Wien (OTS) – Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) gibt die Gewinner:innen des mit jeweils 15.000 Euro dotierten Österreichischen Kunstpreises 2022 bekannt. Heuer erfolgt die Vergabe an folgende Künstlerinnen und Künstler: Ines Doujak (Bildende Kunst), Christiana Perschon (Film), Lisl Sharp-Ponger (Künstlerische Fotografie), Margot Pilz (Medienkunst), Johannes Maria Staud (Musik), Thomas Stangl (Literatur) und Willy Puchner (Kinder- und Jugendliteratur). Weiters werden das Kollektiv toxic dreams im Bereich Darstellende Kunst und der Verein Lalish im Bereich Kulturinitiativen ausgezeichnet. ARTEC Architekten – Bettina Götz und Richard Manahl – erhalten den Hans-Hollein-Kunstpreis für Architektur.
„Der österreichischen Kunst und Kultur wohnt eine immense Kraft inne. Künstlerinnen und Künstler sind die Triebkraft einer kritischen Gesellschaft und innovative Impulsgeber. Die Auszeichnung mit dem Kunstpreis ist mehr als die Anerkennung herausragender individueller Leistungen, der Preis steht stellvertretend für die Vielfalt und Exzellenz zeitgenössischen heimischen Kunstschaffens, das international zu Recht breite Beachtung und Rezeption findet“, gratuliert Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.
Der Österreichische Kunstpreis wird jährlich, der Preis für Kinder- und Jugendliteratur biennal, vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport vergeben. Der Hans-Hollein-Kunstpreis für Architektur wird seit 2016 jährlich vergeben und ist ebenfalls mit 15.000 Euro dotiert. Die Auszeichnungen werden etablierten Künstler:innen für ihr facettenreiches, international anerkanntes Gesamtwerk zuerkannt. Die Auswahl der Preisträger:innen erfolgt durch unabhängige Expertenjurys.
Die Preisträger:innen des Österreichischen Kunstpreises und des Hans-Hollein-Kunstpreises für Architektur 2022 im Detail
Ines Doujak – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Bildende Kunst
Doujak, geboren 1959 in Klagenfurt, studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. In ihren Werken erforscht sie die Ursachen und globalen Zusammenhänge von Pandemien, beschäftigt sich mit Stereotypen in Bezug auf Geschlechterrollen sowie Rassismus und Kolonialismus. Sie setzt sich zudem stetig mit der Ausbeutung der Umwelt auseinander.
Zuletzt war sie mit der Ausstellung „Landschaftsmalerei“ im Zuge der Vienna Biennale for Change im Kunst Haus Wien zu Gast, bei der Landraub im Fokus stand. In der Kunsthalle war ihr die Einzelausstellung „Geistervölker“ gewidmet, kuratiert vom Leitungsteam des Museums „What, How and for Whom“.
Christiana Perschon – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Film
Die 1978 geborene Künstlerin und Regisseurin studierte an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Sie arbeitete für den ORF, die Österreichische Mediathek sowie als Kuratorin. Ihre Filme gewannen zahlreiche Preise, u. a. Theodor Körner Preis (2018), „Best Austrian Short Film“ (VIS Vienna Shorts 2014), und wurden auf internationalen Festivals gezeigt.
Perschon geht es um die Frage nach dem Blickregime: Wie kann dem männlichen, weißen, heteronormativen System des Filmemachens eine andere (weibliche, lesbische) Herangehensweise entgegengesetzt werden? Wie müsste so ein widerständiger Blick aussehen, wie eine Arbeit mit und durch Film, die das Subjekt-Objekt-Verhältnis ganz anders denkt?
Perschons Arbeiten sind im Interesse dieses Formulierens eines „anderen Blicks“, einer feministischen Praxis des Filmemachens, fokussiert wie offen, poetisch und humorvoll wie rigoros.
Lisl Sharp-Ponger – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Künstlerische Fotografie
Nach einer Ausbildung in der Fotoklasse an der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien war Ponger als Filmemacherin, Fotografin und Medienkünstlerin tätig. Ponger fotografierte unter anderem bei Aktionen von Otto Muehl, Hermann Nitsch und anderen Vertretern des Wiener Aktionismus. Sie verbrachte längere Aufenthalte in Mexiko und den USA und begann 1979 zu filmen. Die Themen Fremdheit und Beheimatung, Erinnern und Vergessen spielen in ihrem Schaffen eine große Rolle. Sie war Gastprofessorin an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Ihr umfassendes Werk beschäftigt sich mit Fragen zur kulturellen Identität, die ihren Ausgang zumeist in der Analyse der Mechanismen und Auswirkungen des Kolonialismus nehmen. Die stereotype Darstellung des „Anderen“ untersucht Ponger ebenso wie die Methoden und die Politik in der Sammlungs- und Ausstellungspraxis ethnologischer Museen.
Margot Pilz – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Medienkunst
Pilz, geboren 1936 in in Haarlem/Niederlande, lebt in Wien. Sie gehört zu den Konzept- und Medienkünstler:innen der ersten Stunde und arbeitet konzeptuell und experimentell.
Ihre reiche künstlerische Produktion speist sich aus dem Geist jener avantgardistischen Zeit der 60er- und 70er-Jahre, die heute immer neu wiederentdeckt wird, deren immense Bedeutung und Potential erst nun im neuen Jahrtausend in vielen Ausstellungen und Publikationen gesehen wird. Radikal, aktionistisch und feministisch im besten Sinne – und auch selbstbestimmt.
Das über Jahrzehnte entstandene vielschichtige und komplexe Werk von Pilz setzt sich seit den 1970er Jahren mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und Arbeitsbedingungen sowie ökologischen und politischen Themen auseinander. Als Grenzgängerin zwischen den unterschiedlichen künstlerischen Sparten bedient sie sich frei verschiedener Medien wie der Fotografie, Konzeptkunst, Kunst im öffentlichen Raum, Installation und Performance. Sie arbeitete schon sehr früh als digitale Feldforscherin mit Medien wie Computer und Internet und fertigte seit den 80er Jahren zahlreiche Medienskulpturen an.
Johannes Maria Staud – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Musik
Staud, 1974 in Innsbruck geboren, studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Komposition bei Michael Jarrell, Elektroakustische Komposition bei Dieter Kaufmann und Tonsatz bei Iván Eröd. Es folgte ein Kompositionsstudium bei Hanspeter Kyburz an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und zahlreiche Teilnahmen an Kompositionskursen u. a. bei Brian Ferneyhough und Alois Pinos.
1997 war er Mitbegründer der Komponistengruppe Gegenklang in Wien, der er heute noch angehört. Seit 2018 lehrt er Komposition an der Universität Mozarteum in Salzburg. Seine Werke wurden u.a. vom Ensemble Modern und den Berliner Philharmonikern uraufgeführt. Aufträge erhielt er auch von den Wiener Philharmonikern, dem Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks sowie dem Cleveland Orchestra. Zu den wichtigen Werken der letzten Jahre gehören „Auf die Stimme der weißen Kreide“ (Specter I-III), uraufgeführt 2015 beim Festival Musica in Straßburg, und das Diptychon „Par ici – Par là“, erstmals komplett präsentiert vom Ensemble Intercontemporain beim Kölner Festival „Acht Brücken“.
Seine Oper „Die Weiden“, nach einem Libretto von Durs Grünbein basierend auf Algernon Blackwoods Erzählung „The Willows“, behandelt die Themen Flüchtlingskrise und Rechtspopulismus und wurde 2018 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt. 2021 brachte das ensemble xx. jahrhundert sein Werk „Listen, Revolution (we’re buddies, see -)“ beim Festival Wien Modern zur Uraufführung.
Thomas Stangl – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Literatur
Geboren 1966 in Wien, studierte Stangl Philosophie und Spanisch an der Universität Wien, er lebt und arbeitet als Schriftsteller in Wien.
In eine Zeit, in der selbstgewiss verlautbarte Standpunkte aufeinanderprallen, stellt Stangl seit seinem Debüt „Der einzige Ort“ (2004) seine Literatur, in der die Möglichkeiten der Sprache ausgelotet werden, mit der sich „Wirklichkeit“ erst erkunden lässt. Mit seinen Romanen, Erzählungen und Essays legt Stangl ein poetisches Netz über die Wirklichkeit und bereist und befragt diese damit. Er steht in der Tradition eines Prosaschreibens, die nicht zuerst auf die erzählte Geschichte baut, sondern auf die Wahrnehmung von Welt, die beeinflusst ist von Sprache, Denken und Erinnerung. Thomas Stangl eröffnet einen Raum der Verwandlung, der zugleich den Blick auf die Verhältnisse schärft.
Willy Puchner – Kunstpreis in der Sparte Kinder- und Jugendliteratur
Geboren 1952 in Mistelbach, besuchte Puchner die Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, Abteilung Fotografie und unterrichtete später auch dort. Er studierte Philosophie, Publizistik, Geschichte und Soziologie. Seit 1978 ist er freischaffender Fotograf, Zeichner, Künstler und Autor und seit 1989 regelmäßiger Mitarbeiter bei der Wiener Zeitung.
Mit großer Feinfühligkeit, neugierigem Spieltrieb und poetischer Kindlichkeit zerlegt Puchner die Welt, die uns zum Alltag geworden ist und setzt sie in seinen Büchern zu fantastischen Wunderwelten zusammen. Hier begegnen sich Fundstücke und Fabelwesen in ungewöhnlichen Szenarien, die zum Erzählen und Neuentdecken einladen. Zwischen erzählendem Bilderbuch und Sachbuch kreiert Puchner seine eigene und sehr persönliche Art der Narration: Seine „Materialbücher“ sind kunstvolle Wunderkammern voller Eindrücke und Geschichten, die dazu anregen, die eigenen Wunderwelten und sich selbst in ihnen zu entdecken.
toxic dreams – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Darstellende Kunst:
1997 von der Produzentin Kornelia Kilga und dem Regisseur und Autor Yosi Wanunu gegründet, realisierten toxic dreams bisher über achtzig Produktionen. In verschiedensten Formaten und Genres von Sitcom über Installation bis zu Musical wird der unverkennbare Stil aktualisiert, werden allersüßeste, nämlich giftige, Theaterträume fabriziert. Vordergründig geht es einmal um Bruno Kreisky, einmal um Anton Tschechow, um Amok, Weltausstellung oder Gehaltserhöhung.
Im fundierten Vorbei-Schielen an diesen Themen, also in der hintergründigen Beschäftigung mit unhintergehbaren und alles durchseuchenden Strukturen – Kapitalismus, Narzissmus, Sprache, Macht – verwandelt toxic dreams Giftigkeiten in Geschenke. Es ist eine einzigartige und reichhaltige Melange: Die immer präzise Dramaturgie komplexer Traumlogiken, die Auseinandersetzung mit Psychoanalyse, Popkultur, Wien, New York, Israel. Die Produktionen entstehen in mehrjährigen Arbeitszyklen, langfristigen Probenprozessen, in enger, kontinuierlicher Zusammenarbeit mit assoziierten Schauspielenden und führen ihr Publikum in immer andere Theaterräume Wiens. Es ist toxic dreams Ernst mit den Beziehungen – zur Stadt, zum Publikum, in der Arbeit untereinander – und Ernst mit dem Versuch, im Theater gemeinsame, filigrane Momente jenseits von Marktlogik zu teilen.
Lalish Theaterlabor – Österreichischer Kunstpreis in der Sparte Kulturinitiativen
Das Lalish Theaterlabor, 1998 in Wien von Nigar Hasib und Shamal Amin gegründet, versteht sich als experimentelles Zentrum für Ritualforschung und interkulturelle Performancearbeit. In den 24 Jahren seines Bestehens hat es sich zu einer bedeutenden und in dieser Form in Österreich einzigartigen Institution entwickelt.
Im Lalish werden mit vielfältigen künstlerischen Mitteln Theater, Performance, Musik, Stimme und Klang in Eigenproduktionen, Gastspiele sowie unterschiedlichen Workshop-Formaten auf die Bühne gebracht. In den letzten Jahren erfolgte die Vermittlung vermehrt auch in digitaler Form. Künstler:innen mit diversen biografischen Kontexten reflektieren in ihren Ausdrucksformen durch Unterschiedlichkeit geprägte Lebensrealitäten – bei den Besucher:innen sowie auch den Teilnehmenden selbst.
ARTEC Architekten – Hans-Hollein-Kunstpreis für Architektur
ARTEC Architekten, Bettina Götz und Richard Manahl, absolvierten ihr Architekturstudium an der TU Graz; Gründung von ARTEC Architekten 1985.
ARTEC Architekten haben sich in ihrer Arbeit und mit ihrer Haltung gegen den Mainstream, mit ihrer Widerständigkeit im Denken, auch im Sinne Hans Holleins, gegen den herrschenden Pragmatismus des Baufunktionalismus gestellt. In Zeiten einer kapitalgetriebenen Architektur, die gleichzeitig Antworten auf eine kritische Ressourcenknappheit zu geben hat, schaffen ARTEC mit intelligenten Konzepten und entwerferischem Können vielfältige Raumerlebnisse, sowohl innen als auch außen. Durch ihre engagierte und konsequente Übersetzung von Denkprozessen in konkrete Form gestalten ARTEC den aktuellen Diskurs maßgeblich auch auf internationaler Ebene mit.
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