Porträt: Russkaja

„Turbo-Polka“ klingt zwar wie ein ausgefallener Name für einen sehr alkoholischen Punsch am Christkindlmarkt, ist aber eines der Musikgenres, das typisch für RUSSKAJA ist. Getränketechnisch wäre diese „Turbo-Polka“ wahrscheinlich eine Mischung aus Vodka, Kräuterschnaps, Energy-Drink und Honig für die Süße. Ins Musikalische übersetzt stehen dabei Vodka für den starken Balkan-Einfluss, der Kräuterschnaps für die österreichische Note, der Energy-Drink für die schnellen Rhythmen und der Honig für die ironisch übertriebenen Auftritte.

Eine Band, die all diese Qualitäten vereint, kann also kein Nachtschattengewächs sein, das leise vor sich hin blüht. Vielmehr ist Russkaja wie eine Sonnenblume, an der niemand vorbeischauen und -kommen kann. Vor allem seit das Septett die Studiokapelle von „Willkommen Österreich“ geworden ist.  Das war 2007, und nur zwei Jahre zuvor war die Band gegründet worden. Von Anfang an dabei: Georgij Makazari. Der gebürtige Russe lebt seit den 1990ern in Österreich und war vor Russkaja Sänger der Metal-Gruppe Stahlhammer. Nach zwei Alben verließ er die Band um an eigenen Projekten zu arbeiten. Gemeinsam mit Dimitrij Miller (Bass), Zebo Adam (Gitarre) HG Gutternigg (Potete), Ilse Riedler (Saxophon), Pavel Shalman (Violine) gründete er 2005 Russkaja.

Auf die wilde Mischung aus Ska, Polka, Balkan und Pop können sich alle einigen. Da alle an einem Strang ziehen, wird schon bald das Label Chat Chapeau auf die Band aufmerksam und nimmt sie unter Vertrag. Noch vor dem ersten Album „Kasatchok Superstar“ 2008 wird 2006 die EP „Dawai“ veröffentlicht. Dass die Band seitdem nur zwei weitere Alben veröffentlicht, liegt wahrscheinlich an ihrer Ausstrahlung bei Auftritten. So spricht sich schnell herum, dass Russkaja eine sehenswerte Live-Band sei, die nicht nur musikalisch überzeuge, sondern das Publikum immer zum Tanzen bringe. Der Durchbruch gelaingt ihnen aber nicht nur durch ihren guten Ruf, sondern durch die Verpflichtung durch „Willkommen Österreich“.

„Russian Voodoo“ nennen sie dann 2010 ihr zweites Studioalbum. Das scheinbar musikalische Durcheinander, das auf Russkaja Platten zu hören ist, kristallisiert sich immer mehr als gewolltes Chaos heraus. Zwar verkörpert Russkaja scheinbar alle Stereotype von Balkanbands, die einem mitteleuropäischen Menschen nur einfallen können. Bei näherem Hinsehen merkt man aber, dass sie sich die Klischees aktiv zu Nutze machen und damit spielen. Sänger Makazari etwa schreibt seine Texte zwar fast immer auf seiner Muttersprache, flechtet aber auch gerne ins Russisch Eingedeutschtes ein. Bei der Instrumentierung wird Großteils auf elektronischen Firlefanz verzichtet, was die Ostalgie der Melodien und des Klangs verstärkt.

2011 folgt eine Europatournee mit einem Auftritt beim legendären Wacken Open Air Festival. Das Publikum des berüchtigten Heavy-Metal Festes empfängt die Balkanband mit offenen Armen. Beflügelt durch diesen Auftritt und die positive Rückmeldung von den verschiedensten Genre-Fans, macht sich die besetzungstechnisch mittlerweile etwas veränderte Formation an die Arbeit. Im Sommer 2013 erscheint mit „Energia!“ auf Napalm Records Album Nummer drei. Der neue Gitarrist Engel Mayer bringt härteren Rock in die Gitarrenmelodien. Violinistin Georgiew geht und Mia Nova ersetzt sie. Stilistisch klingt „Energia!“ zwar breiter als die Vorgänger, aber hat noch immer den typischen Russkaja-Stil inne.

Und obwohl die Band gern mal als Russisch tituliert wird, haben es die Sieben noch nicht geschafft im musikalischen „Mutterland“ zu spielen. Traurig scheint es sie aber nicht zu stimmen, schließlich will sich Russkaja nicht auf einen bestimmten Ort festlegen. Diese gewollte Staatenlosigkeit und Vielfältigkeit der Genres zeigt, dass im Kern der Band ein zutiefst europäischer Geist schlummert. Leger gesagt, ist diese Russkaja eigene „Turbo-Polka“ eigentlich eine typische Wiener Spezialität.

Anne Marie Darok

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