Porträt: Herbert Grassl

Die Szene der Neuen Musik in Salzburg ist durch diverse Tätigkeiten von Herbert Grassl mitgeprät. Nun hebt das Festival Aspekte Salzburg eines seiner Werke aus der Taufe. Begegnungen unterschiedlicher Welten, von Marschmusik und Mikrotonalität, der Kunst des Streichquartetts und des Volksmusik-Instruments Akkordeon; weit auseinander Liegendes, sich eng Reibendes, Gegensätzliches, „Leicht Verstimmtes“: Als Widerspiegelung gesellschaftlicher  Realität, aber auch als seelische Grundstimmung, die als zart depressiv oder als „Pressionen“, „Schläge“, „Ausbrüche“ und Katastrophen wahrgenommen werden können, in unprätentiöser Weise delikatest organisiert, ohne Klischees auszuwalzen. So ließe sich die Musik des aus Südtirol stammenden Herbert Grassl (geb. 1948) umschreiben, ohne sie damit künstlerisch und ästhetisch einordnen zu können.

Schon 1995 hat der „Wien Modern“-Almanach im „Versuch einer Fühlungnahme“ von Peter Cossé richtig bemerkt, dass Grassl ein Eigener geblieben sei, ohne davon viel Aufhebens zu machen. Die künstlerische Eigenständigkeit des 1948 in Laas im Vinschgau geborenen Herbert Grassl kam bereits früh zm Ausdruck. Während seines Studiums in Salzburg verblüffte er seinen Kompositionslehrer Cesar Bresgen bei einer Messe damit, dass es keine Taktstriche gab, dafür einen eigenständigen Rhythmus für jede einzelne Stimme.

Herbert Grassl begann sein Musikstudium in Salzburg erst nach einer Mechanikerlehre und dem Militärdienst in Italien. Erste musikalische Erfahrungen sammelte er auf der Trompete: Musikschule, Musikkapelle. Am Mozarteum studierte er Musikerziehung, Chorleitung und Komposition bei Bresgen, nebenbei erteilte er Unterricht am Salzburger Musikschulwerk. 1983 begann seine Lehrtätigkeit am Mozarteum, 2004 habilitierte er. Von 1988 bis 1997 stand Grassl dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik (oenm) vor, mit dem er zahlreiche Auftritte im In- und Ausland absolvierte. Auch bei dem Festival „Aspekte“ war er als Dirigent und Komponist oftmals mit von der Partie. 2007 übernahm Grassl die Leitung der Internationalen Paul-Hofhaymer-Gesellschaft.

Trotz seiner engen Verbundenheit mit der musikalischen Tradition, die sich etwa in einer Instrumentierung von Mahler-Liedern äußert, hat der Komponist einen unverwechselbaren Tonfall gefunden. Seine postgradualen Studien (Komposition bei Boguslaw Schaeffer, Computermusik bei Irmfried Radauer) schlugen  sich auch in eigenen Werken nieder. In Zusammenarbeit mit Otto Beck entstanden 1991 die sogenannten Klangmobile, pedalangetriebene Dreiräder, die ein vollständiges Musikstudio transportieren und öffentliche Plätze von Salzburg bis Seoul (Weltmusiktage 1997) beschallen können. Gemeinsam mit dem Südtiroler Künstler Jörg Hofer,  der aus Marmorstaub und Temperafarben Bilder mit strukturierter Oberfläche gestaltet, entstanden zeitsynchron geschaffene 11 Klangbildräume und Kompositionen für weitere zahlreiche Freilichtprojekte: u.a. Salzacharche, etwa auch „Berührungen”, aufgeführt  im Marmorbruch von Laas/Göflan auf 2.250 Meter Seehöhe.

1995 erhält Grassl den Preis der Ersten Bank und einen Kompositionsauftrag („leicht verstimmt“ … 5 Stücke für Ensemble),  aufgeführt vom Klangforum Wien) für das  Festival „Wien Modern“,  in dessen Rahmen auch andere seiner Werke (u.a. „5 incontri“ für Akkordeon und Streichquartett vom Arditti-Quartett) aufgeführt werden. Im Jahr 2000 wird das „Orchesterstück 7“ bei den Weltmusiktagen in Luxemburg und auf der EXPO  in Hannover mit dem Orchester des Saarländischen Rundfunks aufgeführt. Seine Werkliste umfasst zwei Opern („Pygmalion”, „Sheherazade“), aufgeführt in den Opernhäusern von Kairo und Alexandria mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik, neun Orchesterwerke (RSO Wien, Mozarteumorchester, Haydnorchester Bozen Trient, Danziger Sinfonieorchester, Orchester des Saarländischen Rundfunks, Tiroler Sinfonieorchester) und eine Reihe von Werken mit geistlichem Inhalt.

Der Marsch – eine Erinnerung auch an seine Zeit in Südtirol bei der Blaskapelle und seinen Dienst bei der Militärmusik – hat Grassl in Kompositionen immer wieder beschäftigt, etwa in der Marschpersiflage „Frisch voran …!“(1989), in den „5 Movements“ für vier Schlagzeuger (2006) oder in „Transit“ (2002) für siebzehn Bläser, Schlagzeug und drei Hörstationen: „eine akustische Reise über einen Pass, durch ein Land, das, seit es Aufzeichnungen gibt ,als Hindernis auf dem Weg von Norden Richtung Süden und umgekehrt erlebt wird“ (Grassl). Beim Straßenlärm kommt der Marschrhythmus ins Straucheln.

„Überschreitungen” mit Texten von Juan Ramòn Jiménez, Ausschnitten aus dem Ägyptischen Totenbuch und verschiedenen Psalmen wird in den Domen von Salzburg, Brixen und in der Stadtkirche Meran  mit dem Collegium Musicum und Solisten aufgeführt. Grassl verfasste eine große Anzahl von Werken für Kammermusik, Bläserensembles, Sologesang und Soloinstrumente, etwa  Kompositionen für Vokalensembles und Lieder (Tenebrae, „Der Traum ist ein Papier”, Ernst Herbeck, „la simila pintura”, Jacapo da Lentini, „Von Liebe reden …”, Gemeinschaftskomposition mit Hossam Mahmoud).

Diese Zusammenarbeit mit dem äyptischen Komponisten Hossam Mahmoud, der in Salzburg studiert hatte, zeitigte weitere Gemeinschaftskompositionen: 2008 fand zur Eröffnung der Klangspuren Schwarz die Uraufführung eines gemeinsam  komponierten Werks statt.  „Eingeklemmt“ für Orchester in vier Gruppen war ein spannendes Experiment mit  einem eigenwilligen Dialog zwischen zwei Tonsprachen, den das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Johannes Kalitzke uraufführte. Ein gemeinsam geschriebener Teil mit seiner Überlagerung der Materialschichten war dabei der perspektivenreichste.

Herbert Grassl ist mit neuen Werken immer wieder in Konzerten zu finden. Das Ensemble Wiener Collage führte erst unlängst in einem „Weihnachtskonzert“ von ihm im Schoenberg-Center „Berceuse de Noël“ für Klarinette, Akkordeon, 2 Violinen und Violoncello auf. Auf eine weitere Uraufführung bei den Aspekten Salzburg darf man gespannt sein. Das Ensemble Acrobat und zwei Sängerinnen bieten am 12. Mai auch weitere Salzburger Komponisten wie Wolfgang Danzmayr oder Gerhard Wimberger, aber auch den „Ekmeliker“ Johannes Kotschy. Der Titel von Herbert Grassl neuer Komposition ist: „Wie soll ich meine Seele halten“. (Heinz Rögl)

 

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