„Sexismus ist im Allgemeinen ja auch sehr ‚gesellschaftstauglich‘“ – SCHWESTA EBRA im mica-Interview

Ebru Sokolova aka SCHWESTA EBRA ist schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Bekannt wurde die junge Musikerin mit Satire-Videos, in denen sie sexistische Musiker als Feministen darstellt. Sozialpolitisch engagiert sie sich zu Themen wie dem Frauenvolksbegehren, Wahlrecht für Menschen, die in Österreich ohne österreichischem Pass leben, und der Trennung zwischen Kunst und Künstler:in. Zu diesen Themen und mehr hat SCHWESTA EBRA mit Itta Francesca Ivellio-Vellin gesprochen.

Starten wir mal von vorne, nämlich mit deinem Namen: Inwiefern bist du von Schwesta Ewa inspiriert?

Schwesta Ebra: Musikalisch eigentlich gar nicht – ich kenne vielleicht drei Songs von ihr. Ich kenne sie eher von den anderen Sachen, wegen der sie in den Medien war [lacht]. Ich würde eher sagen, dass ich das Gegenteil von Schwesta Ewa bin.

Wie bist du dann zu deinem Namen gekommen?

Schwesta Ebra: Das hat eigentlich nichts mit Musik zu tun. Ich wollte meinen Instagram-Namen ändern, weil ich eigentlich meinen echten Namen, also Vor- und Nachnamen hatte, und der klingt nicht sehr österreichisch. Immer, wenn ich Posts von der Zeit im Bild zum Beispiel kommentiert habe, sind die Leute gleich mit Erdogan gekommen und irgendwelchen rassistischen Aussagen. Das hat genervt, auch auf Facebook. Ich habe immer Parodien von Capital Bra gemacht, und der macht am Anfang seiner Songs seinen Signature-Sound „Braah“ und ich habe in meinen Parodien „Ebraah“ gemacht, weil ich ja Ebru heiße. Da kam dann irgendwann „Schwesta“ dazu, weil ich früher viel Gangster-Rap gehört habe und ich’s cool fand. Die Intention war nicht, einen Künstler:innennamen damit zu erfinden, aber aus dem Insta-Namen wurde das halt so.

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Sehr pragmatisch! Wenn du als Schwesta Ebra ZiB-Posts kommentierst, wirst du nicht blöd angemacht?

Schwesta Ebra: Nein, gar nicht! Weil es eben nicht so offensichtlich nicht-österreichisch ist. Es ist angenehm, mir nicht ständig vorwerfen lassen zu müssen, ich müsste dankbar sein, weil ich in Österreich leben darf und deshalb hätte ich quasi nicht das Recht, dieses Land zu kritisieren.

Du bist allerdings Österreicherin, oder?

Schwesta Ebra: Ja, ich bin hier geboren, habe aber einen bulgarischen Pass. Eigentlich gehört meine Familie einer türkischen Minderheit in Bulgarien an. Ich lebe aber schon seit ich geboren bin in Österreich – darf aber hier trotzdem nicht wählen. Nicht einmal Demos anmelden oder Volksbegehren unterschreiben darf ich.

„Es ist angenehm, mir nicht ständig vorwerfen lassen zu müssen, ich müsste dankbar sein, weil ich in Österreich leben darf und deshalb hätte ich quasi nicht das Recht, dieses Land zu kritisieren.“

Das heißt, du hast dich zwar für das Frauenvolksbegehren stark gemacht, konntest es aber gar nicht unterschreiben?

Schwesta Ebra: Ja, leider! Das ist auch tatsächlich kein kleines Problem – in Österreich sind es über 1 Million, in Deutschland 11 Millionen Menschen, die das betrifft, aber wir werden gerne ignoriert.

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Was wäre deiner Meinung nach die optimale Lösung? Staatsbürgerschaft, oder einfach Wahlrecht, wenn man in einem Land lebt?

Schwesta Ebra: Gute Frage. Die NEOS haben eine Art Europapass vorgeschlagen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Ich denke mir auf jeden Fall, wenn ich hier geboren wurde, hier Volks-, Hauptschule und Gymnasium gemacht habe, hier studiert habe – wieso darf ich nicht wählen? Die ÖVP sagt zu diesem Thema immer „Leistung, Leistung, Leistung“ und „gleiches Recht für gleiche Pflichten“, aber ich habe dieselben Pflichten, wie andere, die hier leben, nur weniger Rechte. Das Nächste ist, dass der Zugang zur Staatsbürgerschaft so schwer ist. Diesbezüglich gab es auch eine Doku auf ORF1, bei der ich auch Teil war. Da kam einer vor, der bei gelb über die Straße gefahren ist, was als Grund genommen wurde, warum sein Antrag auf Staatsbürgerschaft abgelehnt wurde.

„…je mehr man weiß, desto wütender wird man, und desto größer ist der Wille, etwas zu tun.“

Wie bist du zu der Doku gekommen?

Schwesta Ebra: Ich war vorher schon viel in Kontakt mit SOS-Mitmensch, die NGO, die sich dafür einsetzt. Ich habe auch selbst Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt über Social Media – viele Menschen sagen nämlich zu mir „Ja, hol dir doch einfach die Staatsbürgerschaft!“, als ob das so „einfach“ wäre. Es ist nämlich nicht „einfach“. Aber die Leute wissen das nicht. Und solange die Leute das nicht wissen, ist niemand grantig deswegen und tut etwas. SOS-Mitmensch haben mich dann gebeten, ein Video zu machen, indem ich meine Geschichte erzähle. So bin ich dann auch irgendwann in die Dokumentation gekommen.

Bild Schwesta Ebra
Schwesta Ebra (c) Gizem Ince

Wann hast du begonnen, dich feministisch zu radikalisieren?

Schwesta Ebra: Seit ich in Wien bin, eigentlich. Da hat auch meine Freundin eine große Rolle gespielt – wir sind schon seit über neun Jahren zusammen. Wir haben uns auch immer gemeinsam in eine Richtung entwickelt. Wir sind dann auch in Wien gemeinsam auf Demos gegangen und haben uns immer mehr dafür interessiert und engagiert. Vor vier Jahren hätten wir sicher noch gesagt, „ja, diese Feminist:innen übertreiben komplett“. [lacht] Wir wollten es aber verstehen und je mehr man weiß, desto wütender wird man, und desto größer ist der Wille, etwas zu tun.

Wie bist du zum Rap gekommen? Das war ja nicht dein gesanglicher Startpunkt.

Schwesta Ebra: Um ehrlich zu sein: Keine Ahnung. Ich habe früher viel Pop, Rock und auch Jazz gesungen – von Amy Winehouse bis zu Evanescence

Amy Winehouse und Evanescence? Das ist eine ziemlich große Range!

Schwesta Ebra: [lacht] Ja, die Musik, die ich höre, ist halt auch sehr unterschiedlich!

Was ist momentan das meistgehörteste Lied von dir?

Schwesta Ebra: Ich bin schon noch dem Rap treu geblieben. Ich versuche aber, diese ganzen sexistischen Künstler nicht mehr zu hören, und mich mehr auf weibliche Künstlerinnen zu fokussieren. Ein paar bulgarische Songs höre ich derzeit auch gerne, weil ich eben erst einen Bulgarisch-Kurs gemacht habe, um lesen und schreiben zu lernen. Bisschen Katy Perry, Shirin David, Miley Cyrus, das ist alles bei mir dabei [lacht].

„Ich bin schon noch dem Rap treu geblieben.“

Wie schaut es aus mit Support von deinem Umfeld was deinen politischen Aktivismus und deine Musik angeht?

Schwesta Ebra: Bei fast allem, was ich mache, arbeitet meine Freundin auch mit. Auch musikalisch ist sie immer an meiner Seite. Aber mein Freund:innenkreis ist politisch auf jeden Fall auch auf meiner Seite, obwohl ich anfangs noch versucht habe, die alten Schulfreundschaften aufrecht zu erhalten. Aber das hat irgendwann aus u.a. politischen Gründen nicht mehr funktioniert. Meine Freund:innen supporten mich aber schon was meine Musik angeht. Ganz besonders freue ich mich immer, wenn mir fremde Menschen schreiben, wie toll sie meine Musik finden – oft bekomme ich richtige Aufsätze, das ist mir viel wert.

Bild Schwesta Ebra
Schwesta Ebra (c) David Pichler

Wenn du jetzt von deinen alten Schulfreund:innen redest, die politisch anders eingestellt sind: Wie gehst du mit Menschen um, die deinen Werten entgegengesetzt eingestellt sind – vor allem was Feminismus angeht? Sagst du dann, dass du solche Menschen nicht in deinem Bekanntenkreis haben möchtest, oder hast du einen Anspruch an dich selbst, andere Menschen aufzuklären und ihnen deine Seite näher zu bringen?

Schwesta Ebra: Deshalb verpacke ich meine Messages in Satire. Mein Sprachrohr ist ja derweil in erster Linie Social Media. Ich habe schon ein paar Konzerte spielen dürfen, da habe ich auch versucht, meine Botschaften in die Welt zu tragen. Es ist nämlich so, dass, wenn ich mich vor Leute hinstelle, die sowieso nicht offen für das Thema sind, und sage „Hey, Feminismus ist toll,“ dann habe ich sofort alle verloren. Deshalb nutze ich die Satire und habe mir daraus einen Spaß gemacht, weil ich gemerkt habe, dass das auch das Interesse von Leuten weckt, die vielleicht nicht politisch auf meiner Seite stehen. Ich habe ja auch versucht, meine Freundschaften von früher zu erhalten und über die Themen zu diskutieren – ich versuche immer, da möglichst neutral ranzugehen. Ich werde auch oft auf Instagram oder Youtube beleidigt, da schreibe ich auch zurück, „Du kannst mich gerne kritisieren, aber wozu die Beleidigung?“ Einmal hat mir zum Beispiel eine Person privat geschrieben, irgendwas Sexistisches, und ich habe mir dann dieses Profil einmal angeschaut und gesehen, dass diese Person gerade mal 16 Jahre alt war! Ich habe mir dann tatsächlich die Zeit genommen, und ihm das Ganze versucht zu erklären. Irgendwann hat er dann auch gesagt, „Ja, okay, du hast recht.“

„Du kannst mich gerne kritisieren, aber wozu die Beleidigung?“

Natürlich kann man sich bis in die Ewigkeit beschimpfen oder einander dann blockieren. Aber manchmal kann man vielleicht auch was an der Sichtweise der anderen Person ändern. Ist aber von der Tagesverfassung abhängig [lacht].

Ich finde es immer sehr bewundernswert, wenn Menschen die Kraft und Zeit aufbringen, mit solchen Menschen zu diskutieren und Aufklärungsarbeit auf dieser individuellen Ebene zu leisten.

Schwesta Ebra: Ich bin angehende Lehrerin, vielleicht liegt’s daran! [lacht]

Du warst ja im Juli 2022 bei Pro und Contra eingeladen, um über das Thema Trennung zwischen Kunst und Künstler:in zu diskutieren. Wie stehst du dazu – inwiefern kann man das trennen? Dürfen Songs oder gar Musiker:innen Bühnen verboten werden?

Schwesta Ebra: Also: Kunst und Künstler:innen darf und sollte man auf jeden Fall nicht trennen, weil die Kunst ja, egal was passiert, immer das Produkt der kunstschaffenden Person ist. Verbote finde ich weniger sinnvoll oder, besser gesagt, ich kann nicht sagen, ob das die Lösung von dem Ganzen wäre, da man die Problematik ja dann nicht mehr aufzeigen kann. Es ist allgemein sehr kompliziert. Immerhin spiegelt ja z.B. sexistische Kunst die Gesellschaft dennoch wider, denn wir leben nun einmal in einer sexistischen Gesellschaft und Sexismus ist im Allgemeinen ja auch sehr „gesellschaftstauglich“. Verstehst du, was ich meine? Bezüglich Verbote hat man das, finde ich, auch gut beim Song „Layla“ gesehen. Die Leute waren dann im „jetzt erst recht“-Modus; und im Endeffekt konnte man ihnen dann trotzdem nicht erklären, was denn das eigentliche Problem daran war.

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Sexismus ist ein Problem in allen Lebenslagen – jetzt gerade steht allerdings der Deutschrap sehr im Fokus. Warum? Warum assoziieren so viele Deutschrap automatisch mit Sexismus?

Schwesta Ebra: Deutschrap steht bestimmt jetzt auch mehr im Fokus, weil er alltagstauglicher geworden ist (siehe Regeländerung von Ö3 bezüglich Charts wegen Raf Camora). Deutschrap ist mit einem starken maskulinen und harten Männlichkeitsbild verbunden; darauf beruht auch, denke ich, das Belächeln weiblicher Rapperinnen im Sinne von „Frauen können nicht rappen“. Abseits vom politischen Rap beherrschen eben Marken, Autos und Geld die Lyrics und da, das hat Ebow in einem Interview sehr gut gesagt, darf man aber nicht vergessen, dass diese Menschen meist in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen sind und oft auch Migrationsgeschichte haben und sie mit dem jetzigen materiellen Besitz das mehr oder weniger ‚ausgleichen‘. Ich weiß nicht, ob ausgleichen das richtige Wort dafür ist, ehrlich gesagt. Man hatte quasi nichts und war niemand und jetzt hat man eben vieles und ist jemand. Ich sehe das zum Beispiel bei meiner eigenen Mutter auch – sie ist zwar keine Rapperin – aber dadurch, dass sie sehr viele Jahre hier in Österreich sehr wenig Geld hatte und so weiter ‚gönnt‘ sie sich jetzt einfach mehr und legt auch zum Beispiel mehr Wert auf Statussymbole als ich, die in erster Generation hier geboren bin.

„Deutschrap ist mit einem starken maskulinen und harten Männlichkeitsbild verbunden; darauf beruht auch, denke ich, das Belächeln weiblicher Rapperinnen im Sinne von ‚Frauen können nicht rappen‘.“

Was ich bei Newcomern und auch sehr vielen jungen Rappern beobachte ist aber auch stark dieses unnötige sexistisch Sein in Texten. Da merkt man richtig „okay, der hat wohl zu viel 187 Straßenbande gehört“. Die nehmen sich dann eben diese ‚starken Jungs‘ zum Vorbild und packen ein paar ähnliche Lines rein; wobei es oft so unnötig und aus dem Kontext gerissen erscheint. Da denke ich mir schon oft „na wow, da hast du jetzt unbedingt noch schnell ein ‚du billige Schlampe‘ auf Zwang einbauen müssen.“

Vielen Dank für das Gespräch!

Itta Francesca Ivellio-Vellin

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Links:
Schwesta Ebra (Instagram)