Porträt: Naked Lunch

 

Woher Indierock-Bands ihre manchmal sehr eigentümlichen Namen her haben, muss man sich als kundiger Hörer immer wieder fragen. Da gibt es die typischen „The -“ Bands, angelehnt an legendäre britische Titelträger, Bands deren Bezeichnungen verwirrend klingende Wort-Collagen aus Heimatort, Familiennamen, Stammkneipe etc. zusammenstellen, sowie jene, die ihren Namen aus einer gewissen „intellektuellen Szene“ aus Literatur, Philosophie, sowie der Film-und Fernsehwelt entlehnen. Zu letzterer gehört ausnahmslos die Austro-Formation Naked Lunch.

Selbigen Namen haben sie sich von einem Buchtitel des amerikanischen Schriftstellers William S. Borroughs ausgeliehen. Der populäre Roman der Beat-Generation umfasst Themen diesseits tabuloser Abgründe, welche mit einer inhaltlichen Cut-Up Methode zur Geschichte wurden. So oder so ähnlich lässt sich auch der musikalische Werdegang der Klagenfurter Rockband beschreiben. Seit ihrem Anfang in den frühen Neunziger Jahren hat sich so viel an Erlebten angesammelt, dass damit locker ein weiterer Roman gefüllt werden könnte. Ein Musikleben zwischen Hoch- und Tiefphase, von der Beat-Generation zum Beat des neuen Jahrzehnts.

Ein langer Weg mit vielen Sackgassen, Umwegen , Schnellstraßen und Kreuzungen wurde bislang bestritten. Ausgehend von Klagenfurt ist die damalige Ursprungsformation rund um Gitarrist Oliver Welter, Schlagzeuger Peter Hornbogner und Bassisten Georg Timber-Trattning, welcher zwei Jahre später aus der Band ausstieg, losgezogen um die Welt zu erobern. Dass man nur mit harter Arbeit etwas erreichen kann, war den Musikern stets bewusst. Jedoch hatten sie da noch keine Ahnung von den vielen Stolpersteinen, die ihnen im Laufe des Lebens in den Weg gelegt wurden und von Verlust und emotionalen Abgründen zeugen. An Mut und Stärke haben Naked Lunch jedoch nie verloren. Ein viel zu lange Reise haben sie dafür schon hingelegt, immer mit der Erinnerung an ihre erfolgreiche Zeiten im Hinterkopf, angefangen bei den ersten Demotapes die schnell zu einem Plattenvertrag führten, dem 1992 veröffentlichten Debütalbum „Balsam“, welches vor allem in England auf großes Interesse stieß, sowie unzähligen Live-Sets, dessen Spielens die Band aber bald müde wurde. In Herwig Zamernik wurde schnell ein weiteres Mitglied gefunden, der heute gemeinsam mit Oliver Welter zum harten Kern von Naked Lunch gehört.

Nach einer kleinen Pause will Naked Lunch schließlich internationalen Fuß fassen. Man fliegt nach New York um bei Showcases vorzuspielen, leider ohne großem Gelingen. 1997 geht es allerdings ein zweites Mal in die Weltmetropole, wo sie unter anderem mit einer Größe des Musikbusiness, nämlich Alain Moulder (Smashing Pumpkins, Nine Inch Nails) zusammenarbeiten durften. Der erwünschte Erfolg der Platte „Superstardom“(Mercury / PolyGram) blieb aus, die Verkaufszahlen blieben klein, der Frust der Musiker hingegen wuchs stetig an. Das großen Unbehagen musste zum Ausdruck gebracht werden. Bei ihrer weltweiten Tournee wurde Halt in São Paolo gemacht, wo die Musiker ihrem Aggressionsstau freien Lauf ließen, dort die Bühne komplett ramponierten und in Folge in ihrem Londoner Zweitdomizil festgenommen wurden. Nach diesem, einem Rockstar-Image entsprechenden „Fauxpas“, standen die Sterne für Naked Lunch wieder besser. Mit Keyboarder Stefan Deisenberger hat das Trio an einem neuen Bandkollegen dazugewonnen. Ihre guten Kontakte zu den deutschen „The Notwist“ machte sich insofern bezahlt, dass Olaf Opal unter anderem an ihrem elektronisch angehauchten Drittalbum „Lovejunkies“ mitwirkte, dessen gleichnamige Single auf gute Hörerzahlen stieß. Die restlichen Songs des Albums blieben jedoch in der Versenkung hängen, mit der Folge, dass sich Plattenfirma, Management und Agentur lieber anderen Projekten widmeten und Naked Lunch erneut am Anfang standen – zurück von den Metropolen New York und London ins beschauliche Klagenfurt, mitten in den Trümmern ihres bisherigen Schaffens.

Nach einer langen Phase der Tristesse- ungewisse Zukunft, das tragische Ableben des ehemaligen Bandmitglieds Timber-Trattning, Depression und Alkoholsucht- mussten ganze 4 Jahre vergehen bis Naked Lunch sich an einen Neubeginn wagten. Mit dem Album „Songs for the Exhausted“ begann ein das Zittern auf der Suche nach einer Plattenfirma. Ein ganzes Jahr verging, bis sich das deutsche Label Motor Music ihnen annahm. Mit „Songs for the Exhausted“ haben Naked Lunch ihr bisher dunkelstes Kapitel aufgeschlagen – die eben verheilten Wunden der Vergangenheit wurden nochmal aufgerissen, dem kommerziellen Erfolg hat dies jedoch keinen Abbruch getan. So tief sie schon gefallen sind, so schnell waren sie wieder auf dem Weg nach oben. Redakteure schrieben sich an positiver Kritik die Finger wund. Nach dieser speziellen Art der „Musiktherapie“ ging die Band mit weitaus positiverer Gesinnung an ihr bislang letztes Album heran. „This Atom Heart of Ours“, ein Werk voll von Pathos, lässt das stetige Auf und Ab der Band hörbar erahnen. Nebenbei zeigten sich Naked Lunch den Soundtrack des prämierten Episodenfilms „Universalove“ verantwortlich.

Die gebrannten Kinder des Indierocks, sind mittlerweile zu gereiften Männern herangewachsen. Statt an der ursprünglichen Formation pedantisch festzuhalten, wird nebenbei an Soloprojekten gearbeitet. Herwig Zamernig agiert nun als alter ego Fuzzman, einen Superman mit Wollmütze, Stefan Deisenberger hat vor kurzem gemeinsam mit Jakob Kubizek unter dem Projektnamen „Love& Fist“ das gleichnamige Album veröffentlicht und während gerade am neuen Longplayer von Naked Lunch gearbeitet wird, steht Frontmann Oliver Welter zuweilen alleine auf der Bühne. Die turbulente Vergangenheit haben die Musiker endgültig hinter sich gelassen, es wird nach vorne geblickt, ohne das Ziel schon zu erahnen. Besser können das nur Naked Lunch selbst ausdrücken: There is no end there’s no beginning, we’re right here in the middle, in the middle of this heat …“ (“Military of the Heart”). (bw)

http://www.nakedlunch.de/
http://www.myspace.com/nakedlunchmusic