Die Arbeiten der österreichischen Musikerin und Künstlerin Katharina Ernst spiegeln die Diversität ihrer Entwicklung im Spannungsfeld zwischen Musik und Bildender Kunst wider.
Im Alter von neun Jahren begann Katharina Ernst Schlagzeug zu spielen, wenig später kam privater Zeichenunterricht hinzu. Während der Schulzeit frequentierte sie etliche Jazz-Seminare ebenso wie die Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. Nach der Matura entschied sie sich für ein Studium der Bildenden Kunst, parallel dazu konzentrierte sie sich allerdings genauso intensiv auf musikalische Projekte. Die Notwendigkeit, beide Interessensbereiche in einen gemeinsamen Kontext zu stellen, war jedoch lange Zeit nicht gegeben, da sie jedem Bereich eine absolute Autonomie zuschrieb.
Durch Zufall kam sie in Kontakt mit der französischen Theatergruppe Luc Amoros, die Künstler für ein multidisziplinäres Stück mit dem Namen “Page Blanche – Das unbeschriebene Blatt” suchte. Hier war gerade die Kombination ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten (und die der anderen beteiligten Künstlerinnen und Künstler) explizit gefragt und stellte die Grundlage der gemeinsamen Arbeit dar. Im Mittelpunkt der Produktion steht eine imposante leere Leinwand, ein fast zehn Meter hohes Baugerüst, das im Laufe des Stücks mit Live-Malerei, immersiven Schattenspielen und Live-Musik bespielt wird. Diese Zusammenarbeit war ein internationaler Erfolg bei Festivals und dauert bis heute an.
Die Vielfältigkeit in Katharina Ernsts Arbeiten wirkt sich auf jedes Feld einzeln aus. Ihre musikalische Bandbreite ist sehr groß, wichtig ist ihr dabei immer die Konzentration auf das jeweilig Unternommene, um den Punkt zu vermeiden, an dem das Resultat beliebig erscheint.
Lange Zeit bewegte sie sich im Radius des Jazz, mitunter auch in Richtung „World Music“. Vor etwa zwei Jahren kam Katharina Ernst in der experimentelleren Ecke an, worauf inzwischen ein starkes Augenmerk liegt. Es geht um einen experimentellen Zugang, welcher eine Vielzahl an analytischen Momenten mit sich bringt und um das temporäre Verneinen des reinen musikalischen Hedonismus. Weil sie sich in keiner spezifischen Szene niedergelassen hat, fällt es ihr nicht schwer eine musikalische Dissidenz zum jeweils aktuellen Etablissement zu beziehen; wenn es geräuschreduzierter zugeht, kommt es so in manchen Fällen dazu, dass die Künstlerin betont liebliche Klänge vermittelt, in der Hoffnung, etwas an der auralen Rigidität zu bewegen.
Katharina Ernsts Stücke lassen sich weder im klassischen Jazz, noch im Experimentalbereich einordnen. Auch wenn man beim Zuhören schon im Begriff ist, die heißgeliebten Genre-Schubladen zu Rate zu ziehen, muss man nach kürzester Zeit feststellen, dass der Stilpluralismus einfach zu stark ist und so manchmal eine somnambule Trommelkulisse von einem bebenden Wutausbruch konterkariert werden und schließlich in der Annihilierung aller bisherigen auditiven Wahrnehmungen enden kann. Mitunter kommt auch ihre Stimme zum Einsatz.
Ein zentrales Projekt und weiteres Beispiel für die nicht vorhandene Eintönigkeit in Katharina Ernsts Arbeiten, in welches sie inzwischen seit eineinhalb Jahren Arbeit investiert, ist eine choreographische Arbeit namens “ausdehnen : zusammenziehen (a : z)“. In diesem Projekt geht es darum, Gewohnheiten aufzulösen und zu hinterfragen. Es soll der Prozess verbildlicht werden, welcher beim Spielen eines Instruments im Kopf des Praktizierenden abläuft, die Instrumente des Schlagzeugs werden in einem Raum weit auseinander gestellt, sodass man hin und her laufen muss und anstelle von Hand und Fuß erzeugen zwei oder mehrere Personen die Klänge. Es wird in performativer Sprache die Frage gestellt, wo der Zusammenhang zwischen Bewegung, Klangerzeugung und Klang beginnt und wo die Grenze zwischen intendiert und „nicht intendiert“ liegt. Die eigentliche Bewegung wird vergrößert und der finale Punkt ist die Musik selbst. Der Zyklus wird ständig erweitert, basierend auf rein akustischer Ausführung. Der Raum fungiert in diesem Fall als architektonischer Verstärker, dabei wird die heutzutage omnipräsente Elektronik hinterfragt, durch deren exzessiven Einsatz die Musik an Direktheit verlieren kann. Es ist eine Verschiebung der Parameter. Die Bewegung wird größer, die Klangkulissen leiser, vergleichbar mit einem in die Realität verschobenen live-Zoom.
Aufbauend auf dieser Grundlage entstehen laufend neue Kompositionen, die bereits international gezeigt werden konnten – so auch im März dieses Jahres in Venedig: Im Rahmen der achten Verleihung des Arte Laguna Prize in Venedig (Arsenale) wurde sie für “ausdehnen: zusammenziehen (a : z)” im Bereich Performance nominiert und erhielt schließlich eine Special Mention. Außerdem gewann sie mit “a : z” den ersten Preis beim “it’s liquid international contest”.
Eine starke Motivation lässt sich bei der Zusammenarbeit mit anderen KünstlerInnen verzeichnen. Sie arbeitete bereits mit einer Vielzahl von MusikerInnen, zusammen wie etwa dieb13, ddkern, Burkhard Stangl, Kazuhisa Uchihashi und vielen anderen, welche man an seinen eigenen zwei Händen nicht mehr abzählen kann. Eines ihrer eigenen Projekte mit dem Namen “gri:” wird 2014 wieder wichtiger: ein Duo, gemeinsam mit ihrer Mutter Isabella Ernst, das im Jahr 2010 bereits ein Album veröffentlichte. “gri:” versucht sich an einer Verknüpfung von Songwriting und Klangexperimenten der Jetztzeit mit Elementen der Renaissance und anderen historischen Epochen. Die darauf basierenden Kompositionen erforschen die klanglichen Möglichkeiten der zwei Stimmen und der Instrumente (Chitarrone, Schlagzeug), welche zum Teil auch präpariert werden.
In näherer Zukunft kann man Katharina Ernst am 3. Mai im Programm des Ulrichsberger Kaleidophons 2014 gemeinsam mit dem Turntablist dieb13 und Susanna Gartmayer (Bassklarinette) live erleben. Den Juni verbringt sie mit acht anderen KünstlerInnen aus Litauen, Österreich, Großbritannien und der Slowakei in Litauen mit der Arbeit an einem audio-visuellen Programm, das 2014 bei Glatt & Verkehrt in Krems sowie international auf Festivals präsentiert wird. Im Oktober dieses Jahres steht, zusammen mit u.a. ddkern und David Schweighart, die Teilnahme bei den ISCM World Music Days in Wroclaw/Breslau (Polen) bevor.
Ada Karlbauer
http://www.katharinaernst.com