Der in Salzburg lebende Bassist, Perkussionist und Tänzer JACOB GREGERSEN und der österreichische Saxofonist VITUS DENIFL bilden das Duo JAVENTU. Ihre musikalische Basis ist Jazz, den sie jedoch weit hin zu anderen Stile öffnen und auf diese Weise auf ganz eigene Art interpretieren. Der Sound, den sie erzeugen, ist minimalistisch, rhythmisch anspruchsvoll und dennoch sehr groovig; er ist melodiereich und inspiriert von Musik aus Westafrika, Brasilien und Indien. Mit “Pivots on a Rock” erscheint Anfang März auf Jazzit:Edition, dem Label des Salzburger Clubs Jazzit. Im Interview mit Michael Ternai sprechen die beiden über die Entstehung ihrer Stücke, die stilistische Breite ihrer musikalischen Einflüsse und die Bedeutung des Tanzes für ihre Musik.
Ihr habt euer gemeinsames Projekt vor zwei Jahren gestartet. Was habt ihr eigentlich vor Javentu getan. Von dir Vitus weiß ich, dass du die Jahre zuvor recht aktiv in der Salzburger Musikszene unterwegs warst. Wie sieht es generell mit eurem Backround, eurem Werdegang aus?
Vitus Denifl: Ich bin hier in Salzburg aufgewachsen und hatte das Glück, dass ich eigentlich immer von einer Gruppe wirklich cooler Leute umgeben war, die alle Musik gemacht haben. Wir haben alle in einem Haus mit einem Proberaum abgehangen, wo wir uns oft getroffen und geprobt haben. Das, was mich in dieser Zeit auch sehr geprägt hat, waren die vielen Konzerte, die hier in Salzburg, unter anderem im Jazzit, stattgefunden haben. Zum Studium bin ich dann nach Wien gegangen, um dort Landwirtschaft zu studieren. Während meines Studiums startete ich mehrere Musik- und auch Zirkus-Projekte. Irgendwann hat es mich dann vollends in die Musik hineingezogen, sodass ich letztlich Saxofon und Rhythmik/Musik- und Bewegungspädagogik an der MdW zu studieren begann. Irgendwie hat sich während dieser Zeit in mir eine große Vorliebe für die Kombination von Rhythmus und Tanz entwickelt. Und die ist es auch, die mich mit Jakob verbindet, den ich nach meiner Rückkehr nach Salzburg kennengelernt habe. Wir teilen in dieser Sache ein wirklich sehr ähnliches Verständnis, und das trotz recht unterschiedlicher Backgrounds.
Jacob Gregersen: Ich komme aus Dänemark und wurde dort auch in eine sehr musikalische Familie hineingeboren. Meine Mutter unterrichtet am Konservatorium in Dänemark Musik- und Tanzpädagogik. Meine Eltern unternahmen im Rahmen ihrer Arbeit viele Studienreisen in Länder wie Kuba, Brasilien und Mali, was mich, glaube ich, schon sehr geprägt hat, da sie mich oft zu Konzerten und anderen Events von Musiker:innen und Künstler:innen aus solchen Ländern mitnahmen. Ich kam also schon sehr früh mit Musik und Tanz aus verschiedensten Kulturen in Berührung. Als ich die Schule abgeschlossen hatte, verbrachte ich sieben Monate in Brasilien, Mali und Senegal, wo ich mich intensiv mit den dortigen folkloristischen Tanz- und Rhythmusstilen beschäftigte. Ich tauchte wirklich tief in die Materie ein. Irgendwann verspürte ich den starken Wunsch, dies auch beruflich zu verfolgen. Ich kehrte dann nach Europa zurück und entdeckte die Tanzfabrik Berlin, die das Fach Tanzpädagogik anbot, und schrieb mich sofort ein. Gleichzeitig begann ich, privat Bassunterricht zu nehmen, mit dem Fokus auf Musik aus Westafrika. Auf diese Weise lernte ich auch eine senegalesische Band in Berlin kennen und spielte in ihr mit.
Vor etwa dreieinhalb Jahren kam ich dann wegen eines Tanzstudiums nach Salzburg. Parallel dazu versuchte ich von Anfang an, mir auch ein musikalisches Netzwerk aufzubauen. So lernte ich Vitus kennen, bei dem ich sofort erkannte, dass er die gleichen musikalischen Vorstellungen teilte.
Also musikalisch und künstlerisch eine Liebe auf den ersten Blick.
Jacob Gregersen: Ja, absolut. Es hat sofort gepasst. Schon nach unserem ersten Treffen war für uns klar, dass wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollen. Nach den ersten beiden Sessions zusammen verfestigte sich in mir auch das Gefühl, dass hier etwas wirklich Interessantes entstehen kann.
Euer Debütalbum “Pivots on a Rock” erscheint auf dem Label des Salzburger Clubs Jazzit. Es ist daher wenig verwunderlich, dass eure Musik auch gleich mit Jazz in Verbindung gebracht wird. Wenn man sich jedoch eure Stücke genauer anhört, erkennt man sehr schnell, dass da viel, viel mehr passiert. Die Einflüsse kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen.
Jacob Gregersen: Ja, das stimmt. Unsere Musik ist reich an verschiedenen Einflüssen. Etwas, das uns beide besonders stark inspiriert, ist Tanz. Wir versuchen in unserem Duo, genauso wie auch in unseren anderen Projekten, interdisziplinär zu arbeiten. Daher hat unsere Musik auch einen starken performativen Charakter. Tanz beeinflusst vor allem stark darin, wie wir uns gegenseitig im Spiel bewegen, wie wir komponieren und wie wir alles in Groove umsetzen. Auch wenn wir oft in ungeraden Metren spielen, entstehen diese aus der Idee heraus, dass sie sich dennoch sehr natürlich anfühlen sollen und man sich zu ihnen bewegen kann. Unsere Motivation ist nicht, zu zeigen, wie komplex wir spielen können, sondern ein Gefühl und eine Stimmung zu erzeugen.
Vitus Denifl: Unser Zugang ist etwas schwer in Worte zu fassen. Und was die Genrezuschreibung betrifft. Ein Genre ist immer auch eine Art Brand, mit dem Musik versehen wird. Der Zuschreibung Jazz passt bei uns vielleicht in diesem Sinne ganz gut, da er viel mit dem Suchen nach Neuem zu tun hat, mit dem Experimentieren und Improvisieren. Bei uns entsteht viel aus der Improvisation heraus. Wir spielen und improvisieren und lassen aus einer zunächst kleinen Idee von Melodie oder Rhythmus etwas Größeres entstehen, bis am Ende eben ein Stück, eine Komposition steht.
Jacob Gregersen: Und natürlich spielen auch andere Kulturen eine große Rolle für uns. Bei mir fließt natürlich viel von der Bewunderung für das, was ich in Senegal, Mali und Brasilien studiert habe, sowie die Art und Weise, wie dort Musik gespielt und gelebt wird, in die Kompositionen ein. Mich haben lange Zeit die verschiedenen Rhythmen in 6/8 aus Afrika sehr interessiert, ebenso wie das Spiel an verschiedenen Perkussionsinstrumenten. Das wiederum beeinflusst sehr stark meine Art, Bass zu spielen, und wie ich Rhythmen denke.
Vitus Denifl: Ich glaube auch, dass unsere Verbindung zu Bewegung und Tanz uns auch genau nach so einer Musik, in der eben all diese Dinge ausgedrückt werden, suchen lässt. So ist zum Beispiel auch Hip Hop, der auch Verbindungen zum Tanz aufweist, ein Einfluss. Die Art, wie man etwas performt, hat auch viel mit sozialer Interaktion zu tun.
Jacob Gregersen: Für mich ist auch ein spiritueller Zugang zu Musik inspirierend. Auch wenn ich jetzt kein allzu religiöser Mensch bin. Aber ich habe zum Beispiel die Musik der Candomblé in Brasilien gesehen und miterlebt, die eben aus der Religion entspringt und einen spirituellen Aspekt in sich trägt. Da vereinen sich Musik und Tanz zu einer Art Trancezustand. So etwas fasziniert mich ungemein.
Ihr habt gesagt, dass sich eure Musik sehr oft aus der Improvisation heraus entwickelt. Wie kann man sich das bei euch vorstellen?
Vitus Denifl: Es kommt sehr oft vor, dass wir uns treffen, gemeinsam zu spielen beginnen und plötzlich eine coole Idee entsteht. Diese Idee nehmen wir dann auf. Im eigentlichen Sinne komponieren wir eigentlich nicht, obwohl wir das könnten. Für uns besteht der Reiz darin, alles aus der Interaktion heraus entstehen zu lassen.
Jacob Gregersen: Manchmal ist es aber auch so, dass wir gemeinsam eine Idee ausarbeiten und diese dann unabhängig voneinander zu Hause weiterentwickeln. Wenn wir dann zurück im Studio sind, tauschen wir unsere jeweiligen Ideen aus. Es ist dann wie ein Ping-Pong-Spiel, das eine Weile so weitergeht, bis am Ende ein Stück entsteht, das unseren Vorstellungen und unserer musikalischen Sprache entspricht. Es ist ein sehr fließender Prozess.
Das heißt, am Anfang steht noch nicht fest, in welche Richtung ein Stück geht.
Jacob Gregersen: Genau. Aber genau so zu arbeiten, macht uns auch große Freude. Vor allem auch, weil wir, auch bei der kleinsten Idee zu einer Melodie oder einem Groove, eigentlich immer das gleiche Gefühl – nämlich, dass aus dieser kleinen Idee etwas werden könne – haben. Wir sind uns da relativ schnell einig. Und erst dann tauchen wir tiefer ein und schauen, wo die Reise hingehen könnte.
Vitus Denifl: Wir haben aber sehr oft schon eine sehr genaue Vorstellung von dem, wie etwas klingen soll und welche Stimmung ein Stück transportieren soll. Die Vorstellung leitet uns dann ein wenig den Weg. Das hilft schon sehr.
Das Spezielle an eurem Sound ist auch, dass er einen sehr minimalistischen Charakter hat. Da ist eigentlich von nichts zu viel. Habt ihr euch bezüglich des Sounds ganz bewusst für diese Richtung entschieden?
Vitus Denifl: Ja und nein. Als wir uns die ersten Male zum Spielen getroffen haben, waren ja auch noch andere Leute dabei, mit denen wir gejammt haben. Aber es kristallisierte sich relativ schnell heraus, dass wir dann doch eigene Vorstellungen haben. Daher beschlossen wir und in weiterer Folge einmal zu zweit weiterzumachen, um herauszufinden, welche unsere musikalische Sprache wirklich unsere ist. Das war wirklich cool. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir uns Kollaborationen mit anderen Musikerinnen und Musikern vollkommen verschließen. Jetzt Releasekonzert im Jazzit zum Beispiel werden wir bei ein paar Stücken zwei Featured Guests haben.
Jacob Gregersen: Es war sehr spannend, zum ersten Mal die Stücke mit Javentu zu proben und zu sehen, wie der Ansatz von Javentu klingen kann. Es hat super funktioniert. Daher ist es durchaus vorstellbar, auch einmal im Trio- oder Quartett-Format mit Javentu zu spielen. Das wäre sehr interessant.
Allerdings haben wir uns für das Duo-Format entschieden, weil gerade bei unserer Instrumentenkombination Bass und Saxofon andere spannende Herausforderungen entstehen. Es erfordert, die Rollen und Funktionen der Instrumente neu zu überdenken, insbesondere in Bezug darauf, was für ein Stück angemessen ist. Man muss wirklich darüber nachdenken, welche und wie viele Noten man spielt und wo man zwischen den Tönen Raum lässt, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Das macht den Reiz dieses Duos für uns aus.
Euer Album erscheint, wie schon erwähnt, bei Jazzit Records. Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit dem Label?
Vitus Denifl: Ich kenne Jürgen (Vonbank, künstlerischer Leiter des Jazzit; Anm.) schon eine Weile, ebenso wie seinen Vorgänger Andreas Neumayer. Ich habe schon öfter mit verschiedenen Projekten und Bands im Jazzit gespielt. Irgendwann dürften sie dann Gefallen an unserem Duo gefunden haben und buchten uns für das jährlich in Salzburg stattfindende Take The A-Train Festival. Wir spielten dort unser Konzert eigentlich nur kurz nachdem wir die Aufnahmen für das Album abgeschlossen hatten. So führte quasi das eine zum anderen.
Jacob Gregersen: Ich denke, Jürgen mochte sehr, was wir gespielt haben. Er postete unter anderem auf Instagram einmal einen kurzen Groove von uns, den wir irgendwo gespielt hatten. Außerdem bot er uns an, ihm unsere Aufnahmen zu schicken, wenn wir etwas aufgenommen hatten. Was wir auch taten. Jürgen und das Jazzit haben uns sehr unterstützt und tun es immer noch. Das ist für eine Band, die sich in einem solch frühen Stadium ihrer Karriere befindet, sehr wichtig. Das Releasekonzert im Jazzit ist für uns so etwas wie ein erster Schritt auf eine größere Bühne. Dass uns das ermöglicht wird, ist wirklich wunderbar.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Javentu live
01.03. Jazzit, Salzburg – Albumrelease-Show
25.05. Literaturfest Salzburg
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