Der Austrian Music Theater Day am 16. Juni 2021 stand unter dem Titel „Theater ohne Theater“. Dies brachte nicht nur zum Ausdruck, dass die Veranstaltung aufgrund der Pandemie online stattfand, vielmehr wurden verschiedenste Wechselwirkungen zwischen Raum und Musiktheaterwerken verhandelt – was bedeutet es für die Ästhetik einer Aufführung, wenn sie online, an traditionellen Aufführungsorten, an öffentlichen Plätzen oder in der Natur stattfindet?
Der Austrian Music Theater Day dient als Raum zur Vernetzung der internationalen Musiktheaterszene und umfasst Vorträge, Diskussionen, Netzwerkformate, Präsentationen internationaler Produzent*innen und Netzwerke sowie Kurzbeiträge zu ausgewählten Musiktheaterwerken. Initiiert wurde der Austrian Music Theater Day von den Musiktheatertagen Wien und gemeinsam mit mica – music austria/Austrian Music Export weiterentwickelt. Als Kooperationspartner konnten 2021 der Carinthische Sommer ebenso gewonnen werden wie die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, deren Studierende ebenfalls Videobeiträge mit Tanz in der Natur und elektronischer Musik beisteuerten.
Warum nicht den Raum zuerst denken?
Dass eine Aufführung nicht zwangsläufig ortsspezifisch ist, auch wenn sie im öffentlichen Raum dargebracht wird, führte Margarethe Maierhofer-Lischka in ihrem Videobeitrag mit Blick in den Garten und aus dem Fenster aus. Dass die Verlegung einer Aufführung an unüblichen Orten auch künstlerische Vorteile haben kann, führt gelegentlich zu überraschenden Erkenntnissen. So wurde die Aufführung von Johannes Kalitzkes Kirchenfilmoper „Jeanne d’Arc“ im Rahmen des Carinthischen Sommers coronabedingt in eine Eishalle verlegt – durch den langen Nachhall von rund fünf Sekunden ähnelt diese erstaunlicherweise der Akustik einer Kirche.
In der abschließenden Diskussionsrunde mit Margarethe Maierhofer-Lischka (Musikerin, Theoretikerin und Klangkünstlerin), Giovanni Netzer (Intendant Origen Festival), Georg Nussbaumer (Komponist) und Letizia Renzini (multidisziplinäre Künstlerin) wurde deutlich, wie sehr der Raum Einfluss auf die Aufführung nimmt. Und warum sollte man nicht den Ort nicht auch einmal auf sich wirken lassen, bevor man eine Veranstaltung zu planen beginnt? Dass aber unübliche Orte auch einen großen Mehraufwand bedeuten können (aber nicht zwangsläufig müssen), wurde ebenso deutlich wie die Notwendigkeit eines Rahmens, den ein (Musiktheater-)Werk an öffentlichen Plätzen oder in der Natur benötigt, um es als solches wahrnehmen zu können. Eine fruchtbare Diskussion, die den Blick auf den Räum und die mit ihm transportierten sozialen und politischen Konnotationen schärfte.
Internationale Vernetzung
Neben österreichischen Vertreter*innen präsentierten sich Musiktheaterproduzierende und Netzwerke aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Russland, die teils weit darüber hinaus wirken.
Folgende Musiktheaterwerke, die aus einer Ausschreibung hervorgegangen sind, wurden vorgestellt:
- „Consumnia” von Sehyung Kim/Alexander Micheuz
- „Taxidermic“ von Nava Hemyari
- „Die Poetin“ von Siavosh Banihashemi, basierend auf Texten von Forugh Farrokhzads
- „fort:une” von Katharina Roth
- „CHERNOBYLDORF” von Illia Razumeiko/Roman Grygoriv
- „GREAT OPEN EYES” von Carmen C. Kruse/Manuel Zwerger
- „Homo Deus Frankenstein“ von Frederik Neyrinck, produziert von makemake produktionen
- „How Is Your Bird?” von Studio Dan
In kleinen wechselnden Diskussionsrunden im Format eines Worldcafés wurden das Thema Musiktheater in Hinblick auf Architektur, Ausbildung, Dokumentation, Musik und Komposition an unüblichen Aufführungsorten verhandelt.
Der nächste Austrian Music Theater Day findet im September 2022 hoffentlich wieder physisch statt – doch brachte auch die Online-Variante den Austausch und neue Gedanken in Gang.
Link:
Musiktheatertage Wien
Carinthischer Sommer
Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien