Eine ungewöhnliche Kollaboration mit einem musikalisch noch ungewöhnlicheren Ausgang. So in etwa lässt sich das gemeinsame Projekt der österreichischen Experimental-Formation RADIAN und des amerikanischen Country-Rockers HOWE GELB wohl am treffendsten beschreiben. Das entstandene Album “Radian verses Howe Gelb” (Radian Releases) ist ein schönes Beispiel dafür, dass Spannendes entstehen kann, wenn man vollkommen Gegensätzliches aufeinandertreffen lässt.
Die Zusammenarbeit zwischen Radian und Howe Gelb (Giant Sand) wirft zunächst einmal die Frage auf, ob eine solche überhaupt funktionieren kann und auch Sinn macht. Musikalisch sowieso komplett unterschiedlich ausgerichtet, findet sich die einzige Gemeinsamkeit dem ersten Blicke nach nämlich alleine im Umstand, dass beide einmal vor vielen Jahren beim gleichen Label, Thrill Jokey, untergebracht waren. Und sonst? Auf der einen Seite eine Band, die sich im avantgardistischen Kontext zwischen Elektronik, Postrock, Klangkunst und ein wenig Jazz angesiedelt hat, auf der anderen ein Künstler, der aus der Alternative-Country- und Folkecke stammt.
Das gelungene Experiment oder auch: Clash der Welten
In der musikalischen Ausrichtung weiter auseinander geht eigentlich kaum. Und dennoch, das gewagte Experiment gelingt, eben weil sich gerade aus diesem Gegensatz viele Spannungsmomente herausbilden. Martin Brandlmayr (Schlagzeug, Vibraphone, Elektronik, Synths), Martin Siewert (Gitarren, Elektronik, Synths) und John Norman (Bass), die drei Köpfe hinter Radian, und Howe Gelb (Gesang, Gitarre, Klavier) lassen die Welten einfach aufeinanderprallen und entwerfen sich so ein Klanguniversum, das sich jeder Genrezuschreibung Genre entzieht. Es ist etwas sehr Eigenes, das zum Erklingen gebracht wird.
Was fein ist, ist oft auch zerbrechlich
Auffallend ist, dass die Beteiligten extrem reduziert und zurückhaltend an die Sache herangehen und jeder Ausuferung einen Riegel vorschieben. Das Vierergespann besinnt sich auf das Wesentliche und arbeitet mehr skizzenhaft und mit Andeutungen als nach den Regeln eines Songs. Die Melodien sind von eigenwilligen computergenerierten Sounds und (Stör-)Geräuschen überlagert und die meiste Zeit nur zu erahnen, die Beats sparsamst und gefühlvoll gesetzt und das analoge Instrumentarium feingliedrig eingewoben. Alles wirkt, auch wegen Gelbs dezenten tiefen und rauen Gesangsstils, seltsam fragil, als könnte die Nummer im nächsten auseinanderbrechen.
“Radian verses Howe Gelb” übt eine seltsame Faszination aus, denn wirklich greifbar ist das zu Gehör Gebrachte nicht. Das Geschehen bahnt sich auf undefinierbare Art seinen Weg, wodurch die ganze Sache bis zum letzten Ton aufregend bleibt.
Michael Ternai