Der Release Radar ist eine monatliche Auswahl an Single Releases aus dem Bereich Pop/Rock/Elektronik made in Austria.
ANKATHIE KOI – „Baby Boy“ (Faszinator Music // VÖ 08.09)
Am 8. September brachte Ankathie Koi einen neuen Song mit dem Titel „Baby Boy“ heraus. Im Song geht es um die sexuelle Begierde einer Frau mit 40 Jahren aufwärts und das real life, in dem es zwar Falten und graue Haare gibt, aber dafür mehr Erfahrung und Selbstbewusstein.
Im Song zelebriert Ankathie Koi das savoir vivre einer femme fatale und spannt den Bogen von St. Tropez nach Wien. “Sweet baby boy, komm zu Mama Koi. Mamas toy is mamas joy” singt sie verspielt und bleibt dabei (für ihre Begriffe) stimmlich cool. Es geht um die weibliche Lust ab 40, die für die Öffentlichkeit plötzlich unsichtbar, wenn nicht sogar bewusst ignoriert würde, erklärt Koi. „In unserer Gesellschaft ist es völlig normal und nicht erwähnenswert, dass Typen jüngere Frauen haben. Aber wenn Madonna einen jüngeren Partner hat, steht das echt in jeder Zeitung. Das ist meiner Meinung nach wirklich sehr abstrus.” Gewohnt exzentrisch bedient sich Koi an 80er Beats, Schlager-Elementen und erinnert dabei an Falco wie Michael Jackson. Sie gibt sich ungeniert und hemmungslos ihrem Verlangen hin und macht keinen Hehl aus ihrer Lust für einen jungen Mann. „Ich wollte in Baby Boy eine spätsommerliche softpornografische Szenerie möglichst poetisch beschreiben. Der Song ist gespickt mit kleinen Zweideutigkeiten und wenn man da ein bissl aufpasst, dann kann man die Anspielungen nicht überhören”, erzählt die Sängerin. Es ist gewagter Wien-Pop, der frech und fröhlich daherkommt und zum losgelösten Tanzen einlädt. Wie eine Venus, die aus ihrer Muschel emporschwebt, hebt sie im letzten Refrain den Song einen Ganzton an. Herrlich klischeehaft klingt das. „Bubi ich seh alles, auch wenn ich nicht present bin”, tönt die Wahlwienerin in Denglisch und sprengt die Grenzen dessen, was die Gesellschaft akzeptiert. Auch in der heuer erschienenen Single “Amour Fou” geht es um Lust und sexuelle Begierde. Ankathie Koi zieht sich für die kommenden Monate ins Studio zurück, um ihr neues Album fertigzustellen, dass Ende April 2024 erscheinen wird.
Fazit: Eine gelungene Ode an die Lust, elegant und spaßig. Ein gesellschaftskritischer Song der sich ohne Miete zu zahlen in deinem Ohr einnistet und dich begleitet, während du dich zum Ausgehen fertig machst. Make it very intensiv.
VALEH – „Want You“ (VÖ: 16.09.)
Am 22. September brachte die talentierte Schauspielerin, Sängerin und Aktivistin VALEH aka Valerie Huber ihre zweite Single raus. Mit “WANT YOU” entführt sie die Hörer:innen in rockige Sphären und zeigt sich mit authentischem sowie selbstbewusstem Sound.
Sie ist eine junge Frau, die sich verlieren will und die sich willensstark das Mikrophon zu eigen macht. Was anfangs anmutet wie ein nachdenklicher Avril Lavigne Song aus den 2000ern, gibt, dir spätestens ab dem Refrain einen Energie-Kick und wird zum Ohrwurm, der nur so vor Kraft strotzt. Das präzise Zusammenspiel von Schlagzeug, lässigem Gitarrensound und VALEH´s Stimme die “I want you – shivers running down my body. I want to lose myself” singt, zündet Emotionen und mündet in ein Grande Finale. Darin spielen Drums und Gitarre die Hauptprotagonisten und sie wissen genau – dieser Song ist für die großen Bühnen gemacht. Wuchtig und verführerisch, cool und rockig präsentiert sich diese Pop-Rock Single mit eingängiger Melodie. Im Song geht es darum zu wissen, was man will, um Klarheit und Selbstbestimmheit, lautet ein Statement der 27-Jährigen. Was VALEH will, weiß sie, hört man deutlich. Denn in diesem Track wurde mit gekonnter Lässigkeit und musikalischer Präzision nichts dem Zufall überlassen, Text und Musik stammen aus der Feder der vielseitigen VALEH.
Aufgenommen wurde der Song im Sommer dieses Jahres, produziert von Claudio Matta in Berlin. Im Video, gedreht von Sam Mashati, zeigt sie sich in der Stadt der Liebe – Paris. Mit Band bestehend aus Gitarre und Schlagzeug rockt VALEH zu ihrem Song. Sie begegnet im Video einem Mann mit Selbstbewusstsein, Begierde und Sinnlichkeit.
Fazit: Ein echtes must-listen, das einer großen Zielgruppe gefallen könnte. Ein feel-good-Song, der Kraft gibt und mit jedem Mal hören noch besser klingt.
Maraskino – „Heute ist die Zukunft“ (jhruza records // VÖ 15.09.2023)
„Heute ist die Zukunft – übermorgen wird hart“ lautet die reflektiert ironische Punchline des partypositiven Elektro-Dance-Trios Maraskino. Die saloppe Übersetzung der lateinischen Bonmots „carpe Diem“ und „memento mori“ impliziert bereits einen ungezügelten und ausschweifenden Hang zu rauschhaften Feierlichkeiten.
Der Vocoder und die tonangebende Stimme von Nancy Nuclear (Jessica Gaspar) erklingen abwechselnd mit allegorischen Anspielungen zu erfrischend fröhlicher Elektro-Musik, der Bernhard Hammer (Elektro Guzzi) an der Gitarre viel Leben einzuhauchen versteht.
Oh alien – “Shining” (Assim Records // VÖ 08.09.2023)
Die Band suggeriert bereits im Namen, mit dem unbewussten Ich in Kontakt zu sein. Dass dieses unbewusste Alien in unserer Seele unser Handeln leitet, ist den meisten seit Entdeckung der Tiefenpsychologie schon irgendwie bewusst. Warum also nicht aktiv in dieses Geschehen eingreifen? Das probateste Mittel hierfür ist sicherlich die Musik. Zum Beispiel in Form eines fröhlichen Liedes.
„Shining“ heißt dieses, das versucht, allen mentalen Spielverderbern, Pessimisten wie Skeptikern – also allen Stimmen im Kopf, die dem Leben bereits den Rücken gekehrt haben – den Mund zu verbieten, um eine passende Atmosphäre für Optimismus zu schaffen. Entstanden ist so ein Song, der eine Leichtigkeit vermittelt, und sich somit auch gut für Produktplatzierungen verwenden ließe – ohne dabei banal zu sein. Ein Song wie ein Life Hack. Mit Produzent Sixtus Preiss ist dieses Experiment bestens gelungen.
Oh alien
RAHEL – “Schaffner” (Ink Music // VÖ 08.09.23)
Rahel ist zweifellos der neue Stern am Indie-Himmel. Passender wäre eine Bezeichnung als Party Kapitän um die Brücke von Rahels neuer Single „Schaffner“ zu bedeutender deutscher Popmusik zu schlagen. Ganz egal, ob die Einflüsse der alten Neue Deutsche Welle von den Humpe Schwestern (Ideal/2raumwohnung) bis Judith Holofernes (Wir sind Helden) noch sehr deutlich sind. Bild und Ton vermitteln sofort den Eindruck eines Charakters, der seine Texte nicht zu einer Kultur-Kampffront verkommen lässt, um aktuell oder relevant zu wirken. Natürlich war und ist Musik immer politisch. Das ist sie auch bei Rahel. Aber in lyrische Zeilen gehüllt. Wer hört schon gerne Marschlieder?
Es sind einfache Sätze wie „Siehst du jetzt, wie gut es ist? Dass du doch geblieben bist“, die wie von Zauberhand ganze Gefühlswelten auslösen und darauf verzichten, mit der Brechstange eine neue Welt zu proklamieren. Dass bei Rahel alle Frauen im Stehen pinkeln war im metaphorischen Sinne eh klar. Doch vermittelt sie dabei immer mehr den Eindruck der interessanten Verbündeten, als die der radikalen Krawallmacherin.
Texte: Sophia Oleska, Dominik Beyer