nachdem Giovanna wieder zurück war, gingen wir noch mal ins Studio. So hat sich das bewährt: Wir machen die Vorproduktion und gehen dann noch mal ins Studio. Dort arbeiten wir mit Alex Wieser. Das funktioniert wirklich super.

Wie läuft der Kompositionsprozess genau ab?


Mario Fartacek:
Ich beginne wie gesagt mit den Instrumentals, Giovana singt dann drüber, gibt mir Feedback, wie sie es gerne hätte. Oft fange ich mit einem Beat an, nehme dann mit der Gitarre oder dem Klavier erzeugte Harmonien dazu. Wenn man einmal Grundbeat und Grundharmonien hat, kann man dazu Schicht für Schicht auftragen – das ist meine Art des Komponierens.

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Wie waren die Reaktionen auf die EP?

Mario Fartacek:
Wirklich gut. „Nightlight“, die erste Single ging gut, lief auch auf FM4. The Gap und Noisey waren angetan. Und das Video dazu hat einigermaßen polarisiert: Wir haben in Alterlaa gedreht. Darauf gab es heftige Reaktionen. Wir könnten das nicht so in den Dreck ziehen, hieß es da. Hatten wir ja auch gar nicht vorgehabt. Auch bei The Gap haben sich viele beschwert, wir hätten Alterlaa als Ghetto dargestellt. Dabei wäre die Gegend doch so schön. Jedenfalls wurde viel darüber geredet – nicht der schlechteste Einstieg.

Ihr Bruder Clemens ist auch – zumindest nebenberuflich – Musiker, war an vielen Salzburger Musikprojekten beteiligt, zuletzt bei Plastotype. Spielte das für Ihre musikalische Sozialisierung eine Rolle?

Mario Fartacek: Das hatte einen enormen Einfluss auf mich. Zunächst hatte ich den gleichen Gitarrenlehrer wie er. Ab dreizehn hat er mich dann unterrichtet. Aber nicht nur das, er hat mir auch viele Tipps gegeben, was Bandangelegenheiten betrifft, mir gezeigt, worauf es ankommt. Dadurch hab ich viel Zeit gespart.

Und worauf kommt es an?

Mario Fartacek: Das waren kleine Sachen, die in Summe aber wirklich viel ausmachen. Ein Beispiel: Mit vierzehn wollte ich mir ein Multieffekt-Gerät kaufen. Davon hat mir mein Bruder abgeraten. Das hab ich damals nicht verstanden. Da hätte ich doch alle Sounds drauf gehabt. Er hat damals gesagt: „Warum du das lassen solltest, kann ich dir jetzt auch nicht sagen, aber du wirst später noch selbst draufkommen.“ Und so war es dann auch: Zwei Jahre später hatte ich begriffen, dass jeder dieser Effekte seine eigene Ästhetik hat und eine Kombination dessen einfach keinen Sinn macht. Aber auch was das Zusammenspiel in Bands betrifft, waren seine Tipps immer äußerst hilfreich.

Spielt das eine Rolle, dass Giovanna und Sie Geschwister sind oder ist das für Ihre Musik eher unwichtig?

Mario Fartacek:
Dass wir in Wien auch zusammenwohnen, ist praktisch. Ich fange ja meistens an, liefere Sounds. Wenn ich anstehe, macht sie weiter und umgekehrt. Der Workflow stimmt also. Alles ist unkompliziert, weil wir zusammenwohnen.

„Für uns fühlt es sich sehr normal an.“

Sie sind Zwillinge, wohnen gemeinsam und machen auch gemeinsam Musik. Klingt ungewöhnlich.

Mario Fartacek: Komisch, dass das viele so ungewöhnlich finden. Für uns fühlt es sich sehr normal an. Wir gehen sehr ehrlich miteinander um. So, wie es ist, ist es einfach und unkompliziert.

Auf der FM4-Soundpark-Homepage war zu lesen, man würde bei Ihrer Musik auch hören, dass Sie Geschwister sind. Kann man tatsächlich so weit gehen zu sagen, dass sich dieses Naheverhältnis auch musikalisch, in einem besonders organischen Sound etwa, niederschlägt?

Mario Fartacek: Schwer zu sagen. Wir wissen beide schon ganz genau, welche Stimmung wir mit der Musik erzeugen wollen. Aber das sollte ja im Idealfall auch in jeder Band so sein.

Gibt es Parallelprojekte zu Mynth?

Ja, ich spiele bei Olympique als Live-Bassist und auch mit den Linzern Andi und Alex bin ich unterwegs. Aber unser Hautprojekt ist schon Mynth.

Hegt ihr beide den Wunsch, das Projekt einmal hauptberuflich zu betreiben?

Mario Fartacek: Klar, ja. Aber ich möchte auf jeden Fall meinen Uni-Abschluss haben. Wenn es sich aber ergeben sollte, dass wir ein paar Jahre mit der Musik über die Runden kommen, würde ich es auf jeden Fall machen. Das ist das Ziel. Aber wenn es nicht klappen sollte, ist es schon gut, eine Ausbildung zu haben. Musik ist ein schnelllebiges Geschäft. Wenn es drei Jahre gut läuft, gilt das schon als lange.

Als Referenz wurde schon des Öfteren Trip Hop genannt. Sind Sie aufgrund Ihres noch jungen Alters überhaupt mit Bands wie Massive Attack, Potishead oder Tricky aufgewachsen oder sagen diese Ihnen eher weniger?

MYNTH 2Mario Fartacek: Lustigerweise gar nicht. Ich habe aber mit sechzehn, siebzehn dieses Livevideo von Portishead [„Live at Roseland“, Anm.] gesehen. Da bin ich damals ziemlich reingekippt. Das habe ich sehr oft gehört und es hat mich wohl auch beeinflusst, aber das war natürlich im Nachhinein. Wir sind ja erst 23 Jahre alt. Die genannten Bands gibt es ja schon seit den frühen 1990ern.

„Natürlich sind wir Salzburger, aber das Projekt hat wenig mit Salzburg zu tun.“

Würden Sie sich als Salzburger Band bezeichnen?


Mario Fartacek:
Natürlich sind wir Salzburger, aber das Projekt hat wenig mit Salzburg zu tun. Wir leben in Wien, haben unseren Lebensmittelpunkt hier. Aber wenn man mit Leuten aus Österreich redet, sagt man immer noch, man komme aus Salzburg. Als wir dagegen letztes Mal in Budapest spielten und man uns fragte, woher wir kämen, sagte ich: „Wien“. Seltsam irgendwie.

Wie würden Sie die aktuelle Salzburger Szene beurteilen?


Mario Fartacek:
Das ist eine gute Generation: Steaming Satellites, Olympique, die Makemakes

Und woran liegt das?

Mario Fartacek: An der Generation Myspace. Immer wenn damals jemand was auf Myspace gestellt hat, hat man das einerseits bewundert, gleichzeitig aber wollte man das auch übertreffen, hat es als Ansporn für die eigene Musik genommen.

Man hat also immer genau mitverfolgt, was die anderen machen?

Mario Fartacek: Immer, ja. Durch das Myspace-Ding hat man immer genau nachvollziehen können, wo die anderen stehen, das hat einen weitergebracht. Es gibt aber noch einen Grund: Die Aufnahmen waren damals ja schrottig. Das Laptop-Producing, wie es heute betrieben wird, gab es noch nicht. Deshalb klang es nicht so wie bei den Großen, Guten. Anfangs dachte man natürlich, das läge an der Aufnahmequalität. Dass man selbst einfach noch nicht so weit war, kam einem nicht in den Sinn. Heutzutage gibt es viele Bands, die nicht „tight“ spielen, aber passable Aufnahmen haben. Das verleitet einen dazu, zu glauben, man müsse nichts mehr investieren. Da hatten wir großes Glück. Weil wir die Mittel nicht hatten, weil wir scheiße klangen, haben wir geübt, geübt und geübt.

Was bedeutet Salzburg für Sie? Ist die Stadt immer noch ein wichtiger Bezugspunkt?

Mario Fartacek: Ja. Im Herbst spielen wir bei der Rockhouse-Geburtstagsfeier gemeinsam mit den Steaming Satellites. Darauf freuen wir uns schon extrem. Das Rockhouse ist wie ein Zuhause für uns: Ich habe dort schon mit den unterschiedlichsten Bands gespielt. Und wir haben dort immer noch einen Proberaum.

Wie würden Sie Ihre musikalische Sozialisation beschreiben?

Mario Fartacek: Mein erster wichtiger Einfluss war Stoner Rock. Kyuss. Dann kamen die Nine Inch Nails. Dadurch kam ich auf das analoge Sound-Ding. Die Roots liegen also im Rock. Dann kam Hip-Hop dazu. Kendrick Llamar zum Beispiel.

Verwenden Sie Samples?

Mario Fartacek: Wenn ich etwas sample, dann nur die eigene Gitarre oder Giovannas Stimme. Damit baue ich gerne Flächen, Klangteppiche, die man nicht mit Stimmen oder Instrumenten in Verbindung bringen würde.

Die Eigenständigkeit im Sound ist für Sie wichtig, oder?

Mario Fartacek: Auf jeden Fall, ja. Es geht darum, einen eigenen Sound zu finden, ohne die Plug-ins zu verwenden, die alle anderen auch verwenden.

Wie viel Eingängigkeit braucht es?

Mario Fartacek: Eine gewisse Eingängigkeit braucht es schon. Wir haben schon einen Pop-Approach. Einfach, weil Giovanna gute Pop-Hooks schreiben kann. Ich kümmere mich dann um das Drumherum. Man kann ja jeden Popsong entweder billig oder sehr sophisticated verpacken. Nimm „FKA Twigs“: Das ist völlig abgefahren. Die Harmonien aber sind die eines völlig normalen Pop-Songs. Wir versuchen, es so roh wie möglich zu lassen. Der Song muss stehen. Oft ist es doch so, dass alles im Sound ertrinkt, aber kein Song dahinter ist: Würdest du es nachspielen wollen, würdest du scheitern.

Kommenden Februar kommt Ihr neues Album. Wie wird es klingen? Ähnlich wie die EP?

Mario Fartacek: Schon ähnlich, ja, aber wir haben auch ein paar 1980er-Synthies für uns entdeckt, was dem Sound eine positive Note verleiht. Man merkt einfach, dass die letzten Sounds im kühlen Norwegen und die neuen im Sommer von Wien entstanden sind.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich live vom Duo zu einer Band zu erweitern?

Mario Fartacek: Schon oft, ja. Derzeit aber habe ich das Gefühl, dass wir den Zweier noch nicht ausgereizt haben. Da geht noch viel. Sollte die Spannung einmal nachlassen, muss man eh über Erweiterungen nachdenken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

 

Foto Mynth 1: Niko Ostermann
Foto Mynth 2: Matthias Hombauer

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