Manchmal entstehen Bands spontan. Zum Beispiel wenn sich ein Musiker gerade auf Tour befindet und sich dann so gut mit seiner Supportband versteht, dass er nach kurzer Zeit zu ihnen zieht. Dies ist keine urbane Legende, sondern die Entstehungsgeschichte von Ghost Capsules. Das Dark-Electronica-Quartett wurde durch das Zusammentreffen vom Briten Tim Simenon mit Roman Lugmayer und Georg Lichtenauer ins Leben gerufen. Simenon war mit Bomb The Bass wegen Albumpromotion in Wien und Bomb The Bass ist nicht unbekannt. Es ist ebenso das Musikprojekt von Simenon, der in den 1980ern angefangen hat Musik zu machen. Sein Erkennungsmerkmal ist exzessives Sampling, das in dieser Form auch ein bisschen Wegweiser für spätere Elektro- und Dance-Songs war.
Simenon war also in Wien und traf Schlagzeuger Lugmayer und Keyboarder Lichtenauer der Wiener Band Valesta. Und tatsächlich surften die drei auf derselben musikalischen Wellenlänge, so dass der Brite seinen Amsterdamer Wohnsitz aufgab und nach Wien zog. Hinter den hypnotisierenden Vocals steckt Laura Gomez. Die gebürtige Spanierin lebt in Berlin und singt auch für die Band Haiku Dandys. Simenon hatte sie für eine von ihm organisierte Klubnacht engagiert, ihre kühle Stimme passte einfach perfekt in das Konzept von Ghost Capsules.
In diesem Fall kann man wirklich von einem klaren Konzept ausgehen, wenn man von der Musik der Vier spricht. Lichtenauers Selbstbeschreibung in einem Interview spricht Bände: Elektronisch, melodisch und „verfreakelt“ sind die Schlagworte. Letzteres kann auch als ‚verkopft‘ gedeutet werden, denn Präzision steht an vorderster Stelle. Auch Gomez Lyrics sind pointiert. Die Melodien bilden die kühle Grundlage für ihre Stimme und sie regiert wie eine dunkle Herrscherin über die Emotionen.
Vergleichen könnte man Ghost Capsules mit Moloko, nur sind erstere deutlich nachtaktiv, während Roisin Murphy und Mark Brydon sonnendurchflutete Lichtungen nicht scheuen. Aber als zu düster will sich das Quartett auch nicht darstellen. Am besten beschreibt es dann doch die Aussage von Gomez, die meinte, dass ihre Musik wie eine Mischung aus Zartbitter-Chili-Elektro mit einem Hauch von Espresso klinge.
Das nach dem Bandnamen benannte Debütalbum erschien im Frühjahr 2013 und wurde nicht nur von österreichischen Medien aufgeschnappt. Kein Wunder, denn es wurde nichts dem Zufall überlassen. Von der Produktion bis zu der Instrumentierung – Ghost Capsules bringen es auf den Punkt. Und doch ist es nicht die Platte für die Party selbst. Es ist das Aftershow-Wummern, es ist die Musik, die nachhause begleitet, wenn man durch die dunklen Straßen einer Großstadt geht. Gedämpfte Gänsehaut, letzte zuckende Körperteile, die noch einmal Bewegung verlangen und über allem schwebt die lockende Schlafzimmerstimme von Gomez.
Anne Marie Darok