Der Pop-Dreier SHARKTANK veröffentlicht mit „Acting Funny“ (Humming) sein zweites Album. Nach dem Debüt-Durchbruch – die Band krachte 2021 aus dem Studio in die Charts – hören mittlerweile jeden Monat 450.000 Leute auf Spotify zu. MARCO KLEEBAUER, KATRIN PAUCZ und MILE haben damit nicht nur die FM4-Formel, sondern die ganze Indie-Gleichung geknackt. Man klingt wie Bilderbuch, und dann doch nicht. Man rappt, weil man es kann. Und schreibt Songs, für die Formatradios erfunden wurden.
Zwei Drittel von SHARKTANK sitzen an einem Jänner-Nachmittag im Café Kriemhild hinter der Stadthalle. KLEEBAUER lässt aus, die anderen dürfen Presse machen. „Weil wir eh alle das Gleiche sagen“, meint MILE und grinst gequält. Lust auf das Gespräch: Geht so. Geführt haben es er und KATRIN PAUCZ trotzdem. Es wurde so, wie ihr Album klingt. Ganz ok.
Gratulation, ihr habt ein Gegenpol-Album zur Beschissenheit der Gegenwart gemacht!
Mile: Danke!
Katrin Paucz: Wir überspitzen unseren Sound. Die Produktion ist happy …
Mile: Während die Texte schon serious sind.
Katrin Paucz: Weil es in ihnen nie um die Außenwelt geht.
Ist die Innenwelt nicht auch …
Katrin Paucz: Ein Produkt unserer Umwelt? Ja, klar!
Also handelt ihr anders, als ihr fühlt?
Katrin Paucz: In der Realität würde ich die Sachen nie so angehen, wie ich sie in den Songs beschreibe. Sie sind ein Release, den man sonst im Leben nicht hat.
Wie meinst du das?
Katrin Paucz: Ich hasse die Konfrontation. Trotzdem muss die Wut irgendwo raus. In meinen Texten find ich dafür ein Ventil: „Fuck Everything!”
Das ist der Release?
Katrin Paucz: Manche Menschen hauen sich dafür, ich schreib drüber.
Mile: Ich seh mich schon in unseren Texten. Klar, manche Dinge würde ich nie in Gesprächen sagen, aber deshalb sind sie ja in unseren Texten!
Katrin Paucz: Miles Muttersprache ist Englisch, meine ist Deutsch. Ich muss also umdenken und kann mich dahinter verstecken. Das heißt nicht, dass ich nicht sage, was ich sagen will, im Gegenteil: Wenn ich auf Englisch schreibe, denke ich mehr nach als auf Deutsch. Trotzdem: Das Schreiben in einer anderen Sprache ist ein Schutzschild.
Mile: In den Sessions kommen außerdem Dinge hoch, über die ich sonst nie fokussiert nachdenke. Wenn wir im Studio sitzen, passiert vieles intuitiv.
Katrin Paucz: Danach fühlen wir uns besser als davor.
Mile: Andere gehen zur Psychotherapie, wir machen Musik!
Wie eine Psychotherapie klingt das nicht.
Katrin Paucz: Wie klingt es für dich?
Nach dem Gegenteil: Ihr überspielt etwas.
Katrin Paucz: Ich analysiere nie, was ich schreibe. Deshalb ergibt sich die Idee davon immer erst danach.
Trotzdem berührt dich ein Thema im jeweiligen Moment: Es geht dich an.
Katrin Paucz: Natürlich, es ist in mir drin, hat eine Wichtigkeit.
Mile: Es kommt drauf an, auf welchen Vibe wir Bock haben. Dabei bedingen wir uns stark.
Katrin Paucz: Inzwischen – und das ist der Unterschied zum ersten Album – kennen wir uns besser. Man traut sich einzelne Themen anzusprechen, die man davor vermutlich nicht angesprochen hätte. Die Hemmschwelle ist also gefallen – wir relaten mehr und gehen in die Tiefe.
Geht ihr offen mit euren Gefühlen um?
Mile: Wir sind verletzlich, ja. Wollte ich ein Image aufbauen, dass mich als starke Person darstellt, würde ich nicht solche Texte schreiben. Ich will aber nie ein Gefühl erzeugen. Es kommt aus dem Moment und macht uns als Band aus – deshalb sind wir relatable!
Katrin Paucz: Ja, wir vertrauen dem Prozess und versuchen ihn so lange weiterzuführen, bis ein Funke entsteht. Selbst wenn es sich anfühlt, als ob man den größten Scheiß macht – man muss durch.
Weil man ein Grundvertrauen entwickelt hat? Schließlich hat es schon einmal funktioniert.
Katrin Paucz: Ich hab Vertrauen in uns, weil ich weiß, dass wir gute Songwriter:innen sind. Es kommt nur auf den Vibe an.
Mile: Das ist wie bei Tischler:innen, sie können es einfach. Egal ob sie einen eckigen oder runden Tisch anfertigen, der Tisch wird gut.
Ihr wisst, der nächste Song wird gut?
Mile: Weil wir dem Moment vertrauen. Das heißt: Wir ändern nachträglich nicht zu viel, ansonsten würden wir den Vibe zerstören. Nicht alles muss perfekt sein.Im Moment zu bleiben, ist chilliger!
Katrin Paucz: Na ja, eine selbstkritische Ader zu haben, ist schon wichtig. Nur weil etwas passiert ist, muss es nicht automatisch gut sein.
Oder: Keinen Perfektionismus anzustreben heißt nicht, dass man keinen Anspruch hat.
Katrin Paucz: Bevor ich mit Marco und Mile Musik gemacht hab, war ich selbstkritisch. Durch sie – also zwei Musiker, die ich gut finde – bekomm ich instant Feedback. Ich merk dann, dass es gut ist. Ich muss es nur durchziehen. Gerade im Weitermachen kommt man auf neue Dinge. Das hört man auf der Platte.
Wie?
Katrin Paucz: Wir drei sind für uns sicherer geworden. Gleichzeitig vertrauen wir uns mehr.
Mile: Weil wir gecheckt haben, dass es nice werden könnte.
Also: Risiko?
Mile: Im Studio gibt es kein Risiko. Man macht Musik in seinem space. Wenn es mies wird, muss man es nicht veröffentlichen.
Ich mein eher: Man könnte auch scheitern. Das kann gut sein …
Katrin Paucz: Ich wollt grad sagen! Würde man nie erfahren, dass es auch schiefgehen könnte: Wie soll man differenzieren, ob etwas cool ist? Bei mir passt an zwei Tagen alles, am dritten kommt nichts zusammen. Trotzdem lernt man daraus, weil man weiß, was nicht funktioniert. Scheitern gibt es nicht – nur ein Ausschlussverfahren.
„ES IST NIE TOXISCH, IMMER POSITIV.“
Und die Disziplin, immer weiterzumachen.
Katrin Paucz: Früher, als ich unsicherer war, hab ich schneller aufgegeben. War eine Melodie nicht genau so, wie ich sie mir vorgestellt hab, hab ich die Idee verworfen. Durch das direkte Feedback von Marco und Mile, können manche Dinge mittlerweile stehen bleiben, weil sie auch hören – etwas, das ich vielleicht noch nicht gehört habe.
Mile: Umgekehrt kann es passieren, dass wir manches nicht verwenden, obwohl ich es cool fand. Wenn zwei dagegen sind, machen wir es nicht.
Katrin Paucz: Dafür muss die Chemie stimmen.
Mile: Wir haben einfach Glück gehabt.
Katrin Paucz: Es ist nie toxisch, immer positiv.
Mile: Ja, wir arbeiten gemeinsam für die Sache – es mag nicht der beste Song der Welt werden, aber wir alle wollen ihn so gut wie möglich hinbekommen! Diese Einstellung sorgt dafür, dass die Egos klein bleiben.
Setzt voraus, dass man sein Ego zurückschraubt, oder?
Katrin Paucz: Eben, das ist nicht selbstverständlich! Trotzdem: Würden wir nur unser Ego pushen wollen, hätten wir Soloprojekte.
Mile: Ich hab vor unserem Projekt gelernt, damit umzugehen. Deshalb mein ich: Wir hatten Glück und sind im richtigen Moment zusammengekommen, weil es auch Phasen in meinem Leben gab, in denen ich mehr Ego hatte. Mittlerweile schätze ich die Fähigkeiten von anderen mehr. Ich kann mich noch an eine der ersten Sessions erinnern. Katrin hat gesungen, ich dachte nur: Krasse Stimme!
Katrin Paucz: Danke dir!
Mile: Du bist da gesessen und hast supernice Texte geschrieben.
Katrin Paucz: Danke dir!
Schon wichtig, Komplimente auch annehmen zu können.
Katrin Paucz: Vor Sharktank hab ich nie öffentlich gesungen. Da und dort Backings, aber sonst … Manchmal kommt deswegen schon mein Imposter-Syndrom durch.
Mile: Deshalb sag ich dir, wenn ich’s gut find!
Katrin Paucz: Ich denk mir trotzdem: Wenn ich den nächsten Song einsinge, kommen sie drauf, dass ich das eigentlich gar nicht kann!
Sich ein bisserl selbst zu hinterfragen, kann auch gut sein, nicht?
Katrin Paucz: Kann bei mir aber schnell destruktiv werden. Wenn ich mir andauernd einrede, dass ich es gar nicht kann, beschäftige ich mich nur noch mit mir. Dadurch vernachlässige ich alles andere – ich laufe mit einem Tunnelblick herum und check nicht, dass sonst auch was passiert.
Was kann man dagegen tun?
Katrin Paucz: Ich will nicht sagen, dass man andauernd Selbstbestätigung braucht, aber sie hilft.
Es fühlt sich gut an, wenn dir andere sagen, dass es gut ist, was du machst.
Mile: Wär schon weird, wenn man ein Konzert spielt und danach gehen alle heim, ohne zu klatschen.
Manche klatschen vielleicht aus …
Mile: Das weißt du nicht und es wäre auch egal. Mir taugt es einfach, auf der Bühne zu stehen. Wenn ich dort oben steh, bin ich freier als zum Beispiel jetzt, in diesem Gespräch.
Warum?
Mile: Weil du als Artist auf der Bühne viele Dinge machen kannst, die du allein auf der Straße nicht machen könntest.
Katrin Paucz: Außerdem stehst du über den anderen – also physisch, auf der Bühne.
Mile: Alle schauen dir zu, trotzdem fühlt man sich frei.
Katrin Paucz: Ich hab mir auf der Bühne oft zu viele Gedanken gemacht: Wie seh ich aus? Kommt das gut? Irgendwann hab ich gemerkt: Das spielt sich alles nur in meinem Kopf ab. Dadurch ist man aber nie eine Band, sondern immer nur Ego. Zum Glück ist das von Show zu Show besser geworden.
Du denkst, dass die anderen denken, dass du …
Katrin Paucz: Deppert ausschaust, genau!
Mile: Das hab ich jeden Tag.
Katrin Paucz: Das haben alle, oder? Nur Mick Jagger stellt sich hin und sagt: „Fuck you, I’m …“
Mile: „So much better than everybody“
Katrin Paucz: Ja, es braucht eine gewisse Prise „Fuck-it“-Mentalität.
Alright, danke dafür!
Christoph Benkeser
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