“Rettet den (öffentlich-rechtlichen und parteiunabhängigen) ORF” und schützt das ORF-Orchester (RSO Wien)!Gerade endete im Parlament eine Sondersitzung zur Lage des ORF, die von den Grünen, FPÖ und BZÖ gefordert wurde, um die Regierungsparteien davon abzuhalten, noch mehr Einfluss auf den unabhängigen ORF nehmen zu versuchen. Ein Manifest der Chefredakteure und wichtiger Persönlichkeiten “Rettet den ORF!” wurde heute in den meisten unabhängigen Zeitungen abgedruckt. Auch die noch deutlichere drastische Stellungnahme des ORF-Redaktionsrates. Und natürlich auch der Kunstsenat oder Stellungnahmen von Bertrand de Billy oder Bernhard Kerres (Konzerthaus) zur “Auslagerung” des Orchesters.
Die Initiative des Altgenerals und Mitverfassers des “Manifests” Gerd Bacher, bei dem auch Persönlichkeiten von Hugo Portisch und André Heller bis Andrea Breth mit dabei sind, wurde nicht unwesentlich auch vom Falter und Armin Thurnher initiiert, der die Chefredakteure österreichischer Zeitungen bat, schriftlich zu argumentieren, dass sie sich unabhängig von den Interessen der Printmedien engagieren wollten, um den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk in Österreich zu retten. Nun stehen Presse, Kurier, Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten, Kleine Zeitung, Wirtschaftsblatt, der Standard stehen hinter dem Manifest, Falter und Furche sind an Bord. Österreichs Zeitungen erzwangen 1964 das Rundfunkvolksbegehren gegen Parteienherrschaft auf dem Küniglberg und das neue ORF-Gesetz von 1967, mit dem Bacher erstmals ORF-General wurde.Das “Manifest” (Wortlaut unten) fordert den Rückzug der Politik aus dem ORF, einen präziseren öffentlich-rechtlichen Auftrag, klare Konzentration auf das Kerngeschäft, radikale Sparmaßnahmen (wie sie im Strategiekonzept von ORF-Chef Alexander Wrabetz stehen, an seiner Durchsetzungsfähigkeit zweifelt die Initiative aber).
Bund und Länder sollen ihr Drittel an den ORF-Gebühren der Anstalt abgeben, der Bund ihr Gebührenbefreiungen abgelten. Dann könne man Werbung im ORF drastisch reduzieren. Über werbefreies Programm denkt auch die ÖVP nach.
Das Manifest im Wortlaut
Österreich droht eine gesellschaftspolitische Katastrophe: Der ORF ist ein Sanierungsfall und wie noch nie zuvor in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht. Der Untergang des öffentlich-rechtlichen ORF, etwa in Form seiner Zertrümmerung und Privatisierung, wäre nicht wiedergutzumachen.
Der ORF ist eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Institutionen Österreichs. Er ist ein unersetzlicher Partner für Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Sport. Er ist eines der wenigen Medien österreichischer Identität, kaum ein anderes kann seine Aufgaben übernehmen. Er ist der unverzichtbare Partner der österreichischen Filmindustrie und fast aller Sparten des Kulturlebens. Er ist eines der wenigen Massenmedien, die nicht nur eine nationale, sondern auch eine übernationale Rolle spielen. Zumindest sollte er das alles sein und tun. Dies ist der öffentlich-rechtliche Auftrag.
Die Hauptursachen des ruinösen Zustandes sind: Führungsposten wurden und werden nach parteipolitischen und nicht nach fachlichen Gesichtspunkten besetzt. Dadurch wurde und wird eines der komplexesten Unternehmen vielfach von heillos überforderten Leuten geführt. Aus dem gleichen Grund fehlt es auch in den Aufsichtsgremien an fachlicher Kompetenz. Hätten sie ihrer gesetzlichen Aufgabe entsprochen (z.B. bei der Anstellung von 1400 Mitarbeitern), wäre ein betriebswirtschaftlicher Unsinn zu verhindern gewesen. Der Betriebsrat verteidigt den gegenwärtigen Zustand.
Der ORF ist von innen nicht mehr sanierbar. Nur ein neues Gesetz mit radikalen Personal- und Strukturmaßnahmen kann seine Zukunft sichern. Die große Koalition plant ein neues Gesetz. Jedoch retten den ORF nicht kosmetische “Reformen” mit neuen Leuten, die es wiederum nicht können. Es bedarf faktisch einer Neugründung, die dem legendären Rundfunkvolksbegehren der unabhängigen Presse Österreichs entspricht, das in den 60er Jahren nach dem Vorbild der britischen BBC den öffentlich-rechtlichen ORF schuf.
Die wichtigsten Inhalte des erforderlichen Gesetzes sollten sein:
- Rückzug von Regierungen und Parteien aus den personellen, strukturellen und finanziellen Entscheidungen des Unternehmens.
- Entparteipolitisierungund deutliche Verkleinerung des Stiftungsrates, um ihn arbeitsfähig zumachen. Der Stiftungsrat ist nur mit ausgewiesenen, erfahrenenFachleuten der Medienbranche zu besetzen. Der Publikumsrat istverzichtbar oder in ein Gremium gesellschaftspolitischer Repräsentanzumzuwandeln.
- Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist zwingend und im Detail festzulegen.
- Allenicht zum Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählendenAufgaben soll der ORF von kommerziellen Dritten besorgen lassen;Auslagerung allein erbringt nicht die notwendige Produktivität.
- Neue Kollektivverträge, die den ORF konkurrenzfähig machen.
- Einsparung von Direktionen und Hauptabteilungen.
- Rückführung des Personalstandes auf höchstens den Stand vor dem Massenengagement.
- AlleStruktur- und Personalmaßnahmen treffen selbstverständlich auch auf dieLandesstudios zu. Der ORF muss gesundschrumpfen, um zu überleben.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird im Ausland vorwiegend durch Gebühren und nicht durch Werbung finanziert. Die Werbung mit ihrem Quotendruck widerspricht vom Prinzip her öffentlich-rechtlichem Selbstverständnis und verwischt die Unterscheidung von kommerziellen Programmen. Würden Bund und Länder für den ORF einen ähnlichen Aufwand erbringen wie für Theater, Opernhäuser usw., so müssten sie nur auf jenes Drittel an ORF-Gebühren verzichten, das sie bekanntlich kassieren. Die Gebührenbefreiungen sind jedenfalls vom Bund dem ORF zu ersetzen. Eine Reduzierung der Werbung wäre mit den geschilderten Maßnahmen möglich. Die kommerziellen Sender würden von dieser Maßnahme profitieren.
Die Plattform “Rettet den ORF!” fordert Regierung und Parteien auf, die Unabhängigkeit des ORF besonders in personalpolitischer Hinsicht zu respektieren. Bund und Länder gehen mit dem ORF um, als gehörte er ihnen. Die interessierte Öffentlichkeit liest von personellen Vorstellungen der großen Koalition, eine neue parteiengenehme Führung zu installieren, deren fachliche Qualifikation keinesfalls den notwendigen Anforderungen entspricht. Es gibt aber in- und außerhalb des ORF geeignete Führungspersönlichkeiten.
Die Plattform ist jederzeit zu fachlichen Gesprächen über ein Sanierungsgesetz bereit. Sie wird demnächst die Eckpunkte eines neuen Rundfunkgesetzes veröffentlichen. Die Plattform vertritt keine persönlichen oder parteipolitischen Interessen, besteht aus unabhängigen Fachleuten und ist überparteilich zusammengesetzt. Diese Aktion möchte Österreich die Schande einer medialen Zukunft ersparen, wie sie in postkommunistischen Staaten oder im Berlusconi-Italien herrscht.
Das Proponentenkomitee der Plattform “Rettet den ORF!”
Kurier, DER STANDARD, Die Presse, Wirtschaftsblatt, Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten, Falter, Die Furche.
Hugo Portisch, Journalist und Autor, Erfinder des Rundfunkvolksbegehrens;
Gerd Bacher, Journalist;
Kurt Bergmann, Journalist;
Trautl Brandstaller, Journalistin und Schriftstellerin;
Andrea Breth, Regisseurin;
Barbara Coudenhove-Kalergi, Journalistin;
Alfreda Fiala, Medienmanagerin;
Hubert Gaisbauer, Mitbegründer von Ö3 und Ö1;
Brigitte Hamann, Historikerin;
Andre Heller, Künstler;
Peter Huemer, Journalist und Historiker;
Gerhard Jagschitz, Historiker;
Udo Jesionek, Präsident a.D. des Jugendgerichtshofes;
Jochen Jung, Verleger;
Heinrich Keller, Jurist;
Wolfgang Kos, Historiker;
Johannes Kunz, ORF-Informationsdirektor a.D.;
Wolfgang R. Langenbucher, Kommunikationswissenschaftler;
Konrad Paul Liessmann, Philosoph;
Robert Menasse, Schriftsteller;
Alfred Noll, Rechtsanwalt;
Elisabeth Orth, Schauspielerin;
Alfred Payrleitner, Journalist und Schriftsteller;
Gustav Peichl, Architekt;
Anton Pelinka, Politikwissenschaftler;
Peter Radel, Jurist, kaufmännischer Direktor ORF a.D.;
Helga Rabl-Stadler, Präsidentin Salzburger Festspiele;
Bernd Schilcher, Rechtswissenschaftler, Schulexperte;
Paul Schulmeister, Journalist;
Franz Schuh, Schriftsteller;
Gerhard Vogl, Journalist
ORF-Stiftungsrat entscheidet über Ausgliederungen des Radio- Symphonieorchesters
Der Finanzausschuss des Stiftungsrates beriet am Montag über die Ausgliederungen von Facility Management, Radio-Symphonieorchester (RSO) und Ausstattung. Der Finanzausschuss kann hier lediglich eine Empfehlung abgeben, die Entscheidung über die Auslagerungen soll am Donnerstag im Plenum des Stiftungsrates gefällt werden. Der Betriebsrat des RSO fürchtet indes um das Überleben des Orchesters und lehnt die Ausgliederung “zum jetzigen Zeitpunkt mangels Notwendigkeit” ab, wie die Belegschaftsvertreter in einer Aussendung erklärten.
Rückendeckung bekommen sie vom ORF-Zentralbetriebsrat (ZBR). Dessen Obmann Gerhard Moser hatte vor wenigen Tagen betont, es gebe im ZBR “kein Verständnis” für diese Pläne. Die Ausgliederungen sind Teil des Plans von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, den ORF künftig auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. In seinem Strukturkonzept schlägt er die “Anpassung von Konzernstrukturen und die Konzentration auf das Kerngeschäft” vor, um für die künftigen Anforderungen gerüstet zu sein.
Die Neustrukturierung führt laut Wrabetz zur Reduktion von Personalkosten, einer höheren Flexibilität durch die Möglichkeit, mit Dienstleistern kurzfristige Verträge abschließen zu können, und zur Stärkung des Medienstandorts Österreich, durch die Entwicklung einer “Zulieferindustrie”. Das Radio-Symphonieorchester soll in eine RSO-GesmbH, eine hundertprozentige ORF-Tochter, ausgegliedert werden. Laut ORF-Kommunikationschef Pius Strobl werde diese Maßnahme – entgegen der Annahme der RSO-Betriebsräte – das Orchester langfristig sichern und nicht gefährden. Auf der Grundlage eines Vertrags zwischen RSO-Tochter und ORF soll die Finanzierungsgrundlage und der Bestand des Orchesters gesichert werden. Zusätzlich könne das Orchester nach einer Ausgliederung künftig “Drittmittel”, etwa öffentliche Kulturfördermittel, in Anspruch nehmen.
Die Belegschaftsvertreter des RSO sind davon überzeugt, dass das Orchester “ein gewichtiges Argument für die Erfüllung des ORF Kultur- und Programmauftrages” ist. “Wir Betriebsräte fragen uns nun, wie der ORF in Zukunft die Einhebung von Gebühren rechtfertigen will, wenn das Orchester in eine ungewisse Zukunft abgeschoben wird.” Das RSO trage zur Vielfalt des Programms und zur Vermittlung einer österreichischen Identität des ORF bei, hieß es in der Aussendung.
Im Vorfeld der Stiftungsratssitzung und der Nationalratssitzung zum Thema ORF meldete sich am Freitag einmal wieder der Verband Österreichischer Privatsender zu Wort. In einer Aussendung erhob er die Forderung, die Werbemöglichkeiten des ORF zu reduzieren oder ganz zu streichen. Der ORF müsse, um sich verstärkt dem öffentlich-rechtlichen Auftrag widmen zu können, vom Quotendruck befreit werden. Das hieße, den ORF “aus der Abhängigkeit von der Werbewirtschaft zu befreien” und ihn von Wirtschaftskrisen und sinkenden Werbeerlösen unabhängig zu machen. (Der Standard vom 27.03.)
ORF-Orchester-Frage – in der Sondersitzung im Nationalrat und im “Manifest” leider unterbelichtet
Chefdirigent Bertrand de Billy ergriff vor dem Konzert des RSO Wien im Musikverein am Donnerstag vergangener Woche vor versammeltem Publikum das Wort und warnte vor der Ausgliederung, die das Ende des Orchesters bedeuten könnte. “Das Orchester weiß nicht einmal, “wohin es denn ,privatwirtschaftlich ausgegliedert´” werden solle und wie und vom wem das finanziert werden solle. Er bat “jeden einzelnen von Ihnen”, das Orchester zu unterstützen, wie er bereits einmal vor einigen Jahren von der Öffentlichkeit unterstützt worden war, um die Reduktion und Nicht-Nachbesetzung von Streicherstellen zu verhindern. Das vom ihm zum Aufstehen gebetene RSO Wien erhielt triumphalen Applaus des Abonnementpublikums. Die darauf folgende Aufführung von Strauss’ “Don Juan” und dem Larcher-Konzert war dann enthusiastisch und mustergültig gut.
Auch Bernhard Kerres sagte gestern bei der Abo-Pressekonferenz des Konzerthauses, er sei gegen die Ausgliederung des Orchesters aus der Rundfunkanstalt. “Dass dieses Orchester auch im Konzerthaus immer mit vollem Engagement und so viel Güte spiele, dass sie manchmal besser als die Wiener Symphoniker sind”, habe überdies seine aufrichtige Bewunderung.
Auch einige der Abgeordneten bei der Sondersitzung äußerten sich noch einmal gegen eine Auslagerung laut den bestehenden Plänen. Kanzler Faymann äußerte dort, die Opposition werde in ein neues ORF-Gesetz (“Neugründung”) eingebunden. Er wolle einen kleineren Stiftungsrat ohne Parteienvertreter. Nach einer Strukturreform solle dem ORF die Gebührenbefreiung teilweise rückerstattet werden. ORF-Chef Wrabetz sagte zur Debatte, eine Gebührenrückerstattung sei wichtig, an einer Strukturreform arbeite man intensiv.
Der Redakteursrat des ORF wählte Freitag drastische Worte für ein umfangreiches Positionspapier: Die Journalistinnen und Journalisten des ORF “verwehren sich gegen alle Versuche, die finanzielle Krise des ORF zum Anlass zu nehmen”, die Anstalt “stärkerer Kontrolle der parteipolitischen Macht zu unterwerfen”. Sie “warnen eindringlich davor, dass Regierungsparteien versuchen, es zu einer Tradition zu machen, über Gesetzesänderungen stärkeren Einfluss auf den ORF zu nehmen”.
Zu Plänen, in der “Information” zu sparen: Der Redakteursrat: “Weitere personelle und finanzielle Einschränkungen” dort verursachten “zwangsläufig Leistungskürzungen, kaum umkehrbare Beschädigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen demokratiepolitischer Bedeutung und weitere Schwächung journalistischer Qualität in diesem Land”. Die Journalistenvertreter fordern etwa “öffentlich kontrollierbare und nachvollziehbare” Bestellung von Stiftungsräten mit “Qualifikationsnachweis” (Wortlaut der Stellungnahme auf der Standard-Website).
(hr)