Porträt: Harry Sokal

Spricht man von Harry Sokal, so spricht man von einer der herausragenden und vielschichtigsten Persönlichkeiten des österreichischen Jazz. Wohl nur wenige konnten in den vergangenen Dekaden in so einflussreicher Form der heimischen Szene mit den Stempel aufdrücken, wie es der 1954 in Wien geborene Saxophonist getan hat. Es gibt kaum eine international bedeutende heimische Jazzformation, in welcher der 2005 mit dem Hans Kollerpreis ausgezeichnete und von vielen Experten der Szene als einer der wichtigsten „Post Coltrane” Saxophonisten in Europa bezeichnete Musiker nicht schon mitgewirkt hat. Harry Sokal ist ein Virtuose, der sich seine eigenen Freiräume schaffen will und für den der Begriff „Berührungsangst“ ein Fremdwort darstellt. Egal in welcher Formation auch agierend, mit seinem unverwechselbaren, ungemein gefühlvollen, stilistisch extrem vielschichtigen aber immer sehr klaren Spiel verleiht der 57-Jährige einer jeden Komposition ihre unverkennbare klangliche Note.

Ist es alleine die instrumentale Virtuosität, die einen Musiker besonders macht? Oder gehört doch noch weit mehr dazu, sich als eigenständiger Künstler zu positionieren. Vielleicht bedarf es dazu auch Mut, bereits beschrittene Wege zu verlassen, um sich für Neues frei zu machen. Harry Sokal gehört ohne Zweifel jener Gattung von MusikerInnen an, die sich mit Vehemenz dagegen wehren, auch nur für einen kurzen Moment einer bestimmten Kategorie zu entsprechen, die zu keiner Zeit Gefahr laufen wollen, sich in Wiederholungen zu verlieren, die, um diese zu vermeiden, immer wieder neue musikalische Projekte in Angriff nehmen. Neben seinen unbestrittenen instrumentalen Fähigkeiten ist es auch eine ausgeprägte Offenheit Neuem gegenüber, die den gebürtigen Wiener zu einen der bedeutendsten Musiker des Landes haben werden lassen. Egal ob nun als Solokünstler oder als Mitglied in einer Formation, der der Ausnahmesaxophonist  präsentiert sich als ein Künstler, der seiner Zeit oftmals einen Schritt voraus ist.

Harry Sokal – Stories Demo by mica

Ein Festhalten an traditionellen Jazzstandards ist nicht wirklich das Ding des Saxophonisten. Musik begreift Harry Sokal nicht als ein in verschiedene Segmente unterteiltes, geschlossenes System, sondern vielmehr als ein weites Feld, das es künstlerisch zu bearbeiten gilt. Was den bereits vielfach ausgezeichneten Instrumentalisten vor allem auszeichnet, sind seine enorme Vielseitigkeit sowie eine fast nicht zu bändigende Freude am Experiment, was sich folglich auch in der immensen Bandbreite seines musikalischen Verständnisses widerspiegelt. Ein für Harry Sokal zentraler Bestandteil seiner Musik ist die Improvisation, die energetische Kommunikation mit seinen Mitmusikern. Seine Stücke erhalten ihre endgültige Form oftmals erst durch die Interaktion. Es ist der spontane Entstehungsprozess an sich aus, aus der die ungemein lyrischen, stilistisch sehr klaren Linien folgenden und sehr ausdrucksstarken Klangarbeiten des Saxophonisten ihre weiten Spannungsbögen beziehen. Selber meint Harry Sokal: „Ich versuche so viele Farben wie möglich in meiner Musik zu präsentieren und ein großes Spektrum an Ausdruck und Stilrichtungen zu vereinigen um gleichzeitig auch viele Menschen damit zu erreichen.”

1954 in Wien geboren und seit dem sechsten Lebensjahr Klavier spielend studierte Harry Sokal am Wiener Konservatorium zunächst Klarinette und Musiktheorie, bevor er sich für das Saxophon entschied. In den siebziger Jahren Jahren tourte er mit abwechselnden Formationen durch Ungarn und Griechenland und arbeitete 1975 für Andre Heller. Von 1977 an trat er viele Jahre mit seiner eigenen Band „Timeless“ auf. Zur gleichen Zeit wurde der Saxophonist auch Mitglied des Vienna Art Orchestras und blieb es, mit kurzen Unterbrechungen, bis zu dessen Auflösung im Jahre 2010. Große internationale Bekanntheit erlangte Harry Sokal mit dem heute legendären Art Farmer Quintett, dem er 1979 bis 1999 angehörte. Unvergessen auch seine Zeit bei der nicht minder legendären österreichisch-schweizerischen Truppe Depart. Zu welch internationalem Renommee der Wiener im Laufe seiner Karriere gelangt ist, zeigen auch die Namen der Jazzgrößen, mit welchen der Musiker zusammengearbeitet hat: Art Blakey, Dave Holland, Wynton Marsalis, Terje Rypdal, Daniel Humair, Michel Portal, Mike Richmond, Minu Cinelu, Friedrich Gulda, Idris Muhammad, Joe Zawinul, Harry Pepl, Jene Jackson, Andy Mc Kee uvm.

Trotz der vielen, vielen erfolgreichen Jahre im hart umkämpften Musikbusiness denkt der heute 57-Jährige noch lange nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Noch immer bereist Harry Sokal mit viel Enthusiasmus und seiner ungemeinen Liebe zur Musik die Bühnen dieser Welt. Aktuell tourt der Saxophonist mit seinem neuen Bandprojekt „Groove“ gemeinsam mit dem Organisten Raphael Wressnig und dem Schlagzeuger Lukas Knöfler durch Europa. (mt)

Fotos Harry Sokal: R. Rygalik

http://www.harrysokal.com