Porträt: Thomas Heinisch

In der Musikhistoriographie werden Komponisten oft als singuläre Erscheinungen dargestellt, scheinbar aus dem Nichts auftauchend. Doch kein Komponist tritt als Tabula rasa in die Welt, sondern steht in Beziehung mit der Tradition. Dass dem so ist, versucht Thomas Heinisch erst gar nicht zu verheimlichen. So offenbart er gewisse Bezugspunkte etwa durch Hinweise in den Titeln, vorangestellte Zitate oder musikalische Hinweise, um bestimmte Aspekte verschleiert oder offensichtlich in sein Schaffen zu integrieren.

„Für FC“ (2006) hebt mit langsam vorgetragenen Akkorden der Blechbläser an, die nur eine der hier vorgestellten vier Instrumentalgruppen darstellt; unterbrochen werden sie von geräuschhaften Passagen der Streicher und des Schlagzeugs, so dass sich das Geschehen zunächst sehr zögerlich steigert, bis die vier Instrumentalgruppen zum Ende hin zu rhythmischer Prägnanz und rasanten Läufen finden. Für wen die Initialen im Titel stehen, mag man sich unversehens fragen. Wenngleich die Friedrich Cerha lautende Antwort nicht auf der Hand liegen mag, so verwundert sie auch nicht. Denn Heinisch nähert sich mit dieser Komposition indirekt seinen stilistischen Mittel, hütet sich aber gleichzeitig davor, diese unhinterfragt zu kopieren und findet seinen eigenen Umgang damit. Darin spiegeln sich auch die Anregungen, die Heinisch dem Doyen österreichischer Neuer Musik zu verdanken hat. Unter seinen Lehrern finden sich aber auch noch weitere bedeutende Namen. Nach dem Besuch des Musikgymnasiums hatte er Komposition bei Reinhold Portisch studiert und privat bei Christian Ofenbauer gelernt. Doch davon noch nicht genug, ergänzte er seine Ausbildung um ein weiteres Kompositionsstudium bei Wolfgang Rihm in Karlruhe und holte sich Input von Alfred Schnittke.

Sein kompositorisches Können verhalf ihm bereits zu etlichen Preisen, so wurde er einige Male von der Stadt Wien gefördert, erhielt Aufträge der Wiener Kammersymphoniker und der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. 1999 wurde er zudem mit dem Erste Bank Kompositionspreis bedacht, auf den hinauf er „Abseits – Aufbruch“ schrieb und in dem er, angeregt von „… à la recherche …“ seines Kollegen Gerd Kühr, die Klangfarbe des Saxophons vielfältig mit der anderer Instrumente verschmilzt. Die rhythmische Komponente ist zunächst im Schlagzeug auszumachen und wird mit Klängen von den sich überlagernden Akkorden von zwölf SängerInnen und Saxophonquartett kontrastiert. In den unterschiedlichen Lagen gespielte Triller lassen gelegentlich ein dichtes klangliches Gewebe entstehen und mittels weiterer Spieltechniken schöpft Heinisch aus dem klanglichen Repertoire des verhältnismäßig jungen Instruments. Eine ebensolche Bandbreite zeigt sich auch in der Behandlung der Stimmen, die neben Deklamationen von Texten Friedrich Nietzsches und Aischylos’ auch von Text befreitem Stimmgebrauch, Hauchen und Schreien einsetzen. Mit diesen Materialien lässt Heinisch über weite Strecken langsam fortschreitende, atmosphärische Stimmungen in leisen Gefilden entstehen, die nur gelegentlich in lauteren Passagen aufbrechen.

Etliche Aspekte dieses Werkes ziehen sich durch das Schaffen des Komponisten, wie etwa die Bedeutung des Schlagwerks und der (Blech-)Bläser, die in zahlreichen Kompositionen von Heinisch eine exponierte Funktion einnimmt. Ebenso sind seine Stücke weithin von leisen Klängen geprägt, wie es auch bei „Dunkle Blume – leiser Schlaf“, Musik für Altflöte, Harfe und Kammerorchester (2007) der Fall ist, wenn düstere Klangflächen von einem repetierten Harfenton in zeitliche Strukturen gebracht werden. Geringe Veränderungen kurzer, wiederholter Passagen, wie sie etwa auch in den leisen Klängen etlicher Klavierstücke zu vernehmen sind, lenken die Wahrnehmung auf subtile Unterscheidungen. Einige dieser Elemente sind auch in dem bei Wien Modern 2011 vom Ensemble Kontrapunkte uraufgeführten Werk FESTUM auszumachen. So beispielsweise die Bedeutung des Schlagwerks und der Blechbläser. Zudem schöpft seine Musik aus der rituellen Kraft. Wenngleich in diesem Fall das Ritual im Sinne der Art brut zu verstehen ist, verleiht Heinisch anderen Werken wie „Abseits – Aufbruch“ rituellen Charakter im kultischen Sinn.

Doch Heinisch ist nicht nur im Schreiben von Noten bewandert, sondern auch darin, diese als ausgebildeter Hornist selbst zum Klingen zu bringen. Die nicht zufriedenstellende Aufführungssituation veranlasste ihn gemeinsam mit Roland Freisitzer und Alexander Wagendristel (beide ebenfalls Komponisten und Interpreten) 2002 das Ensemble Reconsil zu gründen, dessen Konzerte mit zahlreichen Uraufführungen eigener Werke und jenen von Kollegen bereits zum fixen Bestandteil der Veranstaltungen im Arnold Schönberg Center avanciert sind. Und auch die Programmgestaltung der Langen Nacht der Neuen Klänge im Rahmen des Festivals Hörgänge hat er 2002 gemeinsam mit Freisitzer übernommen. So gestaltet Heinisch nicht nur Kompositionen, sondern auch das aktuelle Kulturleben bedeutend mit.
Doris Weberberger

 

http://www.wienmodern.at/