„Respekt muss man sich erarbeiten!“ – HVOB im mica-Interview

HVOB gehören international im Moment zu den wohl begehrtesten heimischen Acts. ANNA MÜLLER und PAUL WALLNER – die beiden Köpfe hinter dem Projekt – sprachen mit Markus Deisenberger über ihr aktuelles Album „Trialog“, unverschämte Radiosender und wehleidige Fragen.

Ihr aktuelles Album „Trialog“ klingt düsterer – oder besser vielleicht nachdenklicher – als das bisherige Schaffen. Sehen Sie das auch so, und wenn ja, gibt es einen spezifischen Grund dafür?

HVOB: Spezifischen Grund gibt’s dafür keinen, und wir möchten auch keine Empfehlungen abgeben, wie man unsere Arbeit hören soll. Gebrauchsanweisungen für Kunst sind nicht so unsere Sache. Aber dass „Trialog“ anders klingt als unser erstes Album, ist uns insofern recht, als es ja in jeder künstlerischen Arbeit auch um eine Entwicklung geht.

„Trialog“ – der Titel ist, wenn man so will, programmatisch. Sie haben tatsächlich mit den Visualisten von Lichterloh und dem bildenden Künstler Clemens Wolf zusammengearbeitet, was einen Trialog zwischen Musik, Installation und Video erzielen sollte. Wie kam es dazu? Würden Sie sagen, dass die „mission accomplished“ wurde?

HVOB:
Ein paar wenige Videos werden noch releast, wir sind im Gespräch mit Kunstmessen, auch medial ist die Aufmerksamkeit immer noch groß. Aber im Wesentlichen ist die „mission accomplished“, ja. Wir sind sehr froh darüber, wie alles gelaufen ist, von der Zusammenarbeit mit Clemens und Lichterloh bis zur Rezeption von Publikum und Medien, das war alles schon eine sehr große Erfahrung.

„Aber unser Maßstab ist nicht der Aufwand, sondern das Ergebnis.“

Wird etwas Derartiges in seiner sicherlich enorm mühevollen Entstehung überhaupt entsprechend wahrgenommen? Zahlt es sich aus?

HVOB: Es war natürlich viel Arbeit. Aber unser Maßstab ist nicht der Aufwand, sondern das Ergebnis. Und damit sind wir sehr zufrieden, abgesehen davon, dass ja auch der ganze Weg für uns wichtig war.

Lässt sich diese genreübergreifende Kunst über ein Medium – die Vinylschallplatte oder den Download, je nachdem – überhaupt ganz erfahren oder muss ich, um in den Genuss des Gesamtkunstwerkes zu kommen, die multimediale Erfahrung machen?

HVOB (c) Lukas Gansterer

HVOB: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Leute unterschiedliche Zugänge finden. „Trialog“ funktioniert auf allen Ebenen gut, die Musik alleine, die Konzerte – sobald sich jemand nur ein wenig mit der Idee beschäftigt, wird das alles erfahrungsgemäß sehr schnell schlüssig. Die einfachsten Zugänge zur Idee des übergreifenden Projekts sind aber wahrscheinlich die Videos auf YouTube.

Ihre Musik kann man auf der großen Bühne, im kleinen Club und im Wohnzimmer wahrnehmen. Sie treten auch international auf. Wie unterschiedlich sind die Reaktionen auf Ihre Musik?

HVOB: Da gibt es in Wahrheit gar keine Unterschiede. Und es ist uns auch ziemlich wichtig, dass wir in den USA, in Indien, China, Afrika oder Österreich ziemlich gleich wahrgenommen werden. Weil HVOB kein Projekt ist, bei dem eine Verortung Sinn machen würde. Insofern ist diese breite internationale Anerkennung nicht nur wahnsinnig erfreulich und bestärkend für uns, sondern auch eine wichtige Bestätigung unseres Wegs.

Trotz aller Coolness merkt man bei Ihren Liveauftritten, dass es Ihnen wirklich Spaß macht. Würden Sie sich als Live-Act bezeichnen?

HVOB: Natürlich, und zwar ganz wesentlich. Wir spielen im Jahr etwa hundert Konzerte, sind so gut wie jedes Wochenende unterwegs. Und live zu spielen ist jedes Mal wieder etwas Besonderes, auf jeden Fall, und, ja, es macht auch Spaß. Spaß ist doch nichts Uncooles!

„The Anxiety to Please“ heißt die erste Nummer Ihres Albums. Haben Sie die Angst, zu gefallen, verstanden als die Sorge, auch kommerziell zu entsprechen, im Rahmen von HVOB denn schon einmal verspürt?

HVOB: Nein, überhaupt nicht, der Track bezieht sich auch nicht auf uns als HVOB, sondern beschreibt einen ganz speziellen Zustand. Natürlich freuen wir uns, wenn den Leuten unsere Arbeit gefällt, und wir wissen das auch wertzuschätzen, aber gefallen zu wollen halten wir als zentrale künstlerische Motivation für überfordert, einen völlig falschen Weg, und zwar nicht nur für uns, sondern überhaupt. Da gibt’s keine Kompromisse. Die Leute wollen nicht hören, was eine Künstlerin beziehungsweise Künstler glaubt, dass sie hören wollen, sondern was eine Künstlerin beziehungsweise ein Künstler ausdrücken möchte.

„Wir sind aus Wien, aber es war uns nie wichtig, HVOB zu verorten […]“

Beim vorletzten Waves-Festival hat ein US-amerikanischer Booker von dieser Band, von diesem Act namens HVOB geschwärmt. Er habe anfangs gar nicht gewusst, erzählte er, dass die aus Österreich seien. Erst viel später habe er das erfahren. Würden Sie das als Kompliment werten?

HVOB: Eine Bestätigung der Ausrichtung, das ja. Wie gesagt: Wir sind aus Wien, aber es war uns nie wichtig, HVOB zu verorten, weil es eben keinen Sinn machen würde.

Sie sind weltweit unterwegs. Haben Sie es wegen oder eher trotz Ihrer Herkunft geschafft?

HVOB: In dem Moment, in dem man die Herkunft eines Projekts betont, spielen wahnsinnig viele andere Dinge automatisch eine Rolle: Klischees, Referenzen, Kontexte. Das kann bei manchen Acts Sinn machen, weil sie aus einer Tradition heraus verstanden werden wollen, aber bei uns ist das eben nicht so, und ganz abgesehen davon ist alles, was mit Patriotismus zu tun hat, ohnehin eine problematische Sache, aber das ist ein eigenes Thema.

Es ist nun auch schon wieder eine Weile her, aber Sie haben im Februar letzten Jahres Ihre Nominierung für den Amadeus Award auf eigenen Wunsch gecancelt. Gemeinsam mit anderen Acts, die ihre Nominierung ebenso zurückzogen, haben Sie damals für ziemlich viel mediales Aufheben gesorgt. Bereuen Sie die Härte der damaligen Aktion oder stehen Sie immer noch voll dazu? Oder hätten Sie – Sie haben die Veranstaltung beziehungsweise den Amadeus damals als gut und richtig beschrieben – noch härter sein sollen?

HVOB: Klar stehen wir dazu. Die Sache war ja auch wirklich einfach: Amadeus fanden und finden wir gut, weil wir Initiativen für Musik grundsätzlich gut finden. Aber es muss Grenzen geben, und eine solche wurde in der Gestaltung der Partnerschaft mit einem Radiosender überschritten, der sich reichlich unverschämt verhielt.

Ausschlaggebend waren damals die Werbemaßnahmen im Rahmen der Kooperation mit KRONEHIT. „Da können und wollen wir nicht dabei sein. Wir sind davon überzeugt, dass sich österreichische Musik nur dann Respekt verdient, wenn sie Respekt einfordert“, haben Sie damals gesagt. Denken Sie, dass man als international anerkannter Act in Österreich genug Respekt bekommt oder mangelt es an anderen Ecken auch?

HVOB: Puh. Ist das nicht eine, Verzeihung, ziemlich wehleidige Frage? Respekt als Künstlerin beziehungsweise Künstler bekommt man doch nicht einfach so – Respekt erarbeitet man sich.

Über Ihr neues Album ist auf krone.at sehr gut und reflektiert geschrieben worden. Sind Sie versöhnt?

HVOB: Das freut uns zu hören, aber wir lesen die Kronen Zeitung eigentlich nicht.

Sie haben einmal gemeint, Kompromisse an Nebenfronten schützten den wichtigen Freiraum, den kompromisslose Kunst brauche. Trotzdem verstehen Sie sich, glaube ich, auch als durchaus politischen Act. Wie geht das zusammen?

HVOB: Kompromisse können Sinn machen, Kompromisse an Nebenfronten wie Vertrieb oder Medienarbeit zum Beispiel können künstlerische Freiräume schaffen, genau dieser Meinung sind wir. Das ist natürlich nicht „the perfect world“, aber wenn man die Grenzen konsequent zieht, geht sich das gut aus. Und abgesehen davon haben wir zu gewissen Themen eine Meinung und eine Haltung. Wenn man das als politischen Act bezeichnen möchte, dann gerne, wir selbst würden es nicht tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger