„Bei Eis an Wasser zu denken, heißt, sich an den Punkt zu erinnern bevor es Eis war. Ensemble EIS kann sich lösen, um sich in anderer Konstellation wieder zu verbinden.“ (Ensemble EIS)
Als Christoph Herndler 1997 Ensemble EIS gründete, waren die Voraussetzungen doppelt günstig. Zum einen war der gebürtige Oberösterreicher durch seine vorangegangene Mitwirkung im Klangforum Wien, dem damals wohl mitgliederdemokratischst bestimmten Spezialensemble für Neue Musik, mit dem organisatorischen ebenso wie dem künstlerischen Alltag einer Formation für zeitgenössisches Musikschaffen bestens vertraut. Zum anderen bestand und besteht in den österreichischen Bundesländern seit jeher ein Defizit an solchen Klangkörpern. Zugegeben, ein Umstand, der auch einer gewiss nicht gerade ausufernden Nachfrage entspricht. Dennoch: Angebot schafft in der Regel auch Publikum, und so hat sich EIS in den letzten eineinhalb Jahrzehnten in hinsichtlich der Auftrittszahl bescheidenem, aber qualitativ hochwertigem Maß im heimischen Musikleben etabliert.
Konzertensemble und Projektgruppe
Die Besonderheit an EIS: Es versteht sich keineswegs ausschließlich als Konzertensemble. Vielmehr ist es nach Eigendefinition eine „spartenübergreifende Projektgruppe“. Gründer Herndler hat gleichzeitig auch die Leitung inne, und seiner vom kompositorischen Mainstream durchaus abweichenden Arbeit – seine Schwerpunkte liegen auf musikgrafischem und elektroakustischem Gebiet – entspricht auch die Neigung, mit EIS nicht die üblichen Pfade zu verfolgen. Dass wie immer bei durch schöpferisch kreative Musiker gegründeten Ensembles auch die Aufführung eigener Werke eine nicht unwesentliche Rolle spielt, versteht sich. EIS ist freilich in besonders enger Verbindung mit Herndlers Schaffen zu sehen, hat er doch als Leiter die Möglichkeit zur authentischen Umsetzung seiner Vorstellungen.
Nicht zuletzt ließ sich das auch beim letzten Wien-Auftritt des Trios EIS – einer Sonntagsmatinee am 13. Jänner 2013 im MUMOK – verfolgen, bei dem Herndlers 23.24.25 (2004) und abschreiben (2005) präsentiert wurden. Trio EIS, ein Streichtrio aus Ivana Pristašová , Petra Ackermann (beim Wien-Konzert spielte Weiping Lin die Viola) und Roland Schueler (Violoncello) ist in seiner Arbeit autonom vom größeren Klangkörper zu sehen. Im November dieses Jahres wird ein EIS-Streichquartett Luigi Nonos „Fragmente – Stille, an Diotima“ beim Fest Neuer Musik der IGNM-Sektion Oberösterreich spielen. Wie bei fast allen Moderne-Ensembles, spielen auch im Ensemble EIS Musikerinnen und Musiker, die auch in anderen Ensembles vertreten sind und somit einen breiten Überblick über das allgemeine Geschehen haben.
Gruppendynamischer Aggregatzustand
Christoph Herndler über die Möglichkeit, seine Projekte mit EIS zu realisieren: „Im Ensemble wirken nicht nur Künstlerinnen und Künstler aus der Sparte Musik, sondern auch aus Tanz, Film, bildender Kunst und Literatur mit; und genau darin spiegelt sich ja auch der intermediale und spartenübergreifende Aspekt meiner Notationsgrafiken. Da jede Institution auch ein Spiegel ihrer Strukturen ist, schien es mir angebrachter, ein ‚eigenes‘ Ensemble zu gründen, als mich auf Institutionen einlassen zu müssen, wo ein Großteil der Energie in Überzeugungsarbeit fließen muss, bevor es dann erst nur zu unbefriedigenden Resultaten kommt. Das hat weniger mit der Fähigkeit und Offenheit einzelner Menschen zu tun, als mit gruppendynamischen Effekten. Wenn ich dann doch mit anderen Ensembles arbeite, ist es immer gut, wenn einer oder zwei der Gruppe mit meinen Arbeiten schon Erfahrung haben. Sie können einer Gruppe die Sicherheit geben, die ansonsten durch die Autorität des Dirigenten oder der herkömmlichen Partitur gewährleistet ist. Denn im Gegensatz zu Partituren, die das klangliche Ergebnis zeigen, auf das schon in den ersten Minuten der Probe verwiesen werden kann – auch wenn man noch zu keinem solchen tatsächlich gefunden hat –, gibt es bei meinen Notationsgrafiken keine visuelle Referenz, die den Klang belegt; sie sind vielmehr ein visueller Beleg dafür, wie ein klangliches Geschehen durch ihm zugrunde liegende Prinzipien und nicht ihm übergeordnete Kontrollinstanzen selbständig wachsen kann.
Ein entscheidendes Merkmal von Ensemble EIS liegt darin, dass keiner der Teilnehmenden austauschbar ist. Bricht sich zum Beispiel ‚die Klarinette‘ kurz vor einer Aufführung das Bein, wird die Aufführung entweder ohne sie stattfinden können oder es fügt sich eine andere Klarinette zur Gruppe. In jedem Fall aber hat eine instrumentale oder personelle Änderung unmittelbare Konsequenzen auf die klangliche Form, ohne dabei ihre Identität oder Vollständigkeit zu verlieren. Im Gegensatz dazu würde eine ‚Symphonie mit dem Paukenschlag‘ ohne Pauke oder irgendein neueres Werk für chromatisch gestimmte Steeldrums in der fünften Oktav ohne fünfte Oktav nicht funktionieren.
Das Ensemble EIS ist somit ein Gegenentwurf zur klassischen Institution, deren Mitglieder austauschbar sind, OHNE dass sich dabei die Form der Institution zu ändern hätte. Die Stabilität von EIS gründet auf der Flexibilität der Formen, die es verkörpert. EIS ist keine Institution, sondern ein Aggregatzustand.“
Spezialisierte Solisten im Miteinander
Abschließend ein Blick auf die Liste der seit Ensemblegründung bei EIS mitwirkenden Künstler, der vor Augen führt, welch hohes Spezialistentum hier zum Zug kommt. Genannt seien u. a. Norbert Trawöger (Flöte), Pia Palme (Subbassblockflöte), Theresa Dinkhauser, Judith Lehner, Heinz Peter Linshalm, Alexander Neubauer, Stefan Neubauer, Georg Riedl und Petra Stump (Klarinette), Benedikt Dinkhauser und Robert Gillinger (Fagott), Eva Herndler, Patricia Kopachinskaja, Weiping Lin, Levan Pagava, Ivana Pristašová und Thomas Wally (Violine), Petra Ackermann und Elaine Koene (Viola), Melissa Coleman, Stefanie Prenn, Elisabeth Ragl, Roland Schueler und Tobias Stosiek (Violoncello), Yova Drenska (Akkordeon) sowie Isabel Ettenauer, Johannes Marian und Manon-Liu Winter (Klavier). Als Vokalisten bei EIS-Projekten hörte man u. a. Otti Klinger, Bernhard Landauer, Sabine Lutzenberger, Judith Ramerstorfer, Annette Schönmüller und Anna Maria Pammer. Weitere wesentliche Inputs erfolgten durch Christian Steinbacher (Texte), Markus Schlee (Zeichnungen), Angela Flam (Tanz) und Alfred Reiter (Tontechnik).
Christian Heindl
http://www.herndler.net/eis.html