SALÒ lebt in Wien, kommt aber ursprünglich aus der Steiermark. Seine Musik lässt sich irgendwo zwischen Post-Wave, Pop und Punk einordnen, sein Stil ist stark geprägt von 90er Trash. Seit kurzem ist er auf dem Universal-Sublabel MOM I MADE IT vertreten, bei dem er mit KEKE und ELI PREISS in guter Gesellschaft ist. Bald veröffentlicht SALÒ mehr punkige Nummern. Worauf wir uns freuen können, welche Rolle Comic Sans in seinem Leben spielt und warum aus ihm kein Schriftsteller geworden ist, erzählt SALÒ im Interview mit Itta Francesca Ivellio-Vellin.
Du bist ja gerade dabei, einen Richtungswechsel einzuschlagen. Wie kam es dazu und wie sieht der aus?
SALÒ: Ein kompletter Richtungswechsel ist es eigentlich gar nicht. Ich glaube, man hat auch auf meiner ersten EP „Tränen zu Wein“ und auf den Releases, die danach kamen, bemerkt, dass meine Wurzeln eigentlich beim Punk liegen. So übertrieben poppige Musik hab ich eigentlich selbst nie gefeiert. Aber was heißt schon Pop? Ich habe das Wort immer gehasst, weil ich damit so Radio-Musik assoziiert habe. Heute hab ich mich eigentlich mit der Genre-Bezeichnung angefreundet. Trotzdem werden die Songs, die ich jetzt ab November über mein neues Label MOM I MADE IT rausbringe, um ein vielfaches punkiger. Mittlerweile bin ich auch bissi über meine first-world-men’s-problems und den ganzen Liebeskummer hinweg, da möchte ich mich jetzt wichtigeren Dingen zuwenden.
Naja, toxische Beziehungen sind nicht unbedingt ein first-world-problem.
SALÒ: Nein, aber das habe ich jetzt für mich persönlich verarbeitet. Ich fand’s eigentlich immer blöd, zu sagen, man verarbeitet irgendwas in einem Song oder schreibt sich etwas von der Seele, aber offenbar habe ich das gebraucht. Der Arbeitstitel meines imaginären Albums war immer „120 Jahre Einsamkeit“, weil es zwei sehr einsame zwei Jahre waren, ohne Beziehung oder signifikante Liebschaften– gut, es war auch Corona, aber trotzdem. Da hat das Lyrische Ich viel zu erzählen gehabt. Jetzt sehe ich diesen Zwang nicht mehr. Mit den meisten meiner Notizen, die ich für neue Songs geschrieben habe, kann ich mich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht mehr identifizieren. Aber das Liebesthema zieht sich natürlich immer noch irgendwie durch all meine Lieder, zumindest zwischen den Zeilen. Dem entkommt man als von Leidenschaften geplagter Mensch nicht so einfach.
„Der Arbeitstitel meines imaginären Albums war immer ‘120 Jahre Einsamkeit’“
Du engagierst dich auch sozial. Du hast zum Beispiel einen Charity-Auftritt für die Autonomen Frauenhäuser, du hast einen Song in Kooperation mit SeaWatch („Du trägst keine Liebe in dir – Cover“) releast. Siehst du es als deine Pflicht an, als Künstler in der Öffentlichkeit mit einer Stimme, sie auch zu nutzen? Oder ist es einfach deine persönliche Überzeugung?
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SALÒ: Es gibt ja diesen Spruch, „Unpolitisch sein ist politisch“. Dem stimme ich zu. Es ist ja immer ein bisschen eine Ausrede, wenn man sagt, dass man sich nur auf die Musik und die Kunst konzentrieren möchte – dann schaut man ja einfach weg bei gewissen Problemen. Mein großes Vorbild Sven Regener von Element of Crime sieht das jedoch ganz anders. Der ist der Meinung, dass Kunst nicht nur für sich allein stehen sollte. Ich denke, jede Person muss für sich allein entscheiden wie politisch sie ihre Kunst gestalten möchte.
Die SeaWatch-Kooperation ist aus der Blumenau-Causa entstanden. Martin Blumenau hat mich ja einmal im Radio wegen meines S-Fehlers gedisst. Dadurch kam die Filmagentur The First Cut is the Deepest auf mich zu, weil sie Bock auf eine Non-Profit-Charity-Aktion hatten und dachten, ich sei der Richtige dafür.
Der Grund für den Auftritt für die Autonomen Frauenhäuser waren die Femizide, die leider in Österreich allmählich zur Tagesordnung gehören. Ich hätte sowieso in einem Atelier von Freund*innen spielen sollen und haben wir uns angesichts der damaligen Ereignisse dazu entschieden, einen Fundraiser daraus zu machen. Ich habe die Einnahmen vom Merch gespendet und das Studio die Einnahmen aus den Drinks und dem Eintritt, so kamen dann doch gute 600 Euro zusammen. Ist zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber irgendwas muss man ja machen.
Wieso radikalsoft? Bist du radikal soft?
SALÒ: Mein Instagram-Name? Ja, ich würde behaupten, ich bin ein radikaler Softie auf der Bühne.
Wie ist denn der Song mit Eli Preiss entstanden? Bist du einfach auf sie zugegangen?
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SALÒ: Nein, das ging über einen befreundeten Producer, APUA, der für Eli schon vorher Songs produziert hat. Eli hat dann in einer Session zufällig den Beat zu „Heißes Blei“ gehört – der eigentlich für mich bestimmt war – und gemeint, sie will da unbedingt mit rauf. Und der Rest ist Geschichte.
„Ich würde behaupten, ich bin ein radikaler Softie auf der Bühne“
Wie stehst du zu Comic Sans? Du benutzt die Schriftart sehr gerne auf Social Media – allerdings ist allgemein bekannt, dass man Geschriebenes in Comic Sans nicht ernst nehmen kann.
SALÒ: [lacht] Bei ernsten Themen wechsle ich tatsächlich die Schriftart.
Das heißt, du differenzierst zwischen ernsten Sachen und weniger ernsten mittels Schriftart?
SALÒ: Ja, absolut. Comic Sans kann man halt nicht so ernst nehmen. Aber ich feier den Trash, erinnert mich ein bisschen an mein Kindheit.
Identifizierst du dich mit Comic Sans?
SALÒ: Ja. Wenn ich eine Schrift wäre, wäre ich Comic Sans.
Wenn du dich jetzt wieder mehr dem Punk zuwendest, wirst du deine 90s-Trash-Internet-Ästhetik in den Musikvideos hinter dir lassen?
SALÒ: Ich bin Trash, ich liebe das Internet, daran wird sich wahrscheinlich nichts ändern. Wobei man natürlich sagen muss, die Ästhetik der Videos hängt auch immer davon ab, wer das Video macht. Ich bin ja da nur das Medium, das sich vor die Kamera stellt und sein Ding abzieht. Alles Technische und so machen die Leute, die sich da damit auskennen.
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Also die Videokonzepte werden von dir in fremde Hände übergeben?
SALÒ: Nein, Ideen werden immer zusammen ausgearbeitet. Das meiste passiert aber spontan vor der Kamera.
Du bist generell eher ein Musiker, der für’s Live-Performen lebt, oder?
SALÒ: Absolut. Nichts auf der Welt macht mich glücklicher, als live zu spielen. Da sprudeln alle Endorphine bei mir über und ich fühl mich wie auf Droge. Jedes Mal aufs neue eine ekstatische Erfahrung.
Wie sehr ist das eine Performance, wie sehr bist das du selbst?
SALÒ: Ich glaube, ehrlicher als auf einem Konzert von mir, wird man mich selten antreffen. Ich fühle mich, als könnte ich alle Hemmungen fallen lassen auf der Bühne und endlich ganz ich selbst sein.
„Nichts auf der Welt macht mich glücklicher, als live zu spielen“
In welcher Formation trittst du üblicherweise auf?
SALÒ: Philip spielt Bass, Mathias Drums und Mini Gitarre. Mit Philip und Mathias spiel ich schon in Bands seit ich 16 bin.
Was waren das für Bands?
SALÒ: Immer so Richtung Hardcore und Metal. Die letzte Band, die vor SALÒ hatte, war eine Punk/Hardcore Band namens Rival Cult. Kann man sich auch auf Bandcamp anhören. Rival Cult vermiss ich schon noch manchmal. Leider bin ich dann auf Erasmus nach Granada und damit hat sich das alles aufgelöst. Dann habe ich auch mein Studium abgebrochen und war zwei Jahre eigentlich lost.
Was hast du studiert?
SALÒ: Psychologie und Philosophie und Germanistik.
Auf Lehramt?
SALÒ: Ja, aber die Lehramtskurse habe ich nie wirklich besucht, das habe ich nur für die Eltern angegeben, damit ich die coolen Orchideenfächer in Ruhe studieren kann [lacht]. Habe aber viel gelernt dabei!
Tatsächlich?
SALÒ: Definitiv. Ich war früher eher auf der literarischen Seite und wollte Schriftsteller werden. Ich habe auch an einem Romankonzept gearbeitet. Hatte aber extreme Depressionen, weil es mir keinen Spaß gemacht hat, Prosa zu schreiben. Die Ideen alleine bringen aber nichts. Dann habe ich bemerkt, dass Musik das fehlende Bindeglied war, das mich mit dem Schreiben verbindet. Man schreibt, aber es ist keine Lyrik – Lyrik war mir immer in ein zu enges Korsett gepresst. Was Musik von der Literatur unterscheidet, ist der Mehrwert. Ein Buch kannst du einmal durchlesen und dann hat sich die Sache. Musik hört man öfter.
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Wenn ich ein gutes Buch gelesen habe, lese ich es auch gerne öfter.
SALÒ: Hm ja. Ich lese nur ein einziges Buch öfter, und zwar jedes Jahr: Bonjour Tristesse.
Was zeichnest du gerade auf dein Bein?
SALÒ: Eine Sonne. Gar nix.
Du tust dir schwer, still zu sitzen – kann das sein?
SALÒ: Absolut! Ich sage immer, ich mache ADHS-Pop! Das merkt man auch live!
Danke für das schöne Interview!
Itta Francesca Ivellio-Vellin
ADHS-Pop vom Feinsten gibt es an diesen Terminen live zu erleben:
19.11.2021 beim Styrian Sounds Festival 2021 in Graz
24.11.2021 in der KAPU Linz (Support von FLUT)
25.11.2021 im Das Werk in Wien (Support von FLUT)
17.12.2021 im p.m.k. in Innsbruck
18.12.2021 im Schokoladen in Berlin