Porträt: Hella Comet

Hella Comet sind astronomische Spätzünder. Bereits vor 17 Jahren hatte man ein Kollektiv dieses Namens gegründet, doch erst 2010 fand der erste Konservenbeleg in Gestalt des Debutalbums „Celebrate Your Loss“ auf noiseaffine Plattenteller. Das Quartett, bestehend aus den drei Gründungsmitgliedern Lea Sonnek (Bass, Vocals), Franz Wolfgang Gurt (Guitar) und Jürgen Hochsam (Guitar) sowie dem 2006 hinzugestoßenen Drummer Markus Sworcik arbeitet sich vor allem an Soundästhetiken der späten 1980er Jahre ab und übersetzt die frühen Noise- und Postrock-Heroen in einen zeitgemäßen, undogmatischen Neuentwurf.

Gegründet um 1997 in Graz, folgten auf die erste Kreativphase diverse Zerwürfnisse und Absenzen unter den Mitgliedern. Bis zum zweiten Anlauf waren es vor allem Gurt und Hochsam, die sich neben der Verwaltung des Proberaums auch der kontinuierlichen Verfeinerung des alten sowie der Kreation neuen Materials verpflichtet fühlten. Mit der Rückkehr Lea Sonneks sowie der Einbindung Markus Sworciks am Schlagwerk begannen Hella Comet gegen 2007, endlich wieder Lebenszeichen von sich zu geben. Drei Jahre und viele erfolgreiche Konzerte später, also 2010, erschien schließlich „Celebrate Your Loss“ über Pumpkins und Schnapsidee Records; ein Album, das von heimischen Connaisseurs überaus wohlwollend aufgenommen wurde und der Band einen nachhaltig markierten Platz am Radar der österreichischen Alternative-Szene sicherte.

Die lange Entstehungsdauer des Albums lässt sich vor allem in der integren Qualität der Songs nachweisen. Hella Comet vereinen das Hypnotisch-Lähmende der Shoegazing-Ära mit der allürenlosen Spielfreude des Postrock, nicht ohne hie und da aus der post-ironischen Korrektheit auszubrechen und mit hörbarer Freude die verschwitzte Schwere deftiger Schweinerockriffs aufzugreifen und sich vorübergehend in die zugehörigen Posen zu werfen. Im selben Maße bewahren sie die Fragilität und Verletzbarkeit klassischer Distortion-Epen, wie man sie aus 1990er Jahren noch kennt – ein Namedropping inspirierender Vorbilder ist sinnlos, wenn man bedenkt, wie allgegenwärtig diese Ästhetik nach wie vor ist. Um der schmachtenden Uferlosigkeit solchen Wall-of-Sound-Gänsehautlärms zu entgehen, wurde auch ein gehöriger Schuss Pop-Appeal in den Soundkontext eingerührt, der das Hören sowohl auf der häuslichen Couch als auch bei der überwältigenden Klangmassierung in Live-Situationen lohnenswert macht.

Nach einer ausgedehnten Tour durch Mitteleuropa und mit intensivierter szenischer Bestärkung im Rücken, folgte im Jahr 2013 der sehnlich erwartete Nachfolger „Wild Honey“. Erschienen auf Noiseappeal Records, arbeiten Hella Comet hier weiter unbeirrt am eigenständigen Soundentwurf, der sich weniger an der Neuerfindung des Rades orientiert als vielmehr am freien Spiel der Kräfte, welches wiederum in durchgehend geschmackssicherem Songwriting und dramaturgischem Feingespür gebündelt wird. Dass das Quartett dabei mitunter Nostalgie und Erinnerungen an gute alte Alternative-Zeiten mittransportiert, gereicht ihm dennoch nie zum Nachteil. Denn die Art und Weise, in der mit Reminiszenzen umgegangen wird, findet in der mehr als soliden Trägerstruktur der Songs eine Relevanz und Distinguiertheit, von der die meisten anderen Bands aus diesem Genre bloß träumen können.

Für Berührungsängste mit am Jazz oder Freier Improvisation geschulten Arrangements bleibt da natürlich ebenfalls wenig Platz; entsprechend sind Hella Comet auch kaum verlegen, sich Gastmusiker an Bord zu holen, wenn es darum geht, einen Song unter instrumentell erweiterten Noise-Kaskaden ins harmonische Out zu schießen. Somit scheint es eine ihrer wesentlichsten Leistungen zu sein, überholt oder wenigstens redundant geglaubte Klangästhetiken in einer homogenen und kohärent fortführenden Bearbeitung am Leben zu halten. Ein Zugang, der sich in der bald zwei Dekaden währenden Geschichte gemeinsamen Spielens und in-Bewegung-haltens treffend wiederspiegelt. Nicht alles, aber so manches an Hella Comet erinnert daher an stilistische Eigenblutinjektion, deren zirkulative Anregung und Aufwallung beachtliche neue Blüten aus morschen Ästen treibt – und ganz nebenher den Beweis stellt, dass der altehrwürdigen Rockgeschichte nach wie vor hörenswerte und ernstzunehmende Leistungen hinzugefügt werden können.

David Weidinger

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