Die Band INTIMSPRAY hat in den 1980er-Jahren die erste Phase ihrer Karriere erlebt – damals nannte man sie auch die deutschen CLASH. Ähnlich wie ABBA starten die INTIMSPRAY jetzt nach rund 36 Jahren erneut durch: Jürgen Plank hat die Band getroffen und mit HEINZ D. HEISL, HERIBERT „CORNY“ KORNFEIL und DANIEL HOMOLKA über Punk, Reggae und Roadstories von früher und heute gesprochen. In diesen Wochen erscheint die neue EP „Religion“ und demnächst wird es ein Live-Album von INTIMSPRAY geben.
Wie kam es zur Reunion von Intimspray nach mehr als drei Jahrzehnten?
Heinz D. Heisl: Entstanden ist das im Rahmen der Party eines Musikerkollegen, nach 36 Jahren Pause. Dort gab es einen Proberaum und weil die Partygäste mitbekommen haben, dass der Großteil der Band anwesend ist, wurden wir gebeten einen unserer alten Songs, „In leeren Räumen“, zu spielen. Wir mussten den Song dann mehrfach spielen und danach haben wir uns überlegt, wieder etwas zu machen. Auf Facebook wurde ein Video von diesem Abend gepostet und unser englischer Bassist hat daraufhin gefragt, ob die Band einen Bassisten braucht?
Corny, du spielst Gitarre bei Intimspray, wenn du auf die erste Phase der Band zurückschaust: wie erfolgreich wart ihr damals?
Heribert „Corny“ Kornfeil: Wir sind in den 1980er-Jahren gut angekommen und es hat nicht viel gefehlt und wir wären in die höhere Liga des Musikgeschäfts aufgestiegen. Wir haben viel live gespielt, in Deutschland, auch in Italien, und haben alles von München aus aufgebaut. Wir hatten einen Mäzen, durch den wir ein wenig in die Kunstszene gekommen sind. Wir haben damals zum Beispiel im Rahmen des WOM-Festivals in der Olympiahalle in München gespielt. Da waren Bands dabei wie Nena, Karat, Spliff und Hubert Kah, alle von dieser NDW-Szene.
Heinz D. Heisl: Wir wurden auch zu diesem Festival eingeladen, weil wir damals bei einem Major-Label in Deutschland waren, bei RCA. Über das Magazin Bravo ist natürlich viel gelaufen, weil unser Produzent der Chef-Fotograf von Bravo war.
Ihr wart also inmitten der Neuen Deutschen Welle (NDW) unterwegs. Was hat damals zu noch mehr Berühmtheit gefehlt?
Heinz D. Heisl: Wir waren ein bisschen störrisch, wir wollten uns nicht in andere Richtungen lenken lassen. Wir waren damals wie heute immer dunkel angezogen und die Plattenfirma wollte etwas Bunteres haben. Es gab damals eine Konkurrenzband aus Düsseldorf, die haben alles mitgemacht und sind heute noch ganz groß, das sind die Toten Hosen. Wenn ich mir Campino heute in seinen Strampelhosen auf der Bühne anschaue – das war nicht unsere Welt. Wir waren ein wenig zu stur und der zweite Punkt ist das Geld. Alle haben mehr verdient wie wir. Wir haben zirka 15.000 LPs verkauft, was damals relativ gut.
Für 15.000 verkaufte LPs würdet ihr heute wahrscheinlich eine Goldene Schallplatte bekommen.
Heinz D. Heisl: Drei Mal Gold! Wir waren etwas kritischer als andere Bands, man konnte sehr gut zu unserer Musik tanzen, aber die Texte sind einem im Hals stecken geblieben. Viele hören ja nicht genau hin. Aber wir haben auch zum Beispiel bei einer 3-Tagesaktion von Hermann Nitsch gespielt.
Daniel, wie bist du als Schlagzeuger und als jemand der einige Jahrzehnte jünger als die anderen ist, zur Band gekommen?
Daniel Homolka: Als sie in den 1980er-Jahren gespielt haben, war ich noch lange nicht auf der Welt, da haben gut zehn Jahre gefehlt. Sie haben 2020 ihren ersten Comeback-Gig im Cafe Carina in Wien gemacht, und der Kellner dort, spielt mit mir in einer Band. Der Kellner stammt aus Bayern und hat als Kind Intimspray im Autoradio gehört und war hellauf begeistert. Ich habe Intimspray nicht gekannt, aber der Kellner hat mir vorgeschlagen, mit unserer gemeinsamen Band den Song „In leeren Räumen“ von Intimspray zu covern. Als wir das Lied live gespielt haben, war Heinz im Publikum und weil Intimspray einen Schlagzeuger gesucht haben, bin ich zur Band gestoßen.
Heinz D. Heisl: Ich muss dazu sagen: wir haben ja viel mit Reggae zu tun. Unser Bassist Bill Pugh war damals in London in einer Szene unterwegs, in der auch Ian Durie war. Ich habe Daniel spielen gehört und habe mir gedacht: der kann Reggae spielen! Reggae muss man spüren, ich habe Jazzer schon am Reggae verzweifeln gesehen.
Ich habe in einem Artikel über euch gelesen, dass ein Auftritt mit eurem Bassisten Bill Pugh durchaus gefährlich sein kann. Wieso?
Heinz D. Heisl: Wir bewegen uns noch immer viel auf der Bühne, früher war das ganz extrem. Da musste man aufpassen, dass man keinen Hieb mit dem Bass abbekommt. Heuer haben wir auf einer kleinen Bühne in Berlin gespielt und da habe ich schon gemerkt, dass es zwei, drei Mal knapp war.
Corny, ich habe euch viel mehr in Richtung Punk als in Richtung Reggae verortet. Wie siehst du das?
Heribert „Corny“ Kornfeil: Wir haben natürlich unsere Musikvorlieben. Wr stehen auf Gruppen wie Gang Of Four oder The Clash und The Rods.Das sind vom Sound her unsere Vorbilder, kann man sagen. Der Reggae hat sich damals durch unseren Bassisten Bill bei uns entwickelt und hat uns gut zugesagt.
Heinz D. Heisl: Viele Punk-Bands, etwa Stiff Little Fingers, The Undertones, The Clash oder The Rods, die haben alle Reggae-Einflüsse dabei gehabt. Das ist ein spezieller Reggae.
Immer verschränkt mit Punk.
Heinz D. Heisl: Richtig. Wir haben Reggae-Einflüsse ja auch mit unseren schnellen Nummern verschränkt. Eine Nummer von uns„One Million Barrels“geht höllisch schnell dahin und plötzlich ist ein Break da und es geht in einen Reggae rüber und steigt wieder raus. Wie bei The Rods. Das hat uns fasziniert, man kann mit dem Reggae textlich viel machen und damals sind die Leute sofort am Tisch gestanden und haben getanzt. Wir haben damals zum Beispiel im Marienkäfer in München gespielt und viele aus dieser alternativen Punk-Szene waren als Gäste dort und sind dort auch aufgetreten. Ich bin mit großen Augen und Ohren dagesessen und habe gemerkt, dass alle irgendwann einen saugeilen Reggae spielen. Da war mir klar: das will ich auch, weil das groovt.
Reggae ist Musik des Widerstands, heute ist auch Hip-Hop in diese Richtung zu deuten. Hat Punk noch diesen Spirit oder hat Punk in diesem Zusammenhang seine Bedeutung ein wenig verloren?
Heinz D. Heisl: Was es jetzt an Punk gibt, das sind eher Nostalgie-Punks. Die Frisuren und das Outfit haben nichts mehr mit der Revolution zu tun. Ich glaube: Punk findet nach wie vor im Kopf statt. Anlässlich einer Foto-Session in London haben wir damals Malcolm McLaren kennen gelernt. Ich habe ihn gefragt, wie er die Sex Pistols geformt hat und dieser Punk der Pistols war nach außen schon ganz anders als innerhalb der Band.Ich kenne auchViv Albertine, die mit Sid Vicious liiert war. Sid kennen wir als den absolut wildesten Typ. Aber Viv hat gesagt, dass er ein Buberl ist, er war schüchtern. Ein amerikanischer Fan hat ihn mit Heroin vollgepumpt und er hat nicht mehr gewusst, wo oben und unten ist und hat eine Frau umgebracht. Nur Johnny Rotten war ein wirklich abgedrehter Hund, mit dem war Viv auch mal liiert.
Was bleibt von solchen Begegnungen hängen, etwa mit Malcolm McLaren, kann man sich da etwas abschauen?
Heribert „Corny“ Kornfeil: Das haben wir gemacht. Es ging auch um eine Art zu leben, Heroin habe ich aber nie genommen. Natürlich ist man eine Bühnenfigur, damals war auch die Anfangszeit von MTV und es gab viele Sendungen über Musik. Wir haben Platten und Kassetten gehört und sind zu Konzerten gegangen.
Heinz D. Heisl: Dazu gibt es einen schönen Spruch von Daniel Spoerri, der gesagt hat: man muss ein Vorbild haben und sich durch das Vorbild hindurch kopieren, dann kommt man selbst als Ergebnis heraus. Ähnlich hat das John Lennon gesagt, der immer singen wollte wie Elvis und dabei ist Lennon herausgekommen.
Damit ganz konkret zu einem Lied von früher, „Sayonara am Fudjiyama“, welches ihr einst in einer Show von Michael Schanze gespielt habt und das in einer neuen Version auf der aktuellen Platte „Religion“ enthalten ist: Jetzt heißt es „Sayonara Fukushima“.
Heinz D. Heisl: Das Lied musste sich verändern, die Zeiten haben in diesem Fall für uns gearbeitet. Inzwischen war ich zwei, drei Mal in Japan, auch am Fuße des Fujiyama. Als Fukushima passiert ist, musste man den Text ändert, das kann man nicht mehr übergehen. Phonetisch ist der Text gleich, viele merken gar nicht, dass das jetzt anders ist. Für mich war es wichtig, diese Thematik aufzugreifen. Da spielt eben wieder dieser Punk mit: man muss etwas sagen. Wir weisen auf Dinge am liebsten in tanzbare Weise hin.
„Ich glaube, wir haben noch nie so gut gespielt wie jetzt“
Haben sich eure Ansprüche in eurer aktuellen Bandphase im Vergleich zu früher verändert?
Heinz D. Heisl: Zunächst haben wir ja gar nicht gedacht, dass es erneut so eine Ausdehnung geben könnte, die sich jetzt aber langsam zeigt. Wir haben uns auch nicht vorgestellt, dass wir wieder Tonträger produzieren. Verändert hat es sich insofern: Ich glaube, wir haben noch nie so gut gespielt wie jetzt. Wir wissen ganz genau, was wir musikalisch machen wollen, auch welchen Sound wir wollen. Das Schöne ist, dass unser Schlagzeuger gerade ein Live-Album gemischt hat, das toll klingt!
Daniel, du hast das Live-Album gemischt, was erwartest du nun für die nächste Zeit?
Daniel Homolka: Spielen, spielen, spielen. Das ist ein Plan. Es gibt nichts Schöneres, als live zu spielen. Bei der EP „Religion“ war ich noch nicht bei den Aufnahmen dabei. Auch wenn ich noch nicht mitgewirkt habe, ist das ein Ding von mir, denn es sind unsere Songs, es sind inzwischen auch meine Songs, so fühlt es sich an. Der Live-Mitschnitt ist einfach passiert, bei meinem zweiten Auftritt mit Intimspray, da war ich noch etwas verhalten, weil ich nicht gewusst habe, was passieren wird. Jetzt weiß ich, dass es groß wird, ich bin jetzt so alt wie sie damals waren. Das Mischen des Live-Mitschnitts war natürlich viel Arbeit, aber als ich den fertigen Mix aus der Hand gegeben habe, habe ich mir gedacht: Das sind wir? Da bin ich dabei?
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
++++
Intimspray live:
3.3.2022, Audiversum (Innsbruck)
6.3.2022, Rest. Rigihof (Zürich)
11.3.2022, Cafe Carina (Wien)
++++