Porträt: Hirntrust Grind Media

Das Label Hirntrust Grind Media bolzt seit 2005 durch die verschiedensten Sphären: ultralimitierte Vinyl-Singles, Grafik-Magazine, abgedrehte Kassetten, ausgesuchtes Merchandise. Die Corporate Identity von Hirntrust besteht aus Kompromisslosigkeit einerseits und in deren extrem augenschmausiger Ausführung andererseits. Zeit, das Phantom hinter dem Miniversum zu beleuchten – doch so einfach ist das gar nicht, wie Clemens Marschall herausfinden musste.

Denn will man Wolfgang Ofner, den früher in Wien, seit ein paar Jahren in Ansfelden ansässigen Labelchef sprechen, bekommt man über das nur mittels E-Mail kommunizierende Medium eine Absage: „Ich stehe einfach nicht gern mit meinem Gesicht im Vordergrund.“ Fragt man ihn dann, ob er wirklich so ein „maulfaules Phantom“ bleiben will, so kommt das nächste E-Mail geschwind: „Ofner Wolfgang das maulfaule Phantom… das bin ich.“
Er will die Musik für sich sprechen lassen, keine Stellung beziehen – und schon gar kein persönliches Treffen. So bleibt dann nichts anderes über, als Szeneangehörige, Internetforen und sonstige Quellen anzuzapfen, um Informationen über das obskure Label in Erfahrung zu bringen. Die gesicherten Informationen:

Hirntrust veröffentlicht Vinyl-Singles, meistens bunt, oft mit schön großen Löchern, wie man sie sonst fast nur noch bei Jahrzehnte alten 7“s findet. Darauf zu hören sind allerdings alles andere als altmodische Klänge: HarshGrindJungleFever, SlashCoreGabbaGabbaHey, Polka der Apokalypse, Cut-Up-NoiseDrama, streng verbotenes Samplinggehacke, neue Auslegung alter Werte, richtig harte Showtunes, dargebracht von der internationalen Speerspitze eines Wahnsinnskarussells, bei dem selbst ausgewachsenen Dinosauriern der Magen hochkommt: Rank Sinatra, Company Fuck, Laars Leerkörper (Bobby Lazar), Deathstorm (Maruosa, Bong-Ra), Total Fucking Destruction (Rich Hoak von Brutal Truth), Duran Duran Duran, Sgure (Otto von Schirach), Skat Injector und Cock-Gun Blast, um nur einige zu nennen. Hinter Letzteren verbirgt sich der Hirntrust-Chef höchstselbst, der außerdem noch in der Combo 1bomb1target aktiv ist und die Konzertreihe Noisecamp geführt hat, die sämtliche Veranstaltungsorte wie die Wiener Stätten EKH, rhiz, fluc und VEKKS zum Einsturz gebracht hat.
Des Weiteren hat Ofner gerade ein neues Noise Projekt am Laufen, das den Namen Odd Alfred trägt und analogen Noise liefern soll: kein Laptop, kein Drumcomputer, kein Sampler – nur jede Menge Knöpfe zum Drehen, Distortions, Delays, Soundgeneratoren, Drone Machines und Tape-Deck-Shredding.

Wie sich vielleicht anhand der Band- und Künstlernamen erahnen lässt, würde der Großteil der Weltbevölkerung die Klänge von Hirntrust spontan als „unhörbar“ einstufen. Unangenehm zwingende Todessehnsucht. Als würde man von der eigenen Mutter durch den Fleischwolf gedreht werden. Ein Exorzismus in die andere Richtung. Oft wird mit dem Verhältnis zwischen Form und Inhalt bzw. der eigenen Erwartungshaltung gespielt. Und tatsächlich ist es so, dass es einige Zeit braucht, um die Schönheit in all dem Wahnsinn zu entdecken. Die meisten setzen sich dem gar nicht aus, doch hat es einmal „klick“ gemacht, erscheinen andere Musiken oft als geradezu langweilig.

Hirntrust Grind Media besteht zudem aus Sublabels: Grindplates – ultrastreng limitierte 5”-Vinyl-Stücke – und Fuck You Tapes mit – nageh! – Kassettenveröffentlichungen.
Doch nicht nur Musikveröffentlichungen, sondern immer wieder auch superschicke Leiberl, Postkarten, Poster und Skateboards werden von Ofner kredenzt. Dazu hat er mit ausgesuchten Künstlern wie der Atzgerei, Thomas Raimondi, Bobby Lazar (Stefan Kushima) und Stirn Prumzer kollaboriert.
Magazine sind ein weiteres Standbein des Grindmediversums. In der Reihe Hirnplatzt Zine erscheinen obskure, doppelbödige und angriffslustige Grafikkompendien – stets im selben Format, egal, welcher Künstler sich darin präsentiert.

So gut wie alle Hirntrust-Produkte werden in streng begrenzter Auflage produziert, weswegen man nie zu lange warten sollte: Im Internet findet man z. B. vergriffene 5“-Singles, die für 40 Euro angeboten werden. Besser gleich zuerst im Grindshop zuschlagen – da sind die Preise äußerst fair. So gibt es für niemanden eine Ausrede – und genau so soll das sein. Ofner will sich nicht im Underground ausruhen, sondern diesen erst infizieren. Tollwut. Fieber. Geschwür. Geschmack.

In den Monaten April und Mai alleine sollen dazu gleich drei neue Platten erscheinen: Kardiac, eine Art Death Rapper aus New York, wird eine Platte namens „Play God“ veröffentlichen. Bei der Releasefeier dazu in einem Studio in Brooklyn soll gerüchteweise auch Ofner selbst auftauchen. Weiters auf dem Programm stehen Singles von Napalm Def aus Baltimore und Spastic Burn Victim aus London. Auch neue Hefte sind sozusagen druckfertig, darüber allerdings wollte niemand detailliert spekulieren.

Als Wolfgang Ofner diesen Text zur Ausbesserung etwaiger Fehler bekommen hat, meinte er per E-Mail: „Gute Arbeit.“
Mehr kann man eigentlich nicht verlangen.

Foto: © Hirntrust Grind Media

http://www.hirntrust.at
https://soundcloud.com/hirntrust
http://www.flickr.com/photos/hirnplatzt/