Porträt: Jörg Mikula

Stille Wasser sind tief, sagt man. Betrachtet man Jörg Mikulas musikalische Laufbahn so trifft das vollkommen zu. Auf den ersten Blick fallen zunächst die unzähligen Sidemanaktivitäten ins Auge, bei denen Mikula im Hintergrund den Puls angibt. Sieht man jedoch etwas genauer hin, eröffnet sich ein facettenreiches Portfolio mit Schwerpunkten im Jazz, in osteuropäischer, türkischer und balkanesischer Musik bis hin zu Theater- und Musicalproduktionen. Das ganze gekoppelt mit ausgiebigen Studienreisen in die USA sowie nach Uganda und Marokko, gekrönt mit gänzlich untypischen Soloschlagzeug-Projekten. Ein Porträt dieses vielseitigen Schlagzeugers war schon lange überfällig!

Jörg Mikula wurde 1975 in Graz geboren und erhielt von seinen Eltern und Geschwistern seine erste musikalische Prägung. Im Elternhaus wurde viel klassische Musik und Jazz gehört, wobei er mit gemischten Gefühlen insbesondere an die sonntäglichen Frühstücke zurückdenkt, bei denen gerne sehr laute Barockmusik zum Pflichtprogramm gehörte. Ein völlig konträres musikalisches Programm bekam der junge Mikula von seinen beiden älteren Schwestern vorgelebt. Bei denen stand nämlich Austropop in Reinkultur hoch im Kurs. Mikula selbst hörte – vor allem beeinflusst durch seine Schwestern – viel Austropop und Rock, später kamen dann Bands wie Dire Straits oder U2 hinzu. Den Jazz entdeckte er mit knapp 15 Jahren. Seine erste bewusste Erinnerung an Musik mit rund drei Jahren, erinnert sich Mikula, war, als er Schlagzeuger diverser Rockbands im Fernsehen gesehen hatte und sich dabei dachte „boah die sind cool, ich wäre auch gerne so […]“.

Jörg Mikula (c) Maria Frodl

Bereits seit seiner ersten Begegnung mit dem Schlagzeug mit drei Jahren war Mikula klar, er muss dieses Instrument lernen. Da es aber immer geheißen hat, mit dem Schlagzeugspielen kann man erst mit zehn Jahren beginnen, ließ er sich bis zu seinem 10. Geburtstag vertrösten und teilte dann seien Eltern resolut mit, es sei nun an der Zeit endlich damit zu beginnen. Den ersten Unterricht bekam Mikula etwas außerhalb von Graz in Fernitz und wechselte dann nach ca. zwei Jahren an das „Johann Joseph Fux Konservatorium“ in Graz. Bereits mit ungefähr 13 Jahren begann sich langsam abzuzeichnen, dass das Schlagzeugspielen immer mehr zu einem Wunschberuf avancierte. Zunächst stieß diese Idee im Familien- und Bekanntenkreis verständlicher Weise auf keine große Zustimmung. Einen prägenden Moment erlebte Mikula jedoch mit etwa 16 Jahren bei einem Workshop in Neuberg an der Mürz, abgehalten vom Wolfgang Muthspiel Septett. Schlagzeuger des Ensembles war kein geringerer als Alex Deutsch, der ihn aktiv bei seinem Vorhaben bestärkte und sogar bei Mikulas Eltern ein gutes Wort für ihn einlegte. Die Entscheidung für die Kariere als Profischlagzeuger hat Mikula seither keine Sekunde bereut.

Nach dem Abschluss seiner Schulausbildung ging Mikula schließlich daran, die Weichen für seine Musikerlaufbahn zu legen. Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten bescherte ihm ein Engagement an der Grazer Oper einen ersten positiven Schub, als er bei Herwig Thelen die Gelegenheit bekam, als Schlagzeuger an Kindermusicals mitzuarbeiten. Im Jahr darauf gelang ihm schließlich der Einstieg an die Grazer Hochschule wo Mikula Jazzschlagzeug zu studieren begann. Wie es der Zufall wollte, wurde nach knapp zwei Jahren Alex Deutsch als Schlagzeuglehrer an die Grazer Uni berufen, der Mikula eindringlich einen USA Aufenthalt ans Herz legte. Nach einer positiven Bewerbung am „Berklee College of Music“ in Boston, wechselte Mikula, mit einem Stipendium im Gepäck, im dritten Studienjahr an die wohl namhafteste Musikerschmiede der USA. Aus dem geplanten einjährigen Aufenthalt wurden schließlich drei Jahre inklusive eines Abschlussdiploms mit Auszeichnung. Zurück in Graz, schloss Mikula nach zwei weiteren Studienjahren sein Studium an der Hochschule ab, um sich daraufhin nach nunmehr siebenjährigem Pauken seiner Musikerlaufbahn zu widmen.

Wie bereits erwähnt, begann Mikulas professionelle Laufbahn als Schlagzeuger an der Grazer Oper etwa 1994. Neben Herwig Thelens „Simba“ oder „Marco Polo“ war Mikula u.a. bei Stücken von Janis Joplin zusammen mit Monique Schwitter, „Das Pulverfass“ mit Regie von Dimiter Gotscheff oder „Einer flog übers Kuckucksnest“ mit Sandy Lopicic tätig. Seit seinem Umzug nach Wien spielt Mikula regelmäßig am Volkstheater sowie bei den Vereinigten Bühnen Wien, so etwa bei „Rebecca“ oder „Die Dreigroschenoper“. Die Zeit am Theater war und ist für Jörg Mikulas musikalische Laufbahn sehr prägend und bildet eine willkommene Abwechslung zu seinen Tätigkeitsbereichen im Jazz- und Worldbereich sowie als Sideman.

Letzteres sieht Mikula als seine Idealvorstellung eines Musikers. „Ich wollte immer ein Sideman sein, oder jemand der bei verschiedenen Projekten spielt.“ Dabei schätzt Mikula besonders die wechselnden Schwerpunkte, künstlerischen Herangehensweisen und unterschiedlichen Anforderungen, die die Mitarbeit bei verschiedenen Bands mit sich bringt. Neben den künstlerischen Aspekten hat diese Art der Arbeit auch viele praktische Vorteile, da man sich wenig mit der Suche nach neuen Konzerten oder organisatorischen Themen herumschlagen muss. Seine Sidemantätigkeit ist mittlerweile auf mindestens 40 Tonträgern eindrucksvoll dokumentiert. Dabei bleibt aber die Verwirklichung der eigenen Ideen häufig auf der Strecke. Mastermind bleibt stets der/die jeweilige BandleaderIn mit seinen/ihren musikalischen Visionen.

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Diese hat Jörg Mikula bei einem seiner aktuellen Soloprojekte „Drumsounds“ in die Tat umgesetzt. Gänzlich instrumentuntypisch hat Mikula 2013 eine Solo-Schlagzeug-CD veröffentlicht, auf der seine innersten musikalischen Vorstellungen ohne jegliches Zutun von technischen Hilfsmitteln wie Overdubs, Loops oder dergleichen auf einem reduzierten Schlagzeugset präsentiert werden. Darunter darf man sich jedoch keine minutenlangen technisch hochkomplexen Schlagzeugsoli vorstellen. Im Gegenteil, Mikula versucht vielmehr mit den verfügbaren Sounds der Becken und Trommeln nicht minder anspruchsvolle, dramaturgisch aufeinander aufbauende Geschichten zu erzählen. Manche dieser Geschichten wurden von anderen Musikern oder Bands wie „Fink“ oder „Mumford & Sons“ beeinflusst, andere wiederum spiegeln Eindrücke aus seinen Reisen wider oder sind gänzlich seinen Gedanken entsprungen. Gedauert hat dieser „Selbstfindungsprozess“ stolze zwei Jahre. Auf das Ergebnis kann Jörg Mikula aber zu Recht stolz sein. Das Solo Debüt fand schließlich in der „Strengen Kammer“ des „Porgy & Bess“ statt und brachte viel positives Feedback und Lob ein.

Zu seinen weiteren bisherigen sowie aktuellen Jazz- und World-Projekten zählen etwa „Deishovida“ mit denen Mikula u.a. ausgiebige und prägende Tourneen in Uganda absolviert hat, „Effi“, „GuGabriel“, das „Peter Rom Trio“, das „Sandy Lopicic Orkestar“, das „Rafael Baier Quartet“, die „Donauwellenreiter“ , „Sterzinger Experience“, die „Özlem Bulut Band“, das „Ulrich Drechsler Cello Quartet“ oder die Formation von Selen Gülun, Andy Lee Lang, Timna Brauer und Elias Meiri, Roland Daucher, Natasa Mirkovic De Ro, Matthias Loibner oder Mika Vember.

Studienreisen verschlugen Jörg Mikula u.a. nach Marokko und Uganda, wo er gemeinsam mit Matthias Loibner den Spuren der dortigen Volksmusik nachforschte. Seinen bisher wohl bewegendsten musikalischen Moment erlebte Mikula dort bei einem Konzert am Embaire Xylophon, einem mehrere Meter langen Instrument auf dem sechs Musiker einen ineinander verzahnten komplexen Rhythmus spielen.

Jörg Mikula, der bereits seit seinem 16. Lebensjahr sein Know-How an andere Interessierte weitergibt und aktuell am Wiener Privatkonservatorium „Vienna Music Institute“ unterrichtet, beschreitet mit seinen Projekten und Schwerpunkten unverkennbar einen eigenständigen und individuellen Weg, der ihm zu Recht einen hervorragenden Ruf in der österreichischen Musikszene eingebracht hat. Es ist davon auszugehen und zu hoffen, dass da noch zahlreiche weitere Projekte gleichen Schlags folgen werden.
Georg Demcisin

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