Im bürgerlichen Leben ist Martina Althuber Theologin. Als M´s Grace ist sie Singer-Songwriterin von internationalem Format. Mit dem mica-music austria sprach die gebürtige Salzburgerin über städtische Ignoranz, weibliche Selbstunterschätzung und die Qualitäten ihrer Wahlheimat Deutschland.
– „Biedermeier ist vorbei!“ –
Bei jedem Musiker und jeder Musikerin gibt es eine Geschichte, die sich die Medien herauspicken, um sie fortan immer und immer wieder zu erzählen. Bei Martina Althuber alias M´s Grace ist es das Theologie-Studium, das sie absolviert hat. Sie ist und bleibt die singende Theologin, ob sie das nun will oder nicht. Nervt das nicht irgendwann, wollen wir eingangs unseres Gespräches von ihr wissen. „Insofern als die Leute oft tatsächlich glauben, ich würde christliche Musik machen, schon“, meint sie gerade heraus. Vom zweiten, damit zusammen hängenden Vorurteil aber, wonach, wenn Theologen Musik machen, etwas ganz Komisches dabei raus komme, könne sie sich selbst auch nicht ausnehmen: „Ich würde singenden Theologen ja auch erst einmal misstrauen“, lacht sie. In Martina Althubers Fall ist diese Skepsis allerdings fehl am Platz. M´s Grace ist bester Singer-Songwriter-Pop in der Tradition einer Joni Mitchell oder einer Suzanne Vega – beide (neben Ani Difranco und den Indigo Girls) Säulenheilige der Salzburgerin.
M`s Grace – Refurnish my heart by mica
Zur Theologie, um das Thema ein für allemal abzuhaken, sei sie nicht vorrangig aus Glaubensgründen gekommen, sondern weil sie Psychotherapeutin werden wollte und Theologie als Quellenstudium anerkannt wird, erzählt sie. Die in Salzburg rein naturwissenschaftlich orientierte Psychologie habe sie abgeschreckt. „Ich wollte mich mehr mit Philosophie und Ethik als mit Rechnen und Statistik beschäftigen“, sagt sie. „Ich wollte etwas vom Mensch sein verstehen.“
Ein Schwamm, der alles aufsaugt
Dass sie etwas von Menschen und ihren Bedürfnissen versteht, zeigt ihre Musik: In „As It Is“ etwa, der Eröffnungsnummer ihres aktuellen Albums „Refurnish My Heart“, geht es darum, die Welt so sein zu lassen und zu nehmen, wie sie nun einmal ist. „Ich glaube, die Situation kennt jeder. Es beutelt einen hin und her, das Leben rüttelt einen durch…“ Der Refrain des Liedes wirkt dann auch fast wie ein Mantra, das man vor sich hersagt, um mit der Welt klarzukommen, sie zu ertragen. Überhaupt sei es der offene Zugang zur Wirklichkeit, der einen guten Songschreiber ausmache, ist Althuber überzeugt. „Diese Mentalität, auf die Straße zu gehen und nichts und niemanden mehr wahrzunehmen, bringt dich nicht weiter, weil du nichts mehr wirklich siehst.“ Man müsse vielmehr wie ein Schwamm sein, der bereit ist, alles aus einem Umfeld in sich aufzusaugen und dann mit den Mitteln der Poesie zu verarbeiten.
Wie sie zur Musik kam, ist schnell erzählt: Ihre Mutter hatte eine Gitarre, auf der sie hin und wieder spielte. „Nur für mich und autodidaktisch“, erzählt sie. Und dadurch spiele sie auch ein wenig eigen. Das, so meint sie, würden zumindest jene Leute sagen, die wirklich etwas davon verstehen. „Mit Noten kann ich nichts anfangen, mit Rhythmus und Takt ebenso wenig. Klassische Gitarristen tun sich da im Zusammenspiel immer schwer, weil sie mich fragen: Was für ein Takt ist das? Wann soll ich einsetzen? Und darauf kann ich ihnen keine Antwort geben, weil ich es einfach so mache, wie ich es fühle.“
Initialzündung Diplomarbeit
Mit dem Komponieren habe sie dann während des Schreibens ihrer Diplomarbeit begonnen, so Althuber. „Ich bekam ein Stipendium und durfte nicht arbeiten“, erzählt sie. „Und dadurch, dass ich eben nur Diplomarbeit schrieb, hatte ich plötzlich viel Zeit. Nachdem ich mit den ganzen anderen Tätigkeiten, die einem so einfallen, wenn man Zeit hat, wie etwa Putzen, fertig war, fing ich an, Nummern zu schreiben“, lacht sie. Sie habe plötzlich so viel geistigen Freiraum gehabt, dass ihr alle zwei Wochen eine Nummer einfiel. Meistens in der Küche, wo fast alle ihre Lieder entstehen. „Ich sitze nie auf Sesseln, sondern auf Anrichten oder am Boden.“ Und sie könne auch nicht sagen, warum das so ist. Eine Vermutung hat sie aber schon: „Küchen sind meistens teilverfliest und das verändert die Akustik – sehr zum Positiven.“
Daran, dass es von der Schulzeit, als sie ihre wichtigste musikalische Mitstreiterin, Christine Polacek, kennen lernte, mit der die Chemie einfach von Anfang an stimmte, bis jetzt, zu ihrem ersten Album und seiner durchwegs positiven Resonanz, so lange dauerte, sei vor allem das klassische Frauenproblem schuld, sagt sie. Dass man sich selbst unterschätzt nämlich. „Ich dachte, ich kann nicht gescheit singen und auch nicht besonders Gitarre spielen.“ Und so habe sie Jahre lang nur für sich gespielt. „Dass ich Leute einlud, um ihnen vorzuspielen, kam praktisch nicht vor.“ Das ist heute anders: In Deutschland (z.B. Köln, Düsseldorf und Bonn) war sie vor Weihnachten live viel unterwegs.
Österreich hinkt da hinterher. „Was Transparenz und Resonanz anbelangt habe ich leider viele negative Erfahrungen gemacht“, sagt sie. „Da kann man telefonieren, schreiben und sich den Haxen ausreißen, da kommt nichts zurück. Diese Unverbindlichkeit nervt mich. In Deutschland bekomme ich viel, viel mehr Feedback.“ Nur ein Beispiel: Ein Artikel über sie, der unlängst in der Wiener Zeitung, wurde vom norddeutschen Vertrieb Broken Silence eingefädelt. „Da fragt man sich schon“, schüttelt sie den Kopf.
Was sind ihre nächsten Ziele?, wollen wir zum Abschluss wissen „Es stehen Konzerte an und wir haben neue Songs, die auf eine EP wollen. Und da heißt es spielen, spielen, spielen“, antwortet Althuber wie aus der Pistole geschossen. Und wie wird das nächste Album klingen? „Nicht mehr so positiv und ausgeglichen“, sagt sie. Denn das Thema Liebe sei nicht mehr so drängend, wie es bei „Refurnish my Heart“ war. „Wenn ich jetzt schreibe, geht es eher darum, wie wir mit der Welt und mit Menschen umgehen“, gibt sie sich kämpferisch. „Der Biedermeier ist vorbei. Draußen passiert so viel. Zu viel, um sich nur auf seine eigenen Gefühle zu konzentrieren.“
Markus Deisenberger
Fotos: M´s Grace
http://www.msgrace.at/